Salzburger Kinderfußball

Ganz so Unrecht hatten Hinteregger und Soriano mit dem Begriff Kinderfußball nicht. Einiges ist bei den Bullen in letzter Zeit schiefgelaufen, viele Fehler wurden begangen. Und dennoch wird die Zeit der Salzburger unter Zeidler noch kommen. Eine Gegenansi

 

Symbolischer als Takumi Minaminos und David Atangas verschossene Elfmeter ging es nicht mehr. Geduldig spielte Österreichs Meister gestern Nacht, um das 0:2 in Minsk aufzuholen. Doch es reichte nur für das Elmfeterschießen, trotz einer Vielzahl bester Entscheidungsmöglichkeiten, inklusive wohl zu Unrecht nicht gegebenem 3:0 durch Soriano. 10 zu 1 Torschüsse waren nicht genug, um die Entscheidung in der regulären und Nachspielzeit herbeizuführen.

 

Angerichteter wurde es im entscheidenden Penaltyschießen nicht mehr. Martin Hinteregger und Jonatan Soriano hatten souverän verwandelt, ehe Minamino und Atanga vom Punkt scheiterten – nachdem just die weißrussische Nummer 10, der routinierte Ex-Russland- und Ukraine-Legionär Vladimir Korytko seinen Elfer an die Stange gesetzt hatte. Zum Symbol: hoch talentierte, aber der Situation noch nicht gewachsene Offensivkräfte treffen alleine vor dem Torwart nicht. Die Routiniers tun ihr Möglichstes, es reichte aber nicht. Zudem ist auch jeder Schuss auf das Salzburger Tor ein Treffer gewesen und den Vorwurf von Coachingfehlern muss sich Salzburg-Coach Zeidler auch gefallen lassen.

 

67 Torschüsse, 16 Tore
Die 210 Minuten gegen Dinamo Minsk waren ein Abziehbild der bisherigen Saison 2015/16. Hinten und vorn reichte es nicht. Drei Schüsse brachten die Weißrussen aufs Bullentor, zwei Tore resultierten daraus. Salzburgs Bilanz hingegen: 15 Torschüsse, zwei Tore. Insgesamt schoss Salzburg gegen alle Gegner (ÖFB-Cup nicht miteinberechnet) in dieser Spielzeit 67 Mal aufs Tor. 16 Tore schauten dabei heraus. Die Gegner brachten magere 32, weniger als die Hälfte, auf das Bullentor. Das Torverhältnis beträgt aber 16:14. Klar, diese nackte Statistik sagt nichts über die Qualität der Schüsse aus, ist aber ein Indikator. Dazu kamen Verletzungssorgen. Ja, es fehlten immer wieder Kicker, vor allem Routiniers wie Omer Damari oder Christian Schwegler und Martin Hinteregger. Neuzugänge performten haarsträubend wie Miranda oder noch gar nicht, wie Reinhold Yabo. Doch gerade Red Bull müsste noch am unabhängigsten von Verletzungssorgen in Österreich (re)agieren können.

 


Kinderfußball analysiert
Hinteregger und Soriano meldeten sich in der schwierigen Phase zu Wort. Stichwort: Kinderfußball. Was meinten sie eigentlich damit? Mit Peter Zeidler war der Turnaround vom im Frühjahr eher auf Ergebnisse spielenden Hütter-Kick zurück zu Schmidt vollzogen. Aber die Salzburger legen defensiv eine fehleranfällige Naivität an den Tag, die himmelschreiend ist. Da müssen es nicht einmal Torwartfehler wie beim 2:2 in der Südstadt gegen die Admira sein. Bis auf das Auswärtsspiel in Malmö schossen die Salzburger immer öfters als der Gegner auf das Tor. In Malmö sah das so aus: Das 1:0 für die Schweden fiel nach einem Ballverlust in der gegnerischen Hälfte: ein Pass an die Flanke und trotz Anwesenheit von Torwart und vier Verteidigern konnte Nikola Djurdjic Bergets die Hereingabe aufgrund eines kruden Miranda-Laufwegs verwerten, als ob niemand da gewesen wäre. Ähnlich das Bild beim 2:0, einem Eckball an die erste Stange. Fünf Bullen plus Torwart ließen Markus Rosenberg gewähren. Der spazierte vom Elferpunkt gemütlich Richtung Tor, ohne dass ihn irgendwer auch nur ansehen würde. Passenderweise legte Miranda das 3:0 dann auch noch selbst. Malmö schoss zudem vier Mal Richtung Tor, drei Mal davon rein.

 

Die Salzburger verbuchten insgesamt zwölf Torschüsse. Minsk brachte ebenfalls nur zwei Schüsse aufs Tor. Gleb Rassadkin versenkte nach einer Stunde Spielzeit einen schlecht abgewehrten Ball vollkommen alleine im Strafraum – abgesehen von drei Mitspielern – im Tor. Passend, dass es statt einem mauen 0:1 als Ausgangspunkt fürs Rückspiel dann auch noch ein zweites Gegentor - ein Abstauber - als Draufgabe setzte. Genau das ist Kinderfußball: Vorne nichts treffen und hinten anschütten ist - auch bei allem Verletzungspech, Formschwäche und Jugend - zu viel des Guten.

