Die Stankovic-Perspektive: Geduld aufbringen für den 'Traum' Österreich

Cican Stankovic ist wieder in aller Munde. Serbien will ihn haben, er will eigentlich für Österreich spielen. Die aktuellen äußeren Umstände setzen ÖFB-Teamchef Marcel Koller unter Druck. Doch der Teamchef ist außerordentlich gut dafür bekannt, auf den öf

 

Geboren wurde Cican Stankovic 1992 in Bijeljina im Nordosten des heutigen Bosnien-Herzegowinas, einem Teil der Republika Srpska; dem serbisch geprägten Teil des Landes. Seine ersten fußballerischen Schritte machte er im Tullnerfeld, ehe er 2007 in die Jugend des SV Horn kam, von wo er 2013 als Einsergoalie zum SV Grödig wechselte. Eine steile Karriere für das Zuwandererkind, dessen Leistungen nun Begehrlichkeiten des serbischen Verbandes wecken.

 

Großer Traum Nationalmannschaft
„Mein großer Traum ist es für das österreichische Nationalteam zu spielen, wann das der Fall sein wird, kann ich nicht sagen. Bisher hat es noch keine Gespräche gegeben", sagte Stankovic gegenüber Salzburg24.at. Bisher hat es der baldige Red Bull Salzburg-Tormann jedoch nur auf die Abrufliste geschafft, obwohl die Konkurrenz dem immer wieder mal schwächelnden Heinz Lindner nicht übergroß zu sein scheint. Während Lindner einer ungewissen Zukunft entgegenblickt, passt zum gegenwärtigen Gesamtbild, dass Stankovic in Hochform agiert.

 

Fakt ist jedenfalls, dass Stankovic erst dann fix an Österreich „gebunden" ist, wenn er einen Pflichtspieleinsatz im A-Team absolviert hat. Dass das am 14. Juni in Moskau gegen Russland passieren wird, ist auszuschließen bzw. nur dann irgendwie vorstellbar, wenn es plötzlich eine Reihe an verletzen Goalies gibt. Zusammengefasst sieht die aktuelle Situation wiefolgt aus: Heinz Lindner stagniert derzeit, Ramazan Özcan wird in der kommenden Saison in der Deutschen Bundesliga das Tor hüten und Robert Almer bei der Wiener Austria viel zu tun bekommen. Und irgendwo dahinter lauert das große Talent Cican Stankovic.

 

Koller lässt sich nichts diktieren

Marcel Koller lässt sich bei der Kaderzusammenstellung grundsätzlich gar nichts diktieren, schon gar nicht von außen und noch weniger von Formschwankungen oder Trainern, die seine Auserwählten auf die Bank setzen. Kurz gesagt: Koller lässt sich keinen Spieler aufs Aug drücken. Diese Zeiten sind – zum Glück – vorbei. Das ist, blickt man auf die Entwicklung des Nationalteams und die Tabelle der EM-Qualifikation, eine seiner großen Stärken. Die Stärke des aktuellen Nationalteams unter Koller ist aber auch, dass der Zusammenhalt wunderbar funktioniert. Lindner hat die Loyalität als Ersatz-Goalie im Team in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Koller weiß, was er an Lindner hat: Einen Goalie, der jederzeit einsatzfähig ist und eine gewisse Leistung bringen kann.

 


Keeper mit Zukunft

Stankovic ist jedenfalls ein Keeper mit Zukunft, der seine persönliche Zukunft zumindest derzeit wohl auch in Österreich sieht. Wobei er auch nicht der erste Kicker wäre, der das eine sagt und dann das andere macht. Mit gerade einmal 22 Jahren hat er 15 Jahre auf möglichem Topniveau vor sich. Zudem ist er einer, dem zugetraut wird, ein „Gamewinner" zu sein: ein Goalie, der die Null hält, wenn andere schon hinter sich greifen mussten. Kurz gesagt: Stankovic ist ein aus der Goalie-Masse herausragendes Talent.

 

Die Frage ist daher: Hat Stankovic die notwendige Geduld oder lässt er sich vom serbischen Angebot doch zu sehr locken? Denn wann könnte Koller ihm den notwendigen Einsatz guten Gewissens bescheren? Dazu müsste er zunächst Heinz Lindner aus dem Kader werfen. Dies ist aus jetziger Sicht unrealistisch, denn warum den Dreier-Goalie tauschen, der sich immer loyal verhält?

 

Eine Kadereinberufung käme wohl nur dann in Frage, wenn sich einer der drei verletzt. Und selbst wenn Stankovic im Kader aufscheinen sollte, wird Koller ihn nicht in Rahmen der EM-Qualifikation einsetzen. Solche Spielereien passen einfach nicht zum Schweizer. Einzige, denkbare Ausnahme: Stankovic schafft es in den Kader beim letzten Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein, die Qualifikation ist schon gesichert. Marcel Koller nützt die Gelegenheit und ermöglicht Robert Almer den verdienten Abgangsapplaus drei Minuten vor Schluss und wechselt Stankovic ein. Wahrscheinlichkeit: 10%.

 

Hat der ÖFB ein strategisches Interesse?

Bleibt noch ein Faktor, der diskutiert werden muss: Inwiefern kollidieren Kollers (berechtigte) Hartnäckigkeit zum Wohle der Euro 2016 mit langfristigen strategischen Überlegungen, mit Stankovic eines der wenigen Tormann-Talente an den ÖFB zu binden? Und wie sehr gibt es ein Interesse etwa von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner auch an die Zeit nach Koller zu denken, die irgendwann kommen wird? Integrierte Kicker mit der Nationalmannschaftsauswahl und der ÖFB – das ist bisher keine Erfolgsgeschichte. Man denke nur an das Hofmann-PR-Desaster vor der Heim-Euro, Moritz Leitner, den Premier League-Stürmer Ashley Barnes mit der österreichischen Oma oder den geborenen Linzer Mateo Kovacic, der bei Inter kickt. Zuletzt bekundete der ÖFB öffentliches Interesse an Alan, der wenige Tage später dem Lockruf des Geldes nach China folgte. Gut verkauft hat man sich da nicht. Daher ist auch zu erwarten, dass sich der Verband, sofern er aus den eigenen Fehlern lernt, eher zurückhalten wird - zumindest was öffentliche Aussagen betrifft.

 

Doch wer Marcel Koller kennt weiß, dass sich Stankovic nur über sehr gute Leistungen ins Team spielen kann. Diese Leistungen wird Stankovic hoffentlich kommende Saison im Trikot von Red Bull Salzburg zeigen dürfen. Dann, aber nur dann, hat er eine Chance auf eine Back-Up-Einberufung für den Euro 2016 Kader, denn ein strategischer Kurzeinsatz davor ist unter Koller nicht zu erwarten. Die Perspektive für Stankovic lautet also: Wenn er wirklich für Österreich spielen will und es der große Traum ist, muss er wohl die notwendige Geduld aufbringen. Dann wird er auch die Chance bekommen, wenn auch wahrscheinlich erst nach der Euro 2016.