Thomas Letsch - im Regen stehen gelassen
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Thomas Letsch - im Regen stehen gelassen

Seine Spieler machen "genau das Umgekehrte" des von ihm Geforderten, sein Sportchef bastelt ihm einen ungenügenden Kader zusammen und haut dann ab. Eine Einschätzung zur Zukunft von Thomas Letsch in Salzburg:

Thomas Letsch ist angezählt.

Das weiß er selbst, das wissen alle in Salzburg.

Vor wenigen Tagen war Geschäftsführer Wirtschaft Stephan Reiter kein klares Bekenntnis zum "Bullen"-Coach zu entlocken. Der Trainer stehe zwar nicht zur Diskussion, aber: "Wir stehen jetzt vor einem ganz wichtigen Block aus sieben Spielen. Auf den gilt es sich zu fokussieren. Danach schauen wir, wo wir stehen."

Mit einem glücklichen Heim-Remis gegen Altach und einer mehr als verdienten Europa-League-Niederlage gegen Ferencvaros ist der Start in besagten Block völlig in die Hose gegangen.

Verlaufen die nächsten fünf Spiele, darunter ein Bundesliga-Auswärtsspiel beim SK Sturm, ein Cup-Achtelfinale gegen die WSG Tirol und ein Europa-League-Match gegen die Go Ahead Eagles, nach einem ähnlichen Schema, wird Letsch spätestens zur letzten Länderspielpause des Jahres nicht mehr Salzburg-Trainer sein - dafür muss man kein großer Prophet sein.

Letsch als Stabilisator

Letsch wurde mit Jahresbeginn installiert, um einen schwer kriselnden Klub mit seiner ruhigen, sachlichen Art zu stabilisieren. Das ist ihm gelungen.

Er führte die Salzburger nach einem Horrorherbst noch zur Vizemeisterschaft; bei der FIFA-Klub WM verkaufte man sich teuer. Im Sommer herrschte in der Mozartstadt deshalb eine gewisse Aufbruchstimmung vor, die allerdings jäh erstickt wurde.

Nach einem noch verkraftbaren Aus in der Champions-League-Quali wurden die Bundesliga-Leistungen rasch immer dürftiger. In der Europa League, in die man mit so großen Ambitionen startete, kassierte man zunächst eine unglückliche und dann zwei hochverdiente Pleiten.

Auch eine Systemumstellung half nichts

Maurits Kjaergaard erwischte keinen guten Abend gegen Ferencvaros
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Maurits Kjaergaard erwischte keinen guten Abend gegen Ferencvaros

Jene gegen Ferencvaros wirft Fragen auf, ob Letsch seine Mannschaft noch in diesem Ausmaß erreicht, wie es zwingend notwendig ist, um als Trainer erfolgreich zu sein.

Der Deutsche, der in der Vergangenheit bereits mit einer Raute oder einer Dreierkette experimentierte, packte gegen die Ungarn ein 4-3-3 aus.

Ein Grund dafür war mit Sicherheit, den potenziellen Starspieler Maurits Kjaergaard auf seiner Parade-Position auf der linken Acht, die es im gewohnte 4-4-2 schlicht nicht gibt, aufzubieten. Der Däne zeigte eine klägliche Leistung.

Doch nicht nur Kjaergaard ließ Letsch am Donnerstag im Stich, so ziemlich der gesamte Rest der Salzburger Mannschaft tat dasselbe. Eigentlich lautete der Plan, die ungarische Dreierkette im 4-3-3 hoch anzupressen und den Gegner so weit vom eigenen Tor wegzuhalten.

"Genau das Umgekehrte" vom Matchplan

"Wir haben in der Halbzeit genau das Umgekehrte vorgehabt."

Thomas Letsch über den nicht erfüllten Matchplan

Letsch gab am Donnerstag zu, dass die Salzburger Defensive momentan große Probleme damit hat, Flanken von außen zu verteidigen, wenn sie tief steht. Umso saurer stieß ihm auf, wie sehr seine Mannschaft vom erdachten Matchplan abwich und sich immer wieder weit in die eigene Hälfte reindrücken ließ.

Speziell in den verheerenden acht Minuten kurz nach Seitenwechsel, in denen die Gäste all ihre drei Treffer des Abends erzielten, herrschte brutale Passivität in der gesamten Salzburger Elf vor.

Sehr zum Ärgernis von Letsch: "Wir haben in der Halbzeit genau das Umgekehrte vorgehabt. Wir wollten früher Druck machen und nicht, weil wir 1:0 führen, tief stehen und auf Konter gehen."

