Die Rolle des Willi Ruttensteiner – Analyse eines Widersprüchlichen
Willi „Wichtig“ Ruttensteiner nennt der Boulevard den Interimsteamchef süffisant. Warum Ruttensteiner aber noch wichtiger sein müsste und doch so widersprüchlich ist. Versuch einer Erklärung. von Gerald Gossmann Da bedankt sich Willi Ruttensteiner artig
Willi „Wichtig“ Ruttensteiner nennt der Boulevard den Interimsteamchef süffisant. Warum Ruttensteiner aber noch wichtiger sein müsste und doch so widersprüchlich ist.
Versuch einer Erklärung.
von Gerald Gossmann
Da bedankt sich Willi Ruttensteiner artig bei Didi Constantini für dessen Arbeit als Teamchef. Setzt ab. Schnauft durch. Und erklärt darauf staubtrocken, dass die Arbeit des Teamchefs jetzt aber richtig, also gänzlich anders, gemacht wird.
Es ist diese Widersprüchlichkeit des Willi Ruttensteiner, die einen nicht schlau werden lässt. Wenn die Absetzung von Roger Spry, die Nichteinberufung von Ivanschitz und Stranzl, die fehlenden taktischen Einheiten und die Nichtabstellung von U-21 spielberechtigten Spielern so falsch waren, warum war Constantini dann gut?
Ruttensteiner spricht gerne von Nachhaltigkeit: „Ein Teamchef will das nächste Spiel gewinnen, ein Sportdirektor das nächste Jahrzehnt.“ Vor kurzem sagte er: „Der Nachwuchsfußball steht gut da, das A-Team aber noch nicht. Mein Ziel ist es, das Team auf ein gutes Niveau zu bringen.“ Gut und schön. Ruttensteiner ist seit 2001 Sportdirektor des ÖFB. Wer Krankl, Hickersberger und Constantini ohne Taktikkram werken lässt, könnte man meinen, der will es wohl nicht anders, als erfolglos zu bleiben.
Ruttensteiners Kompetenzen sind aber begrenzt. Auch wenn er davon spricht, er wolle das A-Team auf die Erfolgsspur führen, so kann er es gar nicht, weil er es nicht darf. Ruttensteiners Zuständigkeitsbereich umfasst die Koordinierung der Trainerausbildung, interne Schulungen, die Gegner-Analyse, Talenteförderung und die Koordinierung des Nachwuchsbereichs. Heißt konkret: Ruttensteiner kann zwar seine Arbeit mit Sternchen erledigen und Spieler en masse produzieren. Wird der Teamchef aber, so wie beim ÖFB, von Landesverbandspräsidenten und wirtschaftlich verantwortlichen Bundesligamitgliedern bestellt, ist sein Ziel, das A-Team voran zu bringen, illusorisch.
Ruttensteiner ist es zu verdanken, dass österreichische Spieler in Topligen der Welt gefragt sind. Ruttensteiner hat die Nachwuchsarbeit reformiert und seine Aufgabe damit erledigt. Vergangenes Wochenende spielten 19 Legionäre. In Weltligen, zum Teil als Leistungsträger.
Werden aber vom ÖFB-Direktorium Krankl, Hickersberger oder Constantini zum Teamchef bestellt, ist Ruttensteiner machtlos. Bislang wurde er nicht eingebunden. Was bei der aktuellen Bestellung aber anders sein und bereits Manfred Zsak und Andi Herzog als Interimsteamchefduo verhindert haben soll.
Der Boulevard reagiert auf den Vorzug von Theoretikern gegenüber Praktikern säuerlich. Willi „Wichtig“ habe das beim Publikum und den Altkickern beliebte Duo Zsak/Herzog verhindert, unkte das Boulevardblatt „Österreich“. Ein Theoretiker statt einem Praktikerduo. Nicht verständlich für den Sportreporter. Auch wenn die Vergangenheit deutlich machte, dass Praktiker am Teamchefsessel nicht automatisch zu Erfolg führen. Eher das Gegenteil war der Fall.
Der Österreicher mag keine Besserwisser, auch wenn sie es besser wissen
Wahrscheinlich ist es aber mit ein Grund, warum Ruttensteiner kein umfassenderer Kompetenzbereich zugesprochen wurde, weil Ex-Kicker mit bescheidenen theoretischen Fähigkeiten gegenüber Theoretikern mit bescheidenen ballestrischen Fähigkeiten immer noch den Vorzug erhalten. Beim Publikum, bei den Massenmedien. Natürlich auch bei den Direktoriumsmitgliedern des ÖFB. Der Tiroler Landesverbandspräsident spricht das auch offen aus. Der Niederösterreichische ebenso. Praktiker statt Theoretiker.
