Ihr Kinderlein kommet, zur Ligenreform, oh kommet doch all
Während das Sanierungsverfahren von Austria Salzburg eröffnet wird, kommen immer mehr Funktionäre und Klubverantwortliche zur gleichen Meinung: Diese Liga ist gescheitert. Es ist höchste Zeit für eine Reform. Eine Gegenansicht von Georg Sander und Michael
In den letzten Wochen geschah wieder einmal das, woran Fußballfans in Österreich nur allzu gewöhnt sind: Ein Profiverein meldete Insolvenz an. Das letzte Urteil über Austria Salzburg ist noch nicht gesprochen, aber es könnte der letzte Puzzleteil sein, um das gegenwärtige Ligensystem zu kippen. Es könnte, aber es sollte vor allem.
Heute Dienstag kommt es im Landesgericht Salzburg zur ersten Gläubigerversammlung rund um den SV Austria Salzburg. Die Posse rund um den Salzburger Verein ist zwar nicht nur das Ergebnis eines verfehlten Ligenformats, denn das würde die Verantwortlichen Klubfunktionäre zu sehr aus der Verantwortung entlassen. Klar ist aber auch, dass in der Sky-Go-Liga andere Vereine am Rande des Existenzminimums herumvegetieren – Wiener Neustadt und Austria Klagenfurt sind zwei weitere Beispiele.
Die Erste Liga ist in dieser Form gescheitert
Die Sky-Go-Erste-Liga ist in dieser Form als Profiliga gescheitert. Viele sagen es offen. Zum Beispiel Blau Weiß-Präsident Hermann Schellmann gegenüber 90minuten.at: „Wir können uns in Österreich keine 20 Profivereine leisten." Oder Fußballgewerkschafter Gernot Zirngast jüngst im Standard: „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind nicht gegeben. Weit und breit nicht." Auch Ralf Rangnick sagte es.
Und zuletzt deutete es Ried-Manager Stefan Reiter, der auch Aufsichtsrat in der Bundesliga ist, in einem Interview auf svried.at mehr als deutlich an: „Hier geht es um die strategische Weiterentwicklung des Formats Bundesliga. Das ist auch meine ganz persönliche Zielsetzung in meiner Funktion als Aufsichtsrat. Es gilt hier, eine optimale Lösung für den österreichischen Profi-Fußball zu erarbeiten. Ich hoffe, dass wir bald positive Ergebnisse präsentieren können. Ich möchte davor aber keine Teilergebnissen bekannt geben, weil diese dann in der öffentlichen Diskussion oft schnell zerredet werden."
Hinter den Kulissen rumort es eigentlich noch lauter. Hinter vorgehaltener Hand und ohne Mikro spricht sich fast schon jeder Verantwortliche in der Liga für etwas anderes als dieses System aus. Jetzt hat es Austria Salzburg im Rekordtempo erwischt. Wiener Neustadt hat noch kein gesichertes Budget für 2016/17, Austria Klagenfurt viel zu wenig Zuschauer und eine Spieleragentur als Hauptsponsor und wie ob sich die zumindest diskussionswürdige Finanzierung des LASK länger als drei Jahre aufrechterhalten lässt, weiß auch niemand. Das ist sicherlich nicht die vollständige Liste an tatsächlichen und weiteren möglichen finanziellen Schieflagen.
Die „Profi"-Liga
15 Nicht-Amateure vor dem Aufstieg, danach 20 schreibt die Liga in den Lizenzierungsbestimmungen vor. Hintergrund dieser Maßnahme, die vor ein paar Jahren gesetzt wurde war, dass die Zeit der dubiosen Geldflüsse an die Spieler endlich gestoppt wird. Der Effekt: Die Personalkosten zerfressen jedes Budget: Allein die Personalkosten für 20 auf das kollektivvertragliche Minimum von 1.144 Euro angestellte Kicker betragen knapp 420.000 Euro inklusive Lohnnebenkosten. Ohne Zulagen, Bonuspunkte oder Ähnliches. Das heißt dann 971,6 Euro netto im Monat. Ist das Profi-Fußball? Und die Akademien jetzt schon mehr Spieler aus, als der Markt verträgt. Und dann am Ende einer vierjährigen Ausbildung inklusive Matura sollen es dann nicht einmal 1.000 Euro Grundgehalt sein, bei einem Job, den man im besten Falle 15 Jahre ausübt? So gut wie jeder vierjährige Lehrberuf beginnt als Geselle oder Gesellin laut AMS-Homepage bei knapp 2.000 Euro brutto. Selbst der Durchschnittsbruttoeinstieg bei Friseur*innen, einem wirklich schlecht bezahlten Lehrberuf, orientiert sich bei rund 1.500 Euro brutto – nach drei Lehrjahren. Das geringe Mindestgehalt hilft den Klubs sparen. Aber zu welchem Preis?
Es kommt nicht auf eine fixe Zahl an
An wie vielen Standorten ist Profifußball also möglich? Das ist für viele die entscheidende Frage. Nach gegenwärtigem Stand sind das vielleicht 16, möglicherweise auch nur 14 oder gar nur 12? Doch die Anzahl der Profiklubs ist eigentlich egal, denn es geht nicht darum, wie viele es in absoluten Zahlen sind, sondern um die Frage, wo Profifußball leistbar ist – in wirtschaftlicher und infrastruktureller Sicht gesehen. Das Sportliche ist dabei nachrangig, denn das ergibt sich dann aus den anderen beiden Faktoren. Das gute Abschneiden der Aufsteiger ist ja ein Indiz, dass die Clubs hier auf einem guten Weg sind. Wer die 16er-Liga (oder 14er oder 12er) dann auffüllt, ist letztlich egal. Vermutlich funktioniert es auf jeden Fall mit Wacker Innsbruck, dem LASK und dem SKN St. Pölten, mit Abstrichen bei Austria Lustenau und Kapfenberg. Dann wird es eng, vielleicht rutscht ja ein Drittligist in die erste Liga.
