Sonnenkönig Ralf Rangnick

Es ist der große Treppenwitz zu Ralf Rangnicks Wirken als Sportchef von Red Bull Salzburg und RB Leipzig: Einerseits pflegt er einen mehr als innovativen Spielstil. Andererseits ist er ein Machtmensch mit einem autoritären Führungsstil. Im Frühjahr steht

 

Als Ralf Rangnick seinen Dienst bei Red Bull Salzburg antrat, verpflichtete er Roger Schmidt. Der gelernte Werkzeugmechaniker hatte davor ein gutes Jahr beim SC Paderborn gehabt. Preußen Münster und der Delbrücker SC standen ebenfalls in der Vita des heutigen Bayer Leverkusen-Trainers. Mitgebracht hat Rangnick damals noch unbekannte Spieler wie Kevin Kampl oder Sadio Mané. Weitläufig bekannt waren nur Rodnei und Isaac Vorsah gewesen. Rodnei sollte der einzige Transfer bleiben, der aus der Reihe fällt. Denn der Brasilianer spielte im Gegensatz zu Vorsah noch nie unter Rangnick und war 2012 bereits knapp 27 Jahre alt, als er unterschrieb. Unbekannte oder ihm bereits bekannte Kicker – das hat System bei Ralf Rangnick.

 

Fußballerische Innovation und wenig Widerspruch – das ist das, was dem zukünftigen Leipzig-Sportchef gefällt. Schon bei Reutlingen trat er wegen Problemen mit der sportlichen Leitung zurück. Beim SSV Ulm konnte er mit Viererkette und ballorientierem Fußball in die Bundesliga vorstoßen. Beim großen VfB Stuttgart legte er sich mit den Starspielern an, schmiss Krassimir Balakow, letzter Starspieler im wirtschaftlich angeschlagenen Verein, aus dem Kader. Bei Hannover 96 gab's dann nach der sportlichen Konsolidierung immer wieder Brösel mit Präsident Martin Kind und Sportdirektor Ricardo Moar. Bei seinem darauf folgenden ersten Engagement auf Schalke gab es wieder Probleme mit dem Vorstand.

 


Rangnick duldet niemanden auf Augenhöhe
Rangnick war angezählt und musste wieder in die Regionalliga, wo er bei Hoffenheim quasi selbiges schaffte wie mit Ulm. Als unumstrittener Chef, mit vielen unbekannten Spielern, die später um teures Geld verkauft wurden. Dass Hoffenheim dabei wieder einen sehr innovativen Spielstil pflegte, braucht kaum betont werden. Das Ende: Meinungsverschiedenheiten mit Mäzen Dietmar Hopp. Letztlich war das zweite Engagement bei Schalke das einzige, das – zumindest nicht nach außen hin - mit gröberen Friktionen mit anderen Personen endete. Rangnick litt an einem Burn-Out.

 

Möchte man ein einheitliches Bild zeichnen, dann fällt auf, dass Ralf Rangnick neben sich wenig duldet. Dazu passen auch andere Personalentscheidungen. Im Sommer war es ein Grödig-Trainer, der Red Bull in die Champions League führen sollte. Adi Hütter musste dorthin gehen. Was hätte er sonst tun sollen? Dieses Angebot ausschlagen? Das bewirkt umgekehrt eine Abhängigkeit. In Leipzig schmiss nun Alexander Zorniger hin, weil er nur bis Sommer hätte bleiben können. Die Nachfolge wird genauso wie Rangnicks eigene als Sportdirektor in Salzburg einmal intern besetzt – bekanntes Personal, das Rangnick kennt. Ein Sonnenkönig also, der keinen Widerspruch auf lange Sicht erduldet?

 

In positiver Hinsicht ist Ralf Rangnick ein Mensch, der die Zügel in der Hand haben will. Einer, der sein Team um sich schart, eine Strategie gnadenlos durchzeit, dem der Erfolg letztlich Recht gibt. Einer, der erkennt, wann ihm intern zu viele Steine in den Weg gelegt werden. Einer, der den Fußball stetig weiter entwickelt und dabei, wie derzeit ersichtlich, sein eigenes Personal ausbildet, als allzu viel von außen zu kaufen. Rangnick kauft weniger Stars, er macht sie: Demba Ba, Luiz Gustavo, Sadio Mané, Kevin Kampl. Um nur einige heraus zu greifen. Brüno, Sabitzer, Lazaro, Poulsen oder Laimer werden wohl die nächsten sein, die durch Rangnicks Hand veredelt wurden. Im Grunde genommen das, was in der Fußballwelt nur allzu gerne als Ideal angesehen wird.

 


Machtmensch alter Schule

Doch es nicht alles Gold, was glänzt. Der bei Stuttgart geborene Fußballlehrer ist ein Machtmensch alter Schule. Die ihn begleitenden Auseinandersetzung mit Vorgesetzten und der Jugendwahn belegen – allen sportlichen Erfolgen zum Trotz – einen autoritären, konservativen Führungsstil. In der Befehlshierarchie kommt Rangnick an erster Stelle, dann lange nichts. Das schafft ein joviales Klima: Folge mir, dann bekommst du alles. Folgst du mir nicht, bist du weg. Denn Rangnick produziert auch „Ausschussware": Wer nicht passt, wird abgesägt. Oder er sägt sich eben selbst ab. Seit dem Durchmarsch mit Ulm und dem an-sich-Reißen des Einführens des modernen Fußballs ist Ralf Rangnick quasi unantastbar. Und dabei wird immer gerne vergessen, dass Wolfang Frank und Volker Finke fruchtbare Vorarbeit geleistet haben. Kurzum: Irgendwer will ihn immer haben. Und je größer seine Erfolge sind, desto höher sein Preis. Nicht unbedingt in finanzieller, viel mehr in ideeller Hinsicht. Wer ihn holt, holt einen Machtmenschen.

 

Ob Ralf Rangnick nun einfach ein erfolgreicher Fußballtrainer und Sportdirektor ist, der das Spiel eben besonders gut beherrscht oder ein Sonnenkönig, ist aber vielleicht gar nicht die entscheidende Frage. Es ist letztlich im Fußball oft einfach der Erfolg, an dem man sich messen muss. Und der ist flüchtig. Scheidet Salzburg gegen Villarreal aus und macht die Meisterschaft durch den Kaderumbau noch überspannend, schafft Leipzig den Aufstieg nicht – dann hat er alles falsch gemacht. Geht alles gut, nicht. Dann fragt auch niemand mehr nach dem Weg dorthin.