Analyse der Analytiker
Österreichs Fußball-Analytiker analysieren nicht, sondern betreiben Interessensvertretung. Sie verwechseln persönliche Präferenzen mit sachlicher Expertise. Nicht nur Herbert Prohaska, auch Frenkie Schinkels oder Hans Krankl. Ein paar Beispiele. von Ge
Österreichs Fußball-Analytiker analysieren nicht, sondern betreiben Interessensvertretung. Sie verwechseln persönliche Präferenzen mit sachlicher Expertise. Nicht nur Herbert Prohaska, auch Frenkie Schinkels oder Hans Krankl.
Ein paar Beispiele.
von Gerald Gossmann
Dem neuen Teamchef dürfen ab sofort keine Prügel mehr vor die Füße geworfen werden. Herbert Prohaska appelliert in der aktuellen Ausgabe der Kronen Zeitung an Fans und Experten. Vielleicht auch an seine eigene, bislang überschwänglich geäußerte Kritik. Vielleicht auch nicht. Kurz darauf kritisiert Prohaska die Bestellung Otto Konrads und die Absetzung Franz Wohlfahrts. Begründung führt er dafür keine an. Wohlfahrt steht ihm näher als Konrad. Punkt.
Herbert Prohaska erklärt seit Jahren dem österreichischen Volk den Fußball. Als Chefanalytiker des ORF, als Kolumnist der Krone. Breitenwirksamer geht nicht. Er erklärt warum Österreichs Fußball keinen Erfolg hat: Weil zu wenige Spieler im Ausland spielen, weil zu viele Spieler zu früh ins Ausland wechseln, weil Krankls und Prohaskas nur alle hundert Jahre geboren werden, weil Haberer Ogris nichts und niemanden trainieren darf, weil Constantini nur zwei Qualifikationen Zeit bekommt, weil die österreichische Jugend die Playstation dem Käfigkickerl vorzieht.
Seine Parolen sind schnell entlarvt. Österreich hat so viele Legionäre wie noch nie. Spieler wechseln zwar vermehrt ins Ausland, die Wege von Arnautovic, Alaba oder Stranzl sprechen aber eher dafür, auch die Wege von Leitgeb oder Junuzovic, auch die Aussage von Arsene Wenger, wonach Spieler über 17 für einen internationalen Topklub nicht mehr formbar seien. Prohaska oder Krankl heißen heute keine Teamspieler mehr. Die Namen Alaba, Janko, Arnautovic, Ivanschitz und Harnik machen aber auch ganz schön was her. Bei der österreichischen Playstationgeneration darf dazu bezweifelt werden, dass es sich um ein österreichisches Phänomen handelt.
Die Aussagen von Prohaska ähneln sich: viel Subjektives, wenig Objektives. Viel Propaganda, wenig Faktenuntermauertes. Viel Persönliches, wenig Sachliches.
Alltäglicher Analysewahnsinn in Österreich.
Der ORF wählt seine TV-Analytiker nach dem Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung, nicht aber nach sachlicher Analysefähigkeit aus. Bei Manfred Zsak war weder Beliebtheit noch Analysefähigkeit gegeben. Seine Rolle als Teamchefassistent dürfte sogar unvereinbar mit der des TV-Analytikers gewesen sein. Wieso wurde also gerade Zsak ins Expertenteam des ORF aufgenommen? Der Chefanalytiker des ORF erzählt gerne ungeniert, dass er gelegentlich gute Worte für gute Freunde einlegt. Zsak ist ein guter Freund. Das könnte ein Grund sein, auch wenn die Unschuldsvermutung gilt. Zsak wurde als Analytiker mittlerweile abgesetzt. Wegen Interessenskonflikten. Neben Prohaska sollen seitdem Schinkels und Mählich Stimmung machen. Egal ob sie ihre Thesen mit Fakten untermauern. Der Schmäh zieht beim Publikum.
Schinkels ist kein „Computermann“, aber sein eigener Interessensvertreter
Frenkie Schinkels kritisierte nach dem ersten Wiener Derby der Saison die Arbeit von Peter Schöttel. Zu viel Hightech, Technikkram und Computerzeugs werde bei Rapid verwendet. Seine Botschaft verpackt er in flapsige Wortkonstrukte, die ankommen beim Publikum. Entschieden werden Fußballspiele nicht mit Hightech, sondern am Platz. Kombinationen und ein gutes Angriffsspiel seien effektiver als das ganze Technikzeugs, das im Vorfeld den Zufall minimieren möchte.