Und was passiert mit der Sky-Go-Liga?
Die jetzige Profi-Liga könnte eine zweigliedrige Regionalliga werden, getrennt nach Nordost/Südwest. Hier ist vor allem ÖFB-Präsident Leo Windtner gefordert, denn die Regionalligen sind ÖFB-Gebiet. Bisher hat er sich hier „nobel" zurückgehalten, um es freundlich zu formulieren. Auch in der Diskussion um die Aufteilung der Regionalligen darf es keine Tabus geben, auch wenn das bei den mächtigen Landespräsidenten, die oft das Ganze nicht zu erkennen im Stande sind, schwer fallen dürfte – womit erst Recht wieder ein starker ÖFB-Präsident gefragt ist.
Die Sache mit den Sponsoren und TV-Partner
Natürlich bedarf es auch im Bereich der Sponsoren und TV-Partner einer Änderung. Hier gilt es mit den Stakeholdern der Liga zu reden. Hätten Sky/ORF wirklich ein Problem, acht statt zehn Partien pro Runde zu übertragen und beispielsweise das Spitzenspiel pro Regionalligarunde zu übertragen? Die Sponsoren hätten sicherlich auch mehr davon, lieber beispielsweise 30 Mal prominent gezeigt zu werden statt 36 Mal zum Teil unter fast-Ausschluss der Öffentlichkeit.
„Lieber vier Mal gegen die Austria als gegen ..."
Immer wieder hört man auch das Argument, dass man lieber vier Mal gegen die Austria spielt, als gegen – LASK, Wacker Innsbruck & Co? Ein Beispiel: Das erste jemals gespielte Bundesligaduell zwischen Wolfsberg und Rapid 2012/13 war mit 7.300 Zusehern ausverkauft. Beim zweiten kamen nur noch 5.150, in der Folgesaison 6.800 und 4.100 – letztes Jahr als Tabellenführer WAC gegen Rapid spielte kamen nur noch 5.250 zum ersten Spiel und 5.350 zum Saisonkehraus. Dieses Jahr waren es Mitte Oktober nur noch 4.600.
Und auch Rapid würde es im neuen Stadion verkraften, nur noch einmal gegen die Austria zu spielen und dann dadurch etwas mehr Zuschauer in diesem EINEN Derby zu haben. Fakt ist: Österreichs Stadien sind zum Großteil halb leer. Wer halbleere Stadien hat, braucht sich darüber nicht aufregen, sondern könnte das neue Ligenformat als Chance sehen. Ein Bonus: Die sich ohnehin nicht berauschend verkaufenden Abos werden um ein Eckhaus attraktiver, weil auch billiger.
Und wer braucht bitte dieses Szenario noch? Inklusive Cup spielte Wolfsberg im Kalenderjahr 2015 schon sechs Mal gegen die SV Ried. Das ist für Fans und auch die Spieler mäßig interessant, ganz abgesehen von der weitgehend mangelnden taktischen Adaption. Diese ist ja kaum notwendig. Gegenüber 90minuten.at gab etwa Zoran Barisic zu Protokoll, dass er sein Team nicht jede Woche auf den Gegner neu einstelle. Man spiele ohnehin vier Mal gegeneinander.
Hilfe, das sportliche Niveau wird sinken!
Klar bedeutet die neue, einzige Profiliga auch, dass die Großklubs weniger Spiele untereinander austragen. Man sagt, es wäre sportlich wertlos, gegen allzu kleine Klubs zu spielen. Aber was heißt das überhaupt? Immerhin hat der aktuelle Tabellenführer in den letzten Wochen zwei Mal gegen den Letzten verloren. Ist das ein Zeichen für die sportliche Qualität der 10er-Liga? Wie der Kurier recherchiert hat, stellt Österreich derzeit den schlechtesten Tabellenführer und den besten Letzten. Ist das ein Zeichen für die sportliche Qualität der 10er-Liga? Also über welches zu verlierende Niveau reden wir? Eine törichte Frage für ein Land, das in den letzten Jahren lediglich fünf Mal international überwintert (davon vier Mal der finanzielle Sonderfall von Red Bull Salzburg) hat und einen CL-Teilnehmer stellte.
Es muss gehandelt werden. Jetzt!
Gehandelt werden muss aber jetzt, für die Saison 2016/17. Es bringt nichts, wieder ein bisschen abzuwarten, ob es mit Austria Salzburg einen bedauerlichen Einzelfall gegeben hat. Deshalb muss so rasch wie möglich, am besten schon ab der nächsten Saison eine 16er-Liga (14er, 12er)-Liga her. Auch wenn das aus vertragsrechtlichen Gründen unmöglich scheint – die Diskussion darüber sollte zumindest ohne Tabus geführt werden.
Diskutiere mit den Autoren Georg Sander und Michael Fiala in den Kommentaren: Brauchen wir eine Ligenreform? Wenn ja, wie soll diese aussehen? Oder soll es so bleiben?