Eine Parallelwelt des Fußballs
Das sitzt. Sogar der „Geht’s ausse und machts euer Spiel“-Apostel Franz Beckenbauer kann nicht glauben, wie planlos die österreichische Nationalmannschaft gegen Belgien und die Türkei aufgelaufen ist. „A jeder ist g’rennt wie ein Wahnsinniger, und es ist
„Wir sprechen ständig über Viererketten, Rauten, enge Räume oder Flugkurven des Balles. Da kann man schon hie und da etwas berechnen“, sagt Slomka.
Constantini machte sich in einem Interview vor der EM-Qualifikation ähnliche Gedanken, nur mit anderem Ausgang: „Heute wird viel mit Begriffen wie 4-3-2-1 und 4-2-2-2 jongliert. Ich kann darüber nur lachen, am Ende entscheiden die Spieler mehr als ein System.“
Vielleicht finden österreichische und ausländische Trainer deshalb nie zueinander. Zu groß ist der Glaube dort an die Beeinflussbarkeit des Fußballs durch System und Taktik. Zu groß ist in Österreich der Glaube an Zufall und Glück als einzig entscheidenden Faktor.
Die österreichische Fußballauffassung ist ein Widerspruch zu jener der restlichen Fußballwelt. Sagt Arsenal-Trainer Arsene Wenger, dass Spieler nach ihrem 20. Lebensjahr für internationale Maßstäbe nicht mehr formbar sind, sagen Prohaska & Co. dass sie so lange wie möglich im Inland bleiben sollen, auch wenn die Werdegänge von Alaba und Arnautovic (beide gingen früh ins Ausland) und zum Vergleich jener von Christoph Leitgeb (der hier blieb und sich zurückentwickelte), dagegen sprechen.
Regiert überall in Europa taktische Vorbereitung, systemorientiertes Denken und Zufallsminimierung, sagt ein österreichischer Teamchef trotzdem so etwas wie: „Taktik ist wichtig. Aber wenn ich sehe, dass eine Mannschaft mit derselben Taktik einmal gewinnt und dann wieder verliert, muss ich sagen, Taktik ist vielleicht doch nicht so wichtig.“
Mirko Slomka sagt, er würde jedem Trainer raten im Jugendbereich zu beginnen. „Man kann hier mal Fehler machen, die nicht gleich öffentlich werden. Man kann sich intensiv mit den Grundlagen beschäftigen. Das ist wichtig bevor man im Leistungsbereich arbeitet.“
Krankl wollte trotzdem gleich zu Rapid, Herzog gleich ins Nationalteam und Polster gleich zu Köln.
Jogi Löw trainierte einmal Tirol und die Austria. Heute ist er deutscher Teamchef, der sich tagelang damit beschäftigt den Gegner zu analysieren. Erwartet er ein Team mit zugestellten Räumen, versucht er sie durch konstruierte Spielzüge zu öffnen.
Constantini spricht auch oft von zugestellten Räumen, von wenig Platz für seine Spieler und erklärt damit den Nichtangriffspakt seines Teams. Punkt. Auf die Idee Spielzüge zu konstruieren kommt Constantini nicht. Er ergibt sich im Vorfeld und konstruiert danach Ausreden, die er schablonenhaft zur Verfügung hat.
Mirko Slomka sagt im Kurier, dass sein Spiel für Schnelligkeit nach vorne stehe. Er wolle aus einer gut zum Ball orientierten Defensive arbeiten und bei Ballgewinn überfallsartig zum Abschluss kommen.
Constantini setzt weiterhin auf Kontertaktiken, in der ein Stürmer in der Luft hängt und sieben Spieler am Strafraum verteidigen, was zur Folge hat, das Dauerdruck und Offensivflaute entstehen. Sein Argument ist die Underdogrolle, die ihn zur Kontertaktik zwingt. Ist Slomka aber mit Hannover nicht viel mehr Underdog gegen Bayern, Dortmund, HSV, Schalke, Bremen & Co. als Constantini mit dem ÖFB-Team gegen Belgien und die Türkei.
Slomka bezeichnet Pogatetz als Klassemann mit Nervenstärke, Erfahrung und Potential für Bayern München. Constantini spricht seinen Spielern, also auch Pogatetz, die Klasse und Nervenstärke ab. Wer hat Recht? Fest steht, dass Pogatetz die Anweisungen Slomkas umsetzt und gegen Bayern und Konsorten den Beweis dafür liefert.
Slomka sagt, dass ein Trainer nur fachlich überzeugen könne, nicht alleine mit Sympathie. Constanini glaubt das Gegenteil.
Bei all den sich nicht deckenden Aussagen stellen sich andere Fragen.
Warum stehen Aussagen international erfolgreicher Trainer und Experten immer wieder in solchem Widerspruch zu den Aussagen heimischer Coaches und Funktionäre? Warum besteht in Österreich eine Parallelgesellschaft, die nichts mit der eigentlichen Fußballwelt anderswo zu tun hat?
Und – die entscheidende Frage – warum fällt das niemandem auf?