Kann Zeidler Red Bull Salzburg?
Mit Peter Zeidler soll die Linie von Red Bull Salzburg besser umgesetzt werden als mit Adi Hütter. Letzterer wollte Stars, bekam sie nicht, spürte zu viel Druck und schmiss den Hut drauf. Ist der 51-Jährige Sport- und Französischlehrer Zeidler nun der Man
Rollen wir die Ereignisse in Salzburg von hinten auf. Alles begann so richtig mit Roger Schmidts Verpflichtung. Der heutige Leverkusen-Trainer implementierte in Verbindung mit Ralf Rangnick ein irres Pressing-Spiel, das aus guten Talenten wie Sadio Mané, Kevin Kampl oder Andre Ramalho Spieler für die besten Ligen der Welt machte. Schmidt ging den nächsten Schritt zu Bayer Leverkusen, sein Nachfolger war Adi Hütter. Seit Kurt Jara war er der erste Österreicher, der am Chefsessel landete. Ungewöhnlich war auch, dass Hütter eine zweite Chance bei Red Bull bekam – ein Novum. Rang drei mit Grödig und ein ähnlich gestricktes, wenn auch chaotischeres Pressingspiel überzeugten Ralf Rangnick.
Doch Hütter ist ein eigener Charakter. Zwar hatte auch Schmidt, wie Duelle mit Didi Kühbauer oder Zoran Barisic zeigten, Ecken und Kanten, aber Hütter ist anders kantig. Das kommt nicht überall gut an; vor allem nicht in der Welt von Red Bull. Zudem zeigte er sich dünnhäutiger als Schmidt zuvor. Und dass er deswegen ging, weil er keine Stars mehr bekommen sollte, ist sowieso eine eher irrwitzige Geschichte. Rangnick kritisierte Hütter mehrmals, Double hin oder her. Der Glanz der Schmidt-Jahre wich ein bisschen Vorarlberger Wertarbeit. Zu wenig für Ralf Rangnick. Der Druck auf Hütter trotz Double war enorm. Wahrscheinlich zu viel Druck. Und so hat es sich für beide Seiten gut ergeben: Rangnick musste seine Erfindung nicht feuern, womit er aus dem Spiel war. So erzählten Hütter und Red Bull die Geschichte mit den Unterschieden im Konzept - die Medien haben die Story abgekauft.
Schon lange keine Stars bei Red Bull Salzburg
Liest man sich durch die Transferhistorie der letzten Jahre, ist das wenig nachvollziehbar. Zu Beginn der Red Bull-Ära war das noch anders. Thomas Linke, Vratislav Lokvenc, Markus Schopp oder Alex Zickler waren klingende Namen. Es folgten im Jahr drauf Niko Kovac, das Schweizer Supertalent Johan Vonlanthen oder später Sasa Ilic, Christoph Leitgeb. Doch schon vor fünf Jahren wurde es dünn mit Stars im Wortsinne. Vielleicht Nikola Pokrivac, Gonzalo Zárate oder Petri Pasanen. Somen Tchoyi kannte doch kein Mensch, Ibrahim Sekagya kam aus Argentinien und so weiter. Runter gebrochen auf einen Satz muss gesagt werden: Richtige Stars werden bei Red Bull Salzburg schon länger nicht mehr verpflichtet. Kampl? War kurz vor dem Wechsel an die Salzach von der dritten in die zweite Liga gewechselt. Mané? Kam aus der zweiten französischen Liga. Ramalho? Kam über RB Brasil und die Juniors/Liefering nach oben.
Warum trotz Transfermillionen noch unfertige Spieler geholt wurden, erklärte der Schwabe vor einem halben Jahr am Beispiel der Innenverteidiger so: „Für uns macht es keinen Sinn, einen Innenverteidiger zu holen, der nicht auf Augenhöhe mit Martin (Hinteregger, Anm.) und Andre (Ramalho, Anm.) ist. Ich habe überhaupt keine Idee, wer diese Qualität haben soll. Unser Fußball ist komplett anders. Meine Angst ist, dass ein neuer Spieler die anderen zum Beispiel beim Herauslaufen bremst - in Hoffenheim ist mir das mit einem neuen Spieler passiert."