Man könnte auch den Eindruck gewinnen, Ruttensteiner scheitert am Minderwertigkeitskomplex der österreichischen Seele. Wer ihn reden hört, könnte ihn schnell als Gscheiterl, Intellektuellen oder gar Besserwisser abtun. Was der Österreicher grundsätzlich nicht leiden kann. Vor kurzem besuchte die Nachrichtenredaktion des ORF einen Integrationskurs für Deutsche in Wien. „Sprechen Sie Dinge nie klar an“, war eine der Aufforderungen, der Österreicher könnte eine zu forsche Art nicht mögen und sich vor den Kopf gestoßen fühlen.
Deshalb spricht Ruttensteiner Missstände zwar an, aber ohne dabei undiplomatisch zu wirken. Der Österreicher mag keine Besserwisser, auch wenn sie es besser wissen. Also durch die Blume sagen.
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„Früher wollten wir verteidigen und auf Konter spielen. Die Top-Länder versuchen aber seit Jahren ab der U-17 das Spiel zu gestalten. Das ist keine Sache der Qualität, sondern der Philosophie. Die oberste Zielsetzung ist in der Hälfte des Gegners zu spielen, den Ball zu haben und bei Verlust ihn auch schnell wieder zurück zu gewinnen." Klingt gut was Ruttensteiner sagt. Nicht zu forsch, alles ganz grundsätzlich gehalten und irgendwie doch eindeutig. Ruttensteiner sprach all das zu Zeiten der Ära Constantini an. Also zu einer Zeit, in der Ruttensteiner die Philosophie für die Nachwuchsauswahlen vorgab, das A-Team aber weiterhin auf Konter setzte. Auch gegen Underdogs wie Aserbaidschan und Kasachstan.
Was klar zeigt, auch wenn Ruttensteiner es besser wüsste, kann er es höchstens auf die Nachwuchsauswahlen transformieren. Das A-Team bleibt willkürlichen Teamchefaktionen überlassen. Auch wenn Ruttensteiner medial dafür den Kopf hinhalten muss. „Österreich" bezeichnete ihn gar als „mäßig erfolgreichen Sportdirektor". Was aber so nicht stimmt. In seinen Bereichen ist das Plansoll erfüllt. Für die Weiterentwicklung des Nationalteams fehlen Ruttensteiner ganz einfach die Kompetenzen.
Mehr Loyalität und weniger öffentlich geäußerte Kritik bedeuten größeren Einfluss
Ruttensteiner sagte zu Beginn der noch laufenden Qualifikation: „Wenn die Spieler in guten Ligen spielen und das Nationalteam weiterhin keinen Erfolg hat, müssen wir die Ursachen bei uns suchen.“
Vor einigen Wochen, nach dem endgültigen Scheitern in der Quali, sprach er in „Sport am Sonntag" von einer noch ausbaufähigen Entwicklung der Teamspieler. Trotz Leistungsträgern in Topligen wie Janko, Harnik, Pogatetz, Arnautovic, Fuchs und wie sie nicht alle heißen.
Es ist diese Widersprüchlichkeit Ruttensteiners, die sauer aufstößt. Er könnte ja klar sagen, dass ihm die Kompetenzen für das A-Team nicht übertragen werden und ehrenamtliche Landespräsidenten den Pfusch zusammendrehen. Tut er aber nicht.
Eine mögliche Erklärung dafür wäre: Ruttensteiner weiß, dass man sich Vertrauen bei der ÖFB-Führungsriege mehr durch Loyalität und weniger durch öffentlich geäußerte Kritik am eigenen Verein und seinen Praktiken, erarbeitet. Ruttensteiner deutet zwar immer wieder an, dass er weiß wie es funktionieren würde. Zu einer öffentlichen Kritik an Teamchef, System oder Strukturmängeln des ÖFB, lässt er sich aber standhaft nicht hinreißen.
Sein Plan dürfte aufgehen. Ruttensteiner will nach dem österreichischen Nachwuchs auch das A-Team nach vorne bringen. Windtner vertraut ihm zunehmend, bestellt ihn zum Interimsteamchef, lässt ihn erstmals (obwohl Ruttensteiner bereits 10 Jahre beim ÖFB ist) auch bei der Teamchefbestellung Einfluss nehmen.
Ruttensteiner versprüht Professionalität, die dem ÖFB gut tut. Das zeigte seine erste Pressekonferenz, die nach der Ära Constantini eine Art Eintauchen in neue Sphären darstellt.
Ruttensteiner sitzt nun nicht nur für zwei Spiele auf dem Sessel des Teamchefs, auch sein Einfluss im ÖFB ist größer geworden. Vielleicht schafft Ruttensteiner durch standhafte Loyalität gegenüber der ÖFB-Führungsriege sein Vorhaben, das A-Team unter die Top-30 der Weltrangliste zu bringen. Vielleicht ist Ruttensteiner aber auch nur ein sehr widersprüchlicher Mann. Für die Unterstellung, Ruttensteiner würde Loyalität nur aus Kalkül vorgaukeln um seine Position zu stärken und mehr Einfluss nehmen zu können, gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Auch wenn alle Hoffnungen genau darauf ruhen.
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