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Fuchs, du hast die Balance gestohlen

Österreich startet mit einem Sieg, einem Unentschieden und einer Niederlage in die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2018. Die wichtigste Aufgabe ist aber nicht, wann unter welchen Umständen wie die Qualifikation zu schaffen ist, sondern wie Christian F

 

In der Bewertung der letzten zwei Nationalmannschaftsspiele müssen ein paar Punkte außer Acht gelassen werden. Die Faktoren Glück und Pech beispielsweise. Oder die Diskussion, ob dieser Spieler in Form war oder nicht. Auch, ob Marcel Koller die richtige Taktik gewählt hat. In großen Medien bleibt ja ohnehin nur Aktionismus über: Alaba auf links! Dragovic ist nicht in Form! Es ist auch nicht das „Kämpferherz“, das unbelohnt blieb, wie es andere Kollegen sehen. Freilich stimmten in Belgrad ein paar Dinge nicht. „Wir waren zu nachlässig, haben ihnen zu leicht die Räume freigeben“, analysierte Aushilfs-Kapitän Marc Janko nach der Partie.

 

Es ist aber derzeit weniger die Taktik, die da nicht passt, denn die war eigentlich im Gegensatz zur Schwächephase während der EM in den vergangenen Spielen immer relativ gut. Egal welches Team gegen Georgien, den EM-Halbfinalisten Wales und die technisch guten und über die Härte ins Spiel kommenden Serben kickt – die Bilanz Sieg, Unentschieden, Niederlage geht in Ordnung. Und vor allem: je zwei Tore pro Spiel zeigen, dass die Offensive passt.

 

Woran fehlt es also? Es ist aber vielmehr Christian Fuchs' Abschied aus der Nationalelf, der zwei große Probleme nach sich zieht, die auf lange Sicht behoben werden müssen. Das mag für die Heimspiele gegen Irland im November und Moldawien im März gar nicht so wichtig sein. Beide Teams sind wohl in vielen Belangen nicht Serbien und schon gar nicht Wales, daheim ist Österreich traditionell stärker. Doch nach der Halbzeit, wenn es nach Irland und Wales geht, werden die Linksverteidigerposition und die Präsenz im Zentrum Themen werden:

 


Linksverteidigerposition
Wer Christian Fuchs' Karriere verfolgt hat, weiß um seine Schwächen. Aber dennoch war Fuchs jahrelang Teil von im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfolgreichen Teams der deutschen Bundesliga und zuletzt englischer Meister (!!). So ein Spieler ist kaum adäquat zu ersetzen. Dass sich Markus Suttner schwer tut, hat man bereits sehen können, als Fuchs noch aktiv war und der Ingolstädter ihn ab und an vertreten musste. Kevin Wimmer war wohl der passende Kicker gegen Wales, in Serbien aber Teil einer schwachen Defensive. Dass Innenverteidiger den Außenpracker geben, ist nicht weiter ungewöhnlich (noch dazu, wenn man wie Wimmer ursprünglich Außenverteidiger gelernt hat). Viele Trainer nehmen lieber einen stabilen, offensiv aus verschiedenen Gründen nicht so starken Innenverteidiger, als einen schwächeren, „echten“ Außenverteiger. Man denke nur an Benedikt Höwedes, der Innenverteidiger ist und im DFB-Team, immerhin amtierender Weltmeister, den Außenverteidiger gibt.