Gadou einmal mehr zwischen Genie und Wahnsinn

Wie oben erwähnt übte Letsch diesmal deutliche Kritik am Abwehrverhalten seiner Mannschaft. Es herrsche "immer höchste Alarmstufe, wenn wir im tiefen Block stehen und die Bälle reinsegeln", sagte er und sprach damit mitunter die schweren, sich mittlerweile schon oft wiederholten, Stellungsfehler des Innenverteidiger-Duos Joane Gadou und Jacob Rasmussen an.

Gadou, das vergisst man oft, ist noch immer erst 18 Jahre jung und ließ sich, nach einer eigentlich starken ersten Halbzeit, mit Verlauf der Partie völlig aus der Bahn bringen. Nicht zum ersten Mal tanzte der Franzose auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.

"Er hat Phasen, in denen er absolut top ist, wo jeder denkt: 'Wow, sein Weg ist vorgezeichnet.' Und dann gibt es Situationen, wie beim dritten Gegentor, in denen er sich nicht clever anstellt. Dann fällt ein Tor", weiß Letsch um diese Problematik.

Rasmussen nach wie vor ein Unsicherheitsfaktor

Gadous fast zehn Jahre älterer Nebenmann, Rasmussen, schaffte es auch in seinem 22. Spiel im "Bullen"-Dress, in welchem er zum 22. Mal von Beginn an auflief, nicht, die von ihm erwartete Routine auszustrahlen.

Letsch unterband alle Diskussionen um den Dänen bisher stets im Ansatz. "Ich werde meiner Mannschaft oder einem einzelnen Spieler sicher nicht die Qualität absprechen. Das habe ich noch nie gemacht und werde ich auch nie machen", bleibt sich der 57-Jährige in dieser Hinsicht treu.

Keine Optionen in der Innenverteidigung

Rouven Schröder sah es im Sommer nicht für notwendig an, in der Innenverteidigung nachzurüsten
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Rouven Schröder sah es im Sommer nicht für notwendig an, in der Innenverteidigung nachzurüsten

Tatsächlich würde es aus Letschs Sicht wenig Sinn machen, Gadou oder Rasmussen noch mehr zu verunsichern. Die beiden waren und sind seit Saisonbeginn die einzigen fitten Innenverteidiger mit zumindest ein wenig Erfahrung im Kader und müssen so gut wie immer durchspielen.

Eigenbauspieler Jannik Schuster hat sich erst auf dem benötigten Niveau zu beweisen und fehlte zudem zuletzt erkrankt. Der hochveranlagte John Mellberg fällt schon länger aus.

Am Wochenende sprang deshalb der schon zwei Mal nach Brasilien zurückgekehrte Douglas Mendes ein, am Donnerstag besetzte der Kroate Rocco Zikovic diesen Kaderplatz, weil Mendes nicht für die Europa League gemeldet wurde. Weder Mendes (21) noch Zikovic (20) stehen vor dem unmittelbaren Durchbruch in Salzburg.

Schröder hinterließ einen Scherbenhaufen

Es war schlicht nicht notwendig, mit einer solch dünnen Personaldecke in der Innenverteidigung, die jegliche Rotation quasi unmöglich macht, in die Saison zu gehen.

"Ich fühle mich nicht im Stich gelassen."

Thomas Letsch über die Salzburger Kaderplanung

Ex-Sportchef Rouven Schröder scheute sich lange vor einer Neuverpflichtung auf dieser Position, holte schließlich einen damals schon verletzten und noch lange ausfallenden Anrie Chase und verabschiedete sich nun Richtung deutsche Bundesliga.

Den Schaden hat, unter anderem, Letsch.

"Das ist unser Kader und damit arbeiten wir. Ich fühle mich nicht im Stich gelassen. Wir gewinnen Spiele zusammen, wir verlieren Spiele zusammen", gibt sich der "Bullen"-Coach darauf angesprochen diplomatisch.

Im Regen

Ganz unabhängig davon, ob Letsch das Salzburger Ruder noch herumreißen kann oder nicht, das Titelbild dieses Kommentars wird in der Retrospektive zum Sinnbild für die aktuelle Phase in der Mozartstadt werden:

Thomas Letsch im Regen. Dort stehen gelassen von seinem einstigen Vorgesetzten, aber auch von seinen Spielern.

Letzterer Umstand kann in der Zukunft noch sehr problematisch werden. Egal, wie dann der Trainer in Salzburg heißt.

Die Highlights des Spiels:

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