Ein Nichthaberer als Teamchef – wie reagiert die Verhaberungspartie?

Ein Schweizer und Willi Ruttensteiner sind die neuen starken Männer des österreichischen Fußballs. Der Verhaberungspartie rund um das ÖFB-Team passt das gar nicht. Wie schon nach der Teamchefbestellung von Karel Brückner setzt man auf Widerstand. von Ge

logo_qualitaetsjournalismusEin Schweizer und Willi Ruttensteiner sind die neuen starken Männer des österreichischen Fußballs. Der Verhaberungspartie rund um das ÖFB-Team passt das gar nicht. Wie schon nach der Teamchefbestellung von Karel Brückner setzt man auf Widerstand.

von Gerald Gossmann

 

Herbert Prohaska hat gewöhnlich am A-Team wenig zu meckern. Vorausgesetzt ein Inländer, sprich ein Haberer, besetzt die Trainerbank. Für Constantini forderte Prohaska bis zum bitteren Ende mehr Zeit, für Hickersberger mehr Geduld, für Krankl beides. Augenscheinlich wurde Prohaskas uneingeschränkte Präferenz für Einheimische als Karel Brückner zum Teamchef bestellt wurde. Plötzlich gab es am A-Team viel zu meckern, verlorene Zeit zu bekritteln oder Arbeitsweisen zu kritisieren. Auch nach dem Sieg über Frankreich blieb die Miene des Jahrhundertfußballers todernst. Prohaska meckerte, dass auch nach einem Sieg gegen die Franzosen nicht alles gut sei und bei den Toren eine eiskalte Chancenverwertung und Glück mitspielten. Was hätte Prohaska wohl gesagt, hätte Constantini, Hickersberger oder gar Krankl mit einem ähnlichen Erfolgserlebnis aufzuwarten gewusst?

 

Gestern sickerte durch, dass der neue Teamchef Marcel Koller heißen könnte. Und: die Kompetenzen von Willi Ruttensteiner dürften in Richtung A-Team erweitert werden. Wie reagiert der Legendenclub, die Altveteranen – die in Österreich auch als Expertenrunde durchgehen – auf die Bestellung eines Nichthaberers? Ein ausländischer Teamchef, wie Koller, bedeutet schließlich auch, dass Manfred Zsak und Franz Wohlfahrt (beide mit dem Experten gut verhabert) wohl nicht mehr lange dem Trainerstab angehören. Ein neuer Teamchef, neue Leute. Sprich: Herzog muss weiter das von ihm ungeliebte U-21-Team betreuen, Jara weiter Golf spielen und Manfred Zsak wieder stempeln gehen. Aber können persönliche Präferenzen die Meinung eines Österreichweit angesehenen Experten überhaupt soweit beeinflussen, sodass Expertise und Meinung zu einem Mischmasch verkommen?

 

Prohaskas persönliche Präferenzen, verpackt als Analyse für die Massen

Ja. Österreichs Analytiker Nummer eins erzählt heute der Kronen Zeitung, dass er beim Zusammensitzen mit seiner Tennisrunde vom Namen des neuen Teamchefs überrascht wurde. Was Prohaska zu seinen Tenniskumpanen danach sagte, bleibt sein Geheimnis. Wie aber reagiert er öffentlich darauf? Hoffentlich anders, hoffentlich objektiver und analytischer. Weit gefehlt. Prohaska sagt: „Ohne Koller nahe treten zu wollen, solche Trainer haben wir bei uns genügend. Ein Didi Kühbauer zeigt es gerade vor, ein Andreas Herzog ist sicher um nichts schlechter als Koller, hätte mindestens genauso gut den Teamchefjob gemacht.“ Also wieder nichts außer persönliche Präferenzen, verpackt als Analyse für Millionen von Krone-Lesern.

 

„Der erste Schweizer Teamchef in Österreich wird sich an den Erfolgen der heimischen Trainer messen lassen müssen und wird es sehr schwer haben“, setzt Prohaska nach.

 

Klingt fast nach einer Drohung, wobei sich die Frage stellt, warum gerade Koller nun von Prohaska an Erfolgen gemessen wird. Wo doch bei Constantini zuletzt andere Parameter ausschlaggebend gewesen waren. Die Qualität der Spieler sei nicht vorhanden, die wenigsten spielen im Ausland, ein neuer Trainer könne auch keine Wunder bewirken, analysierte Prohaska noch nach dem Länderspiel in Gelsenkirchen. Mag seine Meinung sein. Warum aber dann die Latte, sobald ein Nichthaberer als Teamchef feststeht, nach oben schrauben?

 

Herzog, Jara, Kühbauer – sie alle leben von diesem Netzwerk

Auch von Polster, Krankl oder Schinkels hört man heute flammende Plädoyers für eine österreichische Lösung. Zwei ganze Spielergenerationen machen mobil – gegen die ausländische Lösung und für einen Haberer als Teamchef. Herzog, Jara, Kühbauer – sie alle leben von diesem Netzwerk, das Ex-Spieler in hohe Trainerpositionen hieven soll. Und jetzt sitzen am höchsten Stuhl des Fußballlandes ein Schweizer und (aller Voraussicht nach) ein Theoretiker. Ein Schlag ins Gesicht für die Netzwerker, ein Kahlschlag ihrer Macht. Prohaska über Ruttensteiner: Vieles, was er sagt, setzt er nicht um. Er hat alles gemacht, was Didi (Anm. Constantini) nicht gemacht hat. Das kann früher keine gute Zusammenarbeit gewesen sein. Und wenn er jetzt mehr Kompetenzen will, so kann das nicht sein. Verantwortlich muss für alles letztendlich der Teamchef sein.“

 

Prohaska und seine Expertenkollegen verwechseln immer öfter Postenschacherei und subjektive Verteidigung von Haberern mit sachlicher Analyse. Ein Netzwerk an vermeintlichen Experten, die öffentliches Ansehen genießen, deren Meinung beim Publikum zählt, die aber nur darauf bedacht sind, ihre Favoriten in Stellung zu bringen, kann dem neuen Teamchef gefährlich werden. Vor allem dann, wenn auch der Boulevard mitspielt und Qualitätsmedien ihre Aufgabe als Kontrollorgan vergessen.

 

Es wird also nicht nur an der fachlichen Qualität des neuen Teamchefs und den neuen Strukturen im ÖFB liegen, ob sich Erfolg einstellt, sondern auch an einer Öffentlichkeit, die das fußballbegeisterte Publikum nicht, getrieben durch persönliche Interessen, an der Nase herumführt.

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