 

„Echte“ Linksverteidiger sind rar gesät. Marcel Koller sieht da Stefan Stangl noch als Möglichkeit. Der kickt aber auch nur bei Red Bull Salzburg - und dort eigentlich bisher noch nicht wirklich. Vielleicht wird aus Ylli Sallahi, gegenwärtig halber Stammspieler beim Karlsruher SC und bei den Bayern ausgebildet, noch etwas. Warum auch nicht Thomas Schrammel vom SK Rapid? Wirklich reif sind diese Spieler derzeit aber noch nicht. Es geht aber in Wahrheit auch nicht (nur) um das Potential der Spieler. Es geht ums klare Abstecken der Aufgaben und das Erledigen dieser. Das bringt Wimmer derzeit (noch) nicht. Da müssen andere kompensieren. Also entweder setzt Koller ohne Wenn und Aber auf Wimmer und er schafft es, in den nächsten zwei Spielen offensiv mehr zu machen, sich in den Spielaufbau einzubringen und Arnautovic zu unterstützen, oder Koller probiert einen echten Außenverteidiger oder schmeißt überhaupt alles über Bord, was er bisher gesagt hat und lässt Alaba, der von der linken Außenposition oft das Spiel aufbaute, dort ran. Wobei diese Wahrscheinlichkeit bei ca. 5,2% liegt.

 


Präsenz im Zentrum
Genau hier zieht sich seit einigen Monaten auch Problemfeld wie ein zäher Kaugummi durch. Früher, als Fuchs noch spielte, hat da auch nicht alles gepasst. Das zentrale Mittelfeld musste schon mit dem Außenduo Fuchs/Klein oftmals sehr tief hinten das Spiel aufbauen. Vor allem Alaba geht weite Wege und es entstehen, wenn der Außenverteidiger, in dem Fall beide, für die Breite in der Offensive sorgen, Räume in der Zentrale. Das Serbienspiel und einige Szenen gegen Wales und Georgien zeigten, dass Baumgartlinger trotz seiner Laufstärke das nicht immer schafft. Es mangelt seit einiger Zeit an einer Balance in der Zentrale. Mit Fuchs auf links konnte das kompensiert werden, weil er einerseits das Spiel brav mit aufbaute und Alaba sich nicht so oft nach hinten bzw. links fallen lassen musste, andererseits kaschierte er durch seine Laufstärke Fehler im Spielaufbau.

 

Schon Georgien konnte den Raum zentral vom Sechzehner oftmals ungestört bespielen, Wales erzielte dank mangelnder Zuordnung vonseiten des zentralen Mittelfelds das 1:0. Beim 1:0 der Serben war die Mitte leer, weil die Innenverteidiger in der Vorwärtsbewegung waren, beim 2:1 verlor Baumgartlinger als letzter Mittelfeldspieler ohne Absicherung den Ball, beim Siegtreffer fühlt sich kein Spieler für den besagten Raum zuständig. Passiert etwas einmal, ist das Zufall. In dieser geballten Form, gerne nachzusehen, ist das ein Problem. Ob Koller das personell oder taktisch löst, sei ihm überantwortet. Die zu erwartend starke Physis der nächsten Gegner Irland, Moldawien, Wales und so weiter lässt aber vermuten, dass hier ein defensiv starker Abräumer eher die richtige Wahl ist.

 

Österreich am Scheideweg
Natürlich kann nun alles gut gehen, wenn das bisserl Spielglück, dass an der nahezu perfekten Quali zur Europameisterschaft mit Schuld war, wieder zurück kommt. Aber schon Serbien-Coach Slavoljub Muslin hatte seine Mannschaft sehr gut eingestellt und die Serben haben auch nicht unverdient gewonnen, weil sie Österreich zwar gewähren ließen, aber die Schwächen eiskalt ausgenützt haben. Das mag Koller nicht schmecken, sagte er doch zur heftigen Kritik an seiner Person vor dem Wales-Spiel ein bisschen in Erinnerung an Didi Constantini: „Wir haben ja auch schon ein paar Mal diskutiert, dass ich von euch gerne vor dem Spiel wüsste, wie wir zu spielen haben, und nicht erst nach dem Spiel, wenn es alle besser wissen.“ Allerdings ist das Erkennen der Problemlagen der Job der Journalisten. Die Aufgabe des Trainers ist es, diese zu beheben und schon vorher zu kennen. Und die Probleme sind offensichtlich.

 

>>> Weiterlesen: Geduldiger Marko Arnautovic bricht nach Serbien-Niederlage Interview ab

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