Hintereggers Freispruch stellt das ganze Spiel in Frage

So verständlich der Freispruch von Martin Hinteregger ist, stellt dieser aber auch das ganze Spiel in Frage. Eine Gegenansicht von Georg Sander

 

Im Fußball geschehen laufend Fehler. Spieler verstolpern Bälle, Stürmer treffen aus drei Metern die Latte statt das leere Tor, hinzu kommen hunderte Fehlpässe. Zurecht sagen dann im Fall der Fälle fehlerhafte Schiedsrichter, dass auch Fußballer Fehler machen. Vor gut zwei Jahren sagte Oliver Drachta in einem Interview mit der Sportzeitung: "Wenn der Schiedsrichter sagt, dass auch Fußballer Fehler machen, wird das von Spielern und Trainern nicht gern gehört. Wir werden dahingehend ausgebildet, dass wir keine Fehler machen."

 

Argumentationslinie des „keine-Fehler-Machens"
Der zuständige Strafsenat folgt meistens dieser Argumentationslinie des „keine-Fehler-Machens". Und das ist auch logisch. Denn so falsch eine Entscheidung im Spiel selbst ist, so sehr ist sie eine Tatsache - wie der vergebene Sitzer, dem Torhüter durch die Arme gekullerte Ball. Denn all diese Vorgänge im Spiel selbst schaffen die Realität des Spiels. Es ist selten so offensichtlich, wie bei Altach gegen Salzburg, wenn einer (objektiv falschen) roten Karte der 2:1-Führungstreffer folgt. Viel augenscheinlicher kann eine Fehlentscheidung gar nicht den Lauf eines Spiels verändern.

 

"Der Ausschluss eines Spielers führt immer zu einer automatischen Sperre für das nächste Pflichtspiel dieser Mannschaft. Die automatische Sperre ist grundsätzlich unanfechtbar", heißt es in § 18 der ÖFB-Rechtspflegeordnung. Laut Aussendung der Bundesliga wird nun § 5 Absatz 5a in Verbindung mit dem § 18 schlagend: "Die Strafausschüsse sind zuständig für sämtliche Disziplinarangelegenheiten sowie für die Ahndung von Vergehen und Verstößen gegen das Regelwerk, insbesondere für a) die Korrektur offensichtlich falscher Disziplinarentscheidungen des Schiedsrichters."

 


Ohne Rote Karte, kein Torraub, ohne Torraub, kein Elfer ..
Nur was wird korrigiert? Der Spielausgang? Oder wird tatsächlich nur die rote Karte annulliert? Was heißt das, wenn der Senat 1 der Bundesliga eine so entscheidende Szene für null und nichtig erklärt? Zwar geht es hier nur um die Disziplinarentscheidung, aber wenn Rot wegen Torraubs nicht mehr gilt, dann war es ja gar kein Torraub und folglich kein Elfer. Immerhin gibt es noch drei Runden. Was, wenn am Ende Salzburg gar nicht mehr punktet und Rapid mit drei Siegen mit einem Zähler Vorsprung Meister würde? Wäre es da nicht vonseiten der Bullen berechtigt, dieses 2:2 in Altach anzuzweifeln?

 

Abstrakte Gedankenspiele im konkreten Fall, denn Salzburg wird das Kind schon schaukeln. Aber das muss ja nicht immer so klar sein. Gut, die Bundesliga macht das nicht oft, zuletzt 2001/02 beim Fall von Krzysztof Ratajczyk. Aber bei all dem Fehlerkalkül, dem der Fußball unterliegt, muss man auch von offizieller Seite dann sagen: Ja, hier war eine Entscheidung falsch, aber wir stehen dazu, da die rote Karte eine Tatsache war. Wenn man aber sagt, dass es die Karte eigentlich gar nicht gab, begibt man sich in Teufels Küche.

 

So verständlich die Korrektur eines offensichtlichen Fehlers, so sehr gehört der Fehler zum Spiel. Nachher sagen, dass es diese Szene gar nicht gab, öffnet die Büchse der Pandora und stellt – das Beispiel zu Ende gedacht – in letzter Konsequenz irgendwie auch das ganze Spiel in Frage.