News-Archiv / 2016

Die nicht ungefährliche Rückkehr zu Roger Schmidts Fußball

Jüngst kehrte Red Bull Salzburg wieder auf die Siegerstraße zurück. Nach Nackenschlägen auf Schalke oder in Wolfsberg stellte Oscar Garcia in den letzten Partien auf das altbewährte Pressing- und Zentrumskombinationsspiel um. Kann das gut gehen? Eine Gege

 

Noch immer liegt Oscar Garcias Wehklagen über mangelnde Flügelstürmer im Ohr. Das war im Sommer. Es folgten die Dreiminuten-doch-nicht-Champions League-Quali, später drei Ligaspiele in Serie ohne Sieg und drei Europa League-Niederlagen. Feuer war am Dach. Trotz Millionenneuzugängen kickten für die Bullen aber entweder arrivierte Stammkräfte oder Kicker, die über Liefering in die Kampfmannschaft kamen. Die handverlesenen Neuzugänge, die der sportliche Leiter Christoph Freund holte (das jedoch nicht so sieht), spielten kaum eine Rolle. Das waren unter anderem Marc Rzatkowski, immerhin bester Zweitligamittelfeldspieler aus dem Weltmeisterland; oder Munas Dabbur, Garcia-Intimus und als Schweizer Torschützenkönig nicht unbedingt ein 17-jähriges unbeschriebenes Blatt aus einer vierten Liga, wie sonst dem Beuteschema eines gewissen Ralf R. entsprechend. Das Flügelspiel, das Garcia so gerne hätte, scheitert nun aus Trainersicht daran, dass es keine Flügelspieler gibt; er stellte gegen Nizza (sehr gutes Spiel, aber unbelohnt) und St. Pölten (nicht unbedingt besser, aber mehr Tore und doch nicht französischer Tabellenführer sondern heimischer Abstiegskandidat) auf Roger Schmidts 4-2-2-2-Powerpressing um, inklusive Angriffe durch die Mitte. Mit dabei: Viele Neuzugänge.

 

Neuzugänge brauchen halt Zeit
Gegenüber 90minuten.at sagt Garcias Chef Christoph Freund quasi lapidar und Phrasenschwein-verdächtig: „Der Trainer stellt die Mannschaft auf, er sieht die Spieler jeden Tag beim Training und versucht jede Woche, ein bis zwei Mal die besten Elf auf den Platz zu bringen und mit welchen Spielern er die größten Möglichkeiten sieht, ein Spiel zu gewinnen.“ Wenige Tage vor der Aussage hieß es bei den Kollegen der Salzburger Nachrichten noch: „Mir kommt vor, dass sich einige ihrer Plätze zu sicher sind. Dann kommen lustlos wirkende Auftritte heraus.“ Das war nach dem späten, wie skurrilen 2:2 in Wolfsberg. Es wäre allerdings falsch anzunehmen, dass jeder Neuzugang stets sofort helfen kann. Man muss sich akklimatisieren, alles kennen lernen, Laufwege und Taktik verinnerlichen. So falsch liegt Freund nicht, wenn er sagt, dass das „auch bei Jonny Soriano so war. Das erste halbe Jahr hat er gebraucht, um dieser Jonny Soriano zu werden, den wir heute kennen.“ Aber die Neuen fühlen sich anscheinend auch wohler, wenn die Alten das tun, was sie lange lernten.

 


Altes Kleid steht gut
Betrachtet man die Spiele der Bullen in den letzten Wochen, dann fällt auf, dass die Tore fehlen. Oscar Garcia sagte beispielsweise aber richtig nach dem deutlichen Sieg gegen SKN im TV, man habe nicht besser gespielt als sonst, aber halt getroffen. Und St. Pölten ist nicht Nizza! Maue Leistungen nur auf mangelnde Chancenverwertung zu reduzieren, dagegen verwehrt sich auch Christoph Freund: „Es hat immer Ursachen, warum man Spiele gewinnt oder nicht gewinnt. Es gibt halt Phasen, in denen mehr zusammen kommt. Wir wollen uns nicht auf Pech oder andere Umstände ausreden. Es liegt immer daran, selber so viel zu investieren und alles auf den Platz zu bringen, damit man Spiele gewinnt. Es gibt immer Faktoren, die noch ein bisschen mitspielen, aber im Endeffekt sind wir selber dafür verantwortlich.“

 

Was uns wieder zum Schmidt'schen Fußball bringt, der der Mannschaft besser passt. Immerhin kennen die Kicker diesen Fußball. „Das ist unsere grundsätzliche Ausrichtung“, sagt auch Freund. Das System 4-2-2-2 mit der Dampflock, die durch die Mitte kombiniert und alles niederpresst, was nicht bei drei den Ball abgespielt hat, hat freilich seine Tücken. Deswegen kam ja auch Oscar Garcia, um dem Offensivfußball Pragmatismus einzubläuen. Das hat aber, gemessen an den Ergebnissen, einfach noch nicht geklappt. Darum die Rückkehr zu Bekanntem.

 

Meisteransage mit Schönheitsfehler
„Wir wollen auch in dieser Saison wieder die besten in Österreich sein“, sagt Christoph Freund. Die Wahrscheinlichkeit, dass Salzburg wieder Meister wird, mag zwar kleiner sein als vor Saisonbeginn, sie ist aber nach wie vor riesengroß. Vor allem wenn die Bullen ihren „Schmidt-Fußball“ weiter verfolgen. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass just dieser Fußball durch starke und gut eingestellte Gegner – Basel, Malmö beispielsweise – seine Grenzen hat.

 

In der Europa League kann man nun noch ein bisschen aufzeigen und in der Liga bis zur Winterpause an Sturm ran kommen. Die große Frage ist: Was kommt dann? Klappt die Kombination aus Schmidt- und Garcia-Fußball? Für die Liga wird Ersteres reichen. International ist das mehr als fraglich. Aber dort sind die Lorbeeren zu holen.

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