Den Hightech-Dreck brauch ma ned
Frenkie Schinkels erklärte vergangenen Sonntag bei seinem ersten Auftritt als ORF-Experte wie unwichtig Modernisierungen und wie wichtig die Wahrheit am Platz ist. Welche Auswirkungen Fortschrittsverweigerung haben kann, zeigte bereits die Vergangenheit
Frenkie Schinkels erklärte vergangenen Sonntag bei seinem ersten Auftritt als ORF-Experte wie unwichtig Modernisierungen und wie wichtig die Wahrheit am Platz ist. Welche Auswirkungen Fortschrittsverweigerung haben kann, zeigte bereits die Vergangenheit des österreichischen Fußballs fast exemplarisch auf.
von Gerald Gossmann
Frenkie Schinkels hat wieder einmal dem flotten Spruch den Vorzug gegenüber einer fachlichen Analyse gegeben. Auf Hightech schimpfen war dran. Kommt nun mal gut. Und das ist Schinkels wichtig. Denn Dinge von denen die breite Masse keinen Tau hat eignen sich vorzüglich zum Draufhauen. Hightech braucht keiner, das sehe man am Beispiel von Rapid, unkte Schinkels. Dort werden Werte erhoben, Daten der Spieler ermittelt, ein bisserl Verwissenschaftlichung halt. Wie es jeder Klub macht, der im Fußball was zählt.
Schinkels sieht sich im Derbysieg der Austria bestätigt, dass Rapid aufs falsche Pferd setzt. Die Hightech ist schuld. Die Austria zeige schließlich wie es geht. Kombinationen statt Hightech. Der Fußball werde am Platz entschieden. Nicht mit Hightech. Also Deckel drauf und weg damit.
Von Pacult bis Constantini ist Fortschrittsverweigerung in. Pacult verzichtete während seiner Amtszeit bei Rapid auf ausgewertete Spielerdaten und auf Taktik. Auf einen Sportdirektor hätte er gerne verzichtet („Den hat´s früher auch ned gebn"). Da war aber Schluss.
Wo Fortschrittsverweigerung hinführen kann, zeigt die jüngere Vergangenheit des österreichischen Fußballs exemplarisch auf. Um die Jahrtausendwende herum hatte Österreich nahezu keine Legionäre. Österreich hatte auch keine hoffnungsvollen Österreicher in der Bundesliga. Nix. Niente. Null. Österreichs Fußballfunktionäre hatten alle Entwicklungen verschlafen um Talente entwickeln zu können. Man verließ sich auf das Auftauchen von Straßenfußballern, die wie ein Prohaska oder ein Ogris plötzlich da sein würden. Aus dem Nichts. Nachwuchskonzepte: „Brauch ma ned." Individualtraining: „Brauch ma a ned."
Reden gegen System hat System in Österreich
Teamchef Constantini sagte noch vor wenigen Jahren als Bundesliga-Trainer in einem Streitgespräch mit Willi Ruttensteiner in den OÖN: „Wenn einer mit 17 den Berg herunterkommt und alle deppert rennt, dann ist das auch in Ordnung. Verstehst. Da brauchts kein System."
Reden gegen System hat System in Österreich. Was Schinkels denkt, denkt Krankl, denkt Constantini, denkt Pacult. Also alle, die in Österreichs Fußball in den letzten Jahren etwas zu reden und entscheiden hatten.
Willi Ruttensteiner war vor zehn Jahren ein Glücksfall für den Nachwuchs des heimischen Kicks. In einem Interview mit Martin Blumenau, vor etwa zwei Jahren, erklärte er die damalige Problematik: „Alle Trainer und Funktionäre dachten, man könne sich immer auf Straßenkicker, die auf den Bäumen wachsen, verlassen. Dass also Mittel für Nachwuchsarbeit doof wären. Man dachte man könne gesellschaftliche Entwicklungen aufhalten. Aber ein Schüler hat heute nicht mehr die Zeit vier Stunden am Tag dem Ball hinterher zu laufen, deswegen geht er nur mehr zum Training, nicht mehr auf die Straße und deshalb muss das Training verdammt gut sein."