 

Transfers zünden bislang nicht
Wenn man Mitte August noch einen Abräumer a la Yasin Phelivan – ein für Salzburg äußerst untypischer Transfer - holen muss, dann hat man zudem auch den Kader falsch eingeschätzt. Diese Eselsmütze geht wohl auch an Ralf Rangnick, der sich Ende der vergangenen Saison in Richtung Leipzig verabschiedete. Ein bisschen scheint es, als ob er die akribische Kaderpolitik in Salzburg, die er in den Jahren zuvor an den Tag legte, nicht mehr so Ernst nahm. Auch wenn Rangnick natürlich aus Leipziger Sicht ein möglichst großes Interesse daran haben sollte, dass Salzburg möglichst erfolgreich agiert. Der gesamte Kader wirkt unrund, viele Stürmer, unerfahrene Offensivkräfte, eine wacklige Abwehr. Einzige Überraschung ist Stefan Lainer, der sich wirklich gut eingefügt hat.

 

Mit Paulo Miranda einen in der brasilianischen Liga gestählten Innenverteidiger, mit Omer Damari einen Torjäger mit Referenzen, mit Reinhold Yabo einen von deutschen Bundesligaklubs gejagten Spielmacher. Dazu kehrte mit Sprintrakete Yordy Reina noch ein versatiler Stürmer zurück, mit Cican Stankovic ein vielversprechender Schlussmann. Hinzu kommen von internationalen Experten hoch geschätzte Talente wie Innenverteidiger Dayot Upamecano oder Zürichs Dimitri Oberlin. Mit Hinteregger, Leitgeb, Soriano und ferner Ulmer und Schwegler wurde zudem ein Stamm an erfahrenen Kickern gehalten. Wenn dann Neuzugänge Probleme haben, wie Stankovic oder Miranda, wenn andere Stammkräfte wie Ulmer oder Djuricin an Formschwäche leiden, große Versprechen wie Takumi Minamino oder Valon Berisha es auch nicht raus reißen können, dann sieht ein Saisonbeginn eben so aus, wie er aussieht. Die kolportierten acht Millionen Euro für Neuzugänge haben sich bislang noch nicht bezahlt gemacht.

 


Zwar verließen mit Peter Gulacsi, Andre Ramalho, Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer, Alan und eben Mané und Kampl nach Trainer Schmidt absolute Leistungsträger den Verein. Adi Hütter wollte den Umbruch nicht einleiten, übergab an Peter Zeidler. Aber dieser wurde aber dennoch reich beschenkt, so hart muss man es sagen. Und zeigt in Ansätzen ja auch, dass er das kann.

 

Der Guttmann'sche Zyklus
Drei Jahre, so sagte der große ungarische Fußballspieler, -trainer und -philosoph Bela Guttmann einmal, dauere ein Zyklus für einen Trainer. Dann wäre die Luft draußen. Ein Coach, der länger als drei Jahre bei einem Verein bliebe, stünde vor Problemen: Der Fußball sei zwar erfolgreich, aber dann langweilen sich die Spieler, Fans, Präsidium und Medien.. „Tödlich", nannte es Guttmann. Und die Worte des ehemaligen Hakoah Wien-Spielers dürften so falsch nicht sein. Die Kollegen von der Zeit münzen dies auf große Teams der Geschichte um: Dynamo Kiew (1966-1968), Ajax Amsterdam (1971-1973), AC Milan (1988-1990) und der FC Barcelona (2008-2011). Alle hatten ihre drei Jahre. So auch mehr oder weniger Red Bull Salzburg, Ralf Rangnick und das extreme Pressing.

 

Vielleicht ist es eine ganz natürliche Sache, dass es nach zwei Meistertiteln, zwei Cupsiegen, einem EL-Achtelfinale Zeit ist, Dinge zu adaptieren. Und: Auch Schmidt begann mit einer Blamage in Düdelingen, ehe tolle Dinge passierten. Der Unterschied zu 2012 ist aber, dass es eine Philosophie gibt, die grundsätzlich passt. Aber vielleicht braucht dieses Team, vielleicht braucht der Trainer, vielleicht brauchen Salzburg und auch die anderen Vertreter noch ein bisschen mehr harte Arbeit, um die Früchte der guten Arbeit zwischen Altach und Mattersburg zu ernten. Es fehlt hier ein bisschen was, es fehlt dort ein bisschen was. Eines muss man nämlich auch sagen: Wir stehen wohl erst am Beginn einer Saison. 

 

Peter Zeidler wird in den kommenden Monat mit seinen Schützlingen einen enormen Aufwand betreiben müssen, um am Ende wieder ganz oben zu stehen - zuztrauen ist es dem Gesamtpaket Red Bull Salzburg auf jeden Fall. Wenn es im Juli 2016 wieder nach Europa geht, wird er auf der Erfahrung des Sommers aufbauen können. Stand heute steht Zeidler jedoch tatsächlich vor einem Scherbenhaufen und muss sich mit Kinderfußball herumschlagen. Der Vorteil am Kinderfußball ist jedenfalls, dass dieser auch erwachsen werden kann.