Rangnick und Zeidler kennen sich seit vielen Jahren
Genau so verlief dann auch die Trainersuche. Der Spanier Oscar Garcia, der bei Maccabi Tel Aviv, Brighton Hove & Albion und Watford mit Offensivfußball überzeugte, hatte laut Krone einen zu eigenen Kopf. Dann gilt eben für Trainer dasselbe wie für Innenverteidiger: Sie müssen passen. Und das tut Peter Zeidler. Er und Rangnick kennen sich seit vielen Jahren. Zeidler kam mit dem Neo-Leipzig-Coach 2012 gemeinsam zu Salzburg, lebt und atmet den Red Bull-Stil. Und die Spieler kennen ihn. Konrad Laimer, Duje Caltea-Car, Felipe Pires, David Atanga, Smail Prevljak oder Stefan Lainer kickten unter Zeidler. Bei anhaltender Entwicklung dieser Kicker kann man schon die Kasse klingeln hören. Aber was qualifiziert Zeidler überhaupt für den Job als Cheftrainer, für die historische Double-Verteidigung und das große Ziel Champions League?
Ich konnte schon öfters mit Peter Zeidler reden. Er ist ein angenehmer Gesprächspartner; dadurch, dass er lange Jahre als Lehrer arbeitete, kennt er sich im Umgang mit jungen Menschen aus. Und der Erfolg, siehe oben, gibt ihm Recht. Wer den FC Liefering ansah, sah nicht nur einen Haufen groß aufspielender überjunger Kicker, sondern auch Emotionen. Schon nach dem Aufstieg aus der Regionalliga sagte er mir für die Sportzeitung im Sommer 2013: „Wer die Mannschaft sieht, sieht ihre Emotionen, was sie verkörpert, wie sie sich nach Siegen freuen und mit Freude diesen Sport ausüben." Auch bei seinem letzten Cheftrainerposten in der zweiten französischen Liga musste er machen, was nun Red Bull macht: „Es geht ums Geschäft. In Tours ging es teilweise bei Spielern allen nur darum, ihn so gut zu machen, dass wir ihn verkaufen können. Man müsste das ganze System anprangern."
Spitzbübisch
Ab und an wirkt auch Peter Zeidler etwas eigen. Er ist emotional an der Seitenlinie, hat ebenfalls seine Ecken und Kanten. Er ist ein Kopfmensch, der sich gerne zurück lehnt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Worte bewusst wählt. Nach dem Spiel ist er bei aller Hitzigkeit zumeist wieder aufgeräumt und erzählt, doziert, ganz Pädagoge. Wie Schmidt und Hütter kann er auch patzig sein. Aber anders als bei Adi Hütter und gleich wie bei Roger Schmidt huscht etwas Spitzbübisches über das Gesicht. Hütter wirkte zuweilen einfach angepisst, Schmidt und Zeidler auch, verarbeiteten diese Situationen aber anders. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber wenn Zeidler schreit, wenn sich Schmidt mit gegnerischen Funktionären zoffte, da bekam und bekommt man den Eindruck, dass die Deutschen schon Recht haben – während Hütter das Rumpelstilzchen war, der darunter litt und dann auch immer den Drang verspürte, dies gegenüber Medien rechtfertigen zu müssen.
Stellt sich nur die Frage, ob Zeidler nach so vielen Jahren in der zweiten Reihe, sei es als Co- oder Zweitligatrainer, der Aufgabe gewachsen ist. Auch wenn der öffentliche Druck dieses Jahr nicht so groß ist: Die Champions League ist das große Ziel. Die Konkurrenz muss mehr dominiert werden als im vergangenen Jahr. Hierbei konnte sich der Lehrer noch nicht beweisen. Letztlich kamen, ironischerweise, nun dann doch Klassespieler. Paulo Miranda vom FC Sao Paolo gewann 2012/13 die südamerikanische Europa League. Reinhold Yabo wurde von deutschen Bundesligisten gejagt. Das französische Talent Dayot Upamecano hatte Angebote aus England. Das Gerüst rund um Hinteregger, Ulmer, Schwegler, Leitgeb und Soriano steht bereit. Es ist angerichtet.
Im Endeffekt hat sich an der Situation in Salzburg seit 2012 nichts geändert. Nach wie vor heißt es Double holen, Champions League erreichen und dabei auch noch innovativen, schnellen und attraktiven Fußball spielen. Peter Zeidler bringt alles mit, außer Erfahrung auf diesem Niveau. Das kann gut gehen. Das kann in die Hose gehen. Tut es das, ist es die Frage, wie es verkauft wird, wie Zeidler sich verkauft. Zumindest in dem Punkt dürfte er Adi Hütter einiges voraushaben.