Der Schaden entstand vor Ruttensteiner, in den 90er Jahren, wo eine Generation verloren wurde. Weil Fortschritt als Bedrohung empfunden wird und wurde, der die eigene Spezies von Krankls, Pacults und Constantinis mit einem Schlag ausrotten könnte. Weil eben Ewig-Gestrige ohne Fortbildungswillen in der Moderne zumeist keinen Platz haben.
Heute stecken alle Vereine, die etwas auf sich halten und mithalten wollen Unmengen an Geld in die Nachwuchsförderung. Auch Österreich hat zehn Jahre später eine gute Nachwuchsarbeit. Das zeigen auch die nicht aufhörenden Auslandstransfers österreichischer Kicker. Nur Teamchef Constantini meinte noch vor drei Jahren: „Im Nachwuchs wird zuviel Geld verbrannt. Man darf den Spielern nicht alles abnehmen."
Constantini ist unbelehrbar, er ist ein Fortschrittsverweigerer der ersten Stunde. Und: er bekleidet das höchste Amt des österreichischen Fußballs. Pacult denkt wie er. Schinkels auch. Taktik ist blöd, Hightech noch viel blöder. Mit ein Grund, warum sich nahezu kein Trainer in der Öffentlichkeit über moderne Ansätze zu sprechen getraut. Es folgt ja eh nur Häkelei der vom ORF oder der Kronen Zeitung ernannten Experten und im Falle des Scheiterns ein Verweis auf den Grund: „Siehst, mit deinen Methoden gwinnst a nix. Also machs wie früher." Peter Schöttel hat Neues probiert und wird zurechtgestutzt, von Frenkie Schinkels, den der ORF lustig findet.
Der heutige Fußball fährt aber immer schneller Richtung Verwissenschaftlichung. Die ersten beiden deutschen Bundesligen haben ihre Stadien gerade allesamt verkabeln lassen um jedes Detail zu erheben. Immer mehr Nationen setzen darauf und nehmen ausgewertete Daten als Grundlage für ihre Systeme und Matchpläne. Gludovatz ist so einer in Österreich. Das zeigt er gerade mit Ried. Vor 10 Jahren wäre ein Trainer Gludovatz aber gar nicht möglich gewesen. Ruttensteiner: „Jeder hätte gesagt, der kann keine Bundesligamannschaft trainieren, der hat nie gespielt. Und heute hat er seine Chance genützt."
Constantini: „Es gibt Lehrer die sind zu dumm, dass sie eine Klasse führen."
Genützt hat er die Chance indem er auf Matchpläne setzt, als nahezu einziger und als einziger der nicht Profispieler war. Gludovatz war Lehrer. Die mag ein Ex-Profi von Natur aus nicht. Constantini sagte einmal: „Manche denken, dass die Lehrer die besseren Trainer sind als die Ex-Fußballer. Und ich glaube, dass du nur etwas weitergeben kannst, wenn du selbst etwas erlebt hast. Es gibt Lehrer, die sind zu dumm, dass sie eine Klasse führen, da gibt´s genug."
Es soll aber auch Ex-Fußballer geben, die mit einem Kader hochklassiger Spieler in etwa null herausholen.
Fest steht: Der österreichische Fußball verschläft gerade wieder Entwicklungen. Während der deutsche Nachbar viel Geld in Trainerausbildung und Systeme zur Datenbeschaffung steckt, steckt Österreich in Geiselhaft gescheiterter Trainerexistenzen, die medial zu Experten hochstilisiert werden.
Schinkels & Co. haben auch eine Grund sich mit aller Macht dem Fortschritt entgegenzustemmen: Sie wissen, dass sie als Gestrige in der Moderne um ihren Job zittern müssten. Ohne Fortbildungswillen und mit Fortschrittsverweigerung würde es dann keinen Platz mehr für sie geben. Daher schimpfen sie fleißig auf Hightech & Co.
Auf Kosten des österreichischen Fußballs und seiner Zukunft.
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