News-Archiv / 2016

Unglück und Dummheit sind keine fußballerischen Kategorien

Der gestrige Fußballabend ist wieder einmal ein Beispiel, wie Dolchstoßlegenden entstehen können. Ein gefährliches Pflaster. Eine Gegenansicht von Georg Sander 

 

„Glück und Pech gibt es für mich nicht“, sprach Damir Canadi nach Rapids Niederlage in Genk. Die Voraussetzungen für die Hütteldorfer waren bescheiden: Die Spieler waren geknickt, wirkten am Sonntag in Salzburg komplett überfordert und waren trotz des Ergebnisses von nur 1:2 chancenlos gewesen. Anders lag die Gemengelage in Russland und im Prater.

 

Pech für Austria und Salzburg?

Krasnodar war wie Rapid am Sonntag vor allem in der ersten Halbzeit an die Wand gespielt worden. Auch ohne Konrad Laimer, Mark Rzatkowski, Hee Che Hwang und Jonatan Soriano dominierten die Salzburger nach Belieben. Auch nach der Pause, als die Russen aufgewacht waren, kontrollierte Salzburg das Spiel, präsentierte sich reif und weitgehend sicher, man lauerte auf Konter.

 

Die Veilchen hatten ihren Gegner im Griff, gingen wie Salzburg letztlich 1:0 in Führung. Der Weg dorthin war um einiges holpriger als jener der Bullen, aber es zählen letztlich die Tore. Im Hättiwari-Land, in dem die Spiele zum günstigsten Zeitpunkt abgepfiffen werden, war alles schön. Bis zu 79. Minute (das gilt für beide Spiele) sah alles super aus. Doch dann kam das, was man oberflächlich als das bezeichnet, was Damir Canadi nicht kennt: Pech für die heimischen Vertreter, Glück für Krasnodar und Giurgiu.

 

Dolchstoßlegenden 

So lesen sich dann auch die Schlagzeilen. „Austria nach Elferpfiff stinksauer auf Schiri“ und „Last-Minute-Tor „erstickt“ Salzburgs EL-Hoffnungen“ (krone.at), „Austria stinksauer auf Schiedsrichter“ (oe24.at), „Austria Wien hadert mit Witzelfer“ (heute.at). "Das war Dummheit", Violetter Frust statt Aufstiegsjubel" (orf.at). Die Kollegenschaft bemüht mit diesem Wording Dolchstoßlegenden. Der Schiedsrichter ist schuld, Last-Minute-Tor impliziert unglaubliches Pech. Dabei stimmt das natürlich nicht oder nur zum Teil.

 

Denn die Wahrheit ist: Salzburgs zum Teil himmelschreiende Ineffizienz und die fehlende Qualität vor dem Tor, die vor allem Berisha, aber auch Gulbrandsen und Lazaro an den Tag legen, war schuld. Und ein Routinier wie Alex Grünwald darf keine Dummheiten begehen und innert kürzester Zeit zwei Mal gelb sehen. Dann muss freilich auch der Trainer von der Bank für Ruhe sorgen und agieren. Konzentration, mentale Frische, müssen halt bis zum Abpfiff da sein.

 


„Wichtig ist, dass wir dazulernen, sich wie heute präsentieren und dann wird das Quäntchen Glück zurückkommen“, geht es bei Damir Canadi weiter. Da kennt er es wieder. Aber Glück ist keine Kategorie. Genau so wenig wie Dummheit. Fußball ist harte Präzisionsarbeit. Gerade hierzulande wird aber – zumindest im Boulevard – gerne das Glück (oder das Pech, je nach Lesart) über die Analyse gestellt. Glück und Pech sind die Ausreden, die jeder gerne parat hat – neben Schiedsrichterfehlern.

 

Es ist aber ungemein wichtig, dass in der Bewertung von Spielen diese Ausreden nicht zählen. Auch im Boulevard oder im Internet, das stets auf Klick-heischende Headlines aus ist, muss schonungslos angesprochen werden, was war. Gestern fehlte es einfach an Qualität, die letzte Viertelstunde unbeschadet zu überstehen. Und natürlich mangelt es den Europacupteilnehmern an Qualität, Effizienz, taktischem Vermögen, individueller Klasse, wenn man trotz höheren Budgets nicht einmal in der Liga vorne steht.

 

Wenn der Fußballfan, der in allen SportjounalistInnen ein Plätzchen hat, wie ein Fan Spiele bewertet, können sich auch die Kicker in der Dolchstoßlegende suhlen. Stimmen tut es halt nicht.

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