Letztens saß Frenkie Schinkels am Stuhl der Promimillionenshow, mit seinen flapsigen Sprüchen hat der Holländer Kultstatus erlangt, auch Promistatus, der ihn in Sendungen wie die Promi-Millionenshow bringt.
Die Einstiegsfrage lautete: Ein Computer kann…?
a) umkippen b) hinfallen c) abstürzen oder d) ausbrechen
Schinkels überlegte, lief rot an, flüsterte: c) abstürzen. Sicher war er sich nicht. „Mehr Selbstvertrauen“, forderte sein Partner Gerold Rudle. „Ich glaub abstürzen – aber ich bin kein Computermann“, versuchte Schinkels zu rechtfertigen.
Schinkels kann eine einfache technische Frage nicht beantworten, weil er von Technik nichts versteht. Mag so sein. Würde aber seine Kompetenzen in einem zunehmend technisierten, Fußballumfeld grob einschränken. Wer keine Technikaffinität mitbringt, der eigene Berufsstand zeitgleich aber immer technikaffiner wird, der bekommt schnell Probleme. In seinen Fußballanalysen greift Schinkels deshalb Hightech an. Nicht aber weil technische Hilfsmittel der heutigen Zeit dem Fußball schaden würden. Nicht, weil er klare Argumente gegen Hightech im Fußball anführen kann. Nein. Schinkels fühlt sich von der Entwicklung des Fußballs, die viel Hightech beinhaltet, bedroht. Ein Durchsetzen von technischem Fortschritt im österreichischen Fußball würde ihm seine Existenzberechtigung nehmen. Es würde eine Fortbildung verlangen, ein Umdenken. Kurz gesagt: Viel Arbeit würde anstehen.
Also Hightech verteufeln, öffentlich, getarnt als Experten-Analyse im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Matthias Sammer erklärt CL-Fußball auf Sky. Fundiert, sachlich, objektiv, unter Einbeziehung des modernen Fußballs, dessen Entwicklung Sammer im DFB vorantreibt.
Im Sinne des Deutschen Fußballs. Nicht im Sinne der nicht Lernwilligen.
Prohaska, Schinkels & Co. versuchen Fortschritt zu verhindern, im Sinne ihrer Trainerhaberer, im Falle von Schinkels auch in seinem eigenen Interesse. Im Sinne seiner eigenen Fortbildungs- und Lernunwilligkeit. Nicht die sachliche Analyse steht im Vordergrund, sondern das Abwiegen von Worten die schaden oder nützen können.
Hans Krankl analysiert nicht, er begleicht alte Rechnungen
Da taucht Hans Krankl, als Sky-Experte, schon mal mit einem Ultras-Kapperl zur Analyse eines Rapid-Spiels auf. Zu einer Zeit, als er es darauf anlegte, als bezahlter Präsident bei seinem Herzensklub einzureiten. Edlinger und Schöttel verhinderten seinen Einzug. Wenn Hans Krankl heute in Boulevardblättern die Arbeit des Rapid-Trainers Peter Schöttel kritisiert, dann also nicht weil er seinen Worten ein fachliches Fundament zugrunde legt, sondern weil eine persönliche Diskrepanz zu Schöttel besteht. Also wieder keine objektive Kritik, sondern eine zutiefst subjektive. Hans Krankl analysiert nicht, er begleicht alte Rechnungen.
Herbert Prohaska ist also nicht der einzige, der Interessensvertretung und das Aussprechen persönlicher Präferenzen mit sachlicher, fachlicher Analyse verwechselt. Es ist eine ganze Generation von Ex-Spielern.
Herbert Prohaska wird beim Länderspiel gegen die Ukraine das erste Spiel des Schweizers Marcel Koller analysieren. Brisant dabei: So vehement wie Prohaska hat sich im Vorfeld kein anderer Ex-Kicker gegen die Bestelltung Kollers gelehnt. Kein anderer hat Willi Ruttensteiner so vehement sein Misstrauen ausgesprochen (Prohaska fühlt sich von Ruttensteiner übergangen, weil der Marko statt Ogris - für den Prohaska bei ihm intervenierte – zum U-19 Teamchef bestellte). Österreich wird am 15. November auf die Ukraine treffen. Mit Spannung erwartet wird aber die Analyse des Chefanalytikers, der sich einem ganzen Netzwerk als Interessensvertreter verpflichtet fühlt.
Linktipp: Prohaska: Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Prügeln werfen