Ein Herbert Prohaska, zwei Gesichter
Herbert Prohaska vermischt persönliche Meinung und Interessensvertretung zu Analysen. Der ORF steht zu seinem Chefanalytiker, auch wenn dabei Unvereinbares vereinbart wird. von Gerald Gossmann Herbert Prohaska hat kritische Worte für sich entdeckt. Ha
Herbert Prohaska vermischt persönliche Meinung und Interessensvertretung zu Analysen. Der ORF steht zu seinem Chefanalytiker, auch wenn dabei Unvereinbares vereinbart wird.
von Gerald Gossmann
Herbert Prohaska hat kritische Worte für sich entdeckt. Hans Krankl vergeigte zwei Qualifikationen, Pepi Hickersberger holte in seiner miesesten Phase als Teamchef aus 15 Spielen einen Sieg, Didi Constantini knackte beinahe den Allzeit-Rekord an hintereinander verlorenen Spielen. Aber erst jetzt entdeckt der Chefanalytiker des Landes kritische Wortspenden für sich.
Vor kurzem reklamierte Herbert Prohaska noch den Haberer Andi Ogris ins Trainergeschäft. Die Kollers von heute seien zu spröde, ein Ogris würde den verwöhnten Kickern Beine machen.
Als Teamchef hätte ihm sein Haberer Andi Herzog auch gereicht. Dann wären Manfred Zsak (ein Haberer) und Franz Wohlfahrt (auch ein Haberer) vermutlich im Trainerstab geblieben. Der spröde Koller könne hingegen keine Forderung des Analytikers bedienen. Weder den verwöhnten Kickern Beine machen, noch den Haberern den Posten pragmatisieren.
„Solche Trainer (wie den Koller, Anm.) haben wir bei uns genügend“, sagte Herbert Prohaska am Tag der Bestellung des neuen Teamchefs. Seine Erfolge seien nicht überzeugend. Achter mit einem Abstiegskandidaten in der Deutschen Bundesliga zu werden, schaffte zwar kein österreichischer Coach in der jüngeren Vergangenheit. Aber egal.
Constantini holte keinen Titel bevor er zum Teamchef wurde, Krankl verwies zwar vehement auf einen Stadthallenturniersieg. Experten sind sich aber bis heute uneinig, ob man Erfolge im Hallenfußball in einer Rasensportart dazuschwindeln könne. Ansonsten würde auch bei ihm die Null in Sachen Erfolge stehen. Und ist es überhaupt logisch einen österreichischen Trainer fürs Team zu fordern, wo doch die drei letzten Einheimischen grob scheiterten?
Gebetsmühlenartig predigte Prohaska noch bis zuletzt, dass ein Teamchef eine arme Sau sei, nichts bewegen könne, die Spieler – die sich eben nicht weiterentwickeln, zu wenig Spielpraxis sammeln und nicht laufen wollen – an allem Schuld seien. Was aber nicht stimmt. Janko ist Toptorschütze in Holland, Harnik bester Torschütze des Vfb Stuttgart, Fuchs Leistungsträger auf Schalke, Pogatetz in Hannover, Arnautovic in Bremen, Alaba kommt beim FC Bayern zu Einsätzen, Ivanschitz spielt in Mainz stark, Scharner in England, Prödl in Bremen und Dragovic in Basel.
Kann demnach auch Walter Meischberger die „Affäre Grasser“ im ORF analysieren?
Die spielen alle, die bringen alle Leistung, das erwähnen auch internationale Experten. Prohaska analysierte trotzdem das Gegenteil, im ORF, in seiner Rolle als Analytiker. Und das Gebetsmühlenartig. Bewusste Falschinformation, entgegen aller Fakten, um im Interesse des Teamchefs den öffentlichen Fokus von ihm weg zu lenken. Hin zu den Spielern. Der ORF verkauft seine Expertise als Analyse. Dabei handelt es sich um keines von beiden. Persönliche Meinung gepaart mit Interessensvertretung. Mehr ist da nicht.
Aber kann man von Herbert Prohaska eigentlich verlangen, seine Haberer Zsak, Wohlfahrt, Constantini, Krankl und Hickersberger öffentlich anzuschwärzen? Vielleicht nicht. Der ORF müsste die Unvereinbarkeit aber erkennen.
Man betraut ja auch nicht Walter Meischberger oder Manfred Ainedter mit neutralen Analysen zur „Affäre Grasser“. Würde man nie tun, würde einen großen Aufschrei zur Folge haben. Wie aber erklärt sich das zweierlei Maßmessen? Warum kann das auf der einen Seite nicht Mögliche auf der anderen Seite geschehen?
Armin Wolf hatte am Tag der Teamchefbestellung die Aufgabe den neuen Teamchef im ZIB 2-Studio zu befragen. Wolf ist bekennender Nicht-Fußball-Interessierter. Er informierte sich über Twitter. Fragte dann auch fundiert. Lies seine Follower aber auch wissen, dass in der Sendung auch bedeutendere Themen abgehandelt werden würden.
Dort liegt der Hund begraben: Der Fußball in Österreich hat keine intellektuelle Dimension, jedenfalls sieht man das so. Auch wenn das lange nicht mehr stimmt und von akribischen Internetjournalisten regelmäßig widerlegt wird. Es ist tatsächlich ein Problem, wenn die klügsten Journalisten und sämtliche Qualitätsmedien des Landes auf tiefsinnige Sportberichterstattung verzichten.
Der deutsche „Spiegel" setzt auf ein fundiertes Sportressort. Das österreichische „Profil" verzichtet darauf. Die Meinungsbildung wird dem Boulevard überlassen. So erklären sich auch Zahlen, wonach 70 Prozent der Österreicher gegen den neuen Teamchef wettern, weil sie das was Prohaska sagt auch für bare Münze nehmen. Verblödet von einem Großteil der Sportjournalistenszene, die journalistische Grundprinzipien einfach ausblendet, weil es ja ohnehin um Belangloses wie Fußball geht.Der ORF leistet sich zwar einen eigenen Sport-Spartenkanal, aber keinen objektiven Analytiker. Prohaska darf weiter jeden ausländischen Coach verteufeln, während er Einheimischen öffentlich die Stange hält. Lernt der ORF aus den offensichtlichen Motiven ihres Chefanalytikers?
Nein. Unvereinbarkeiten gibt es anderswo, nicht in Österreich. Herbert Prohaska führt heute eine Diskussionsrunde zur Teamchefbestellung an. Angekündigt als Chefanalytiker. Der ORF steht zu seinem Aushängeschild, das bei der Masse immer noch hohen Stellenwert genießt, auch wenn er dabei Unvereinbares vereinbart.
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