Ohne Killermentalität keine WM

Wie ist Österreichs Leistung einzuschätzen? Warum hat Schweden sich durchgesetzt? Was muss sich tun, damit Österreich eines der 13 europäischen Teams bei einer Weltmeisterschaft stellt? Und Marcel Koller? Von Georg Sander

 

Bevor über die WM-Qualifikation geredet wird, sollte noch einmal die Topfeinteilung zur Qualifikation bedacht werden. Da befand sich Österreich in Topf 4, gemeinsam mit Bulgarien, Rumänien, Georgien, Litauen, Albanien, Schottland, Nordirland und Polen. Jetzt wird es der dritte Platz für Topf 4-Österreich. In Gruppe A ist Schottland Fünfter. Bulgarien rangiert als schlechtester Gruppenzweiter auf Rang zwei in Gruppe B. Rumänien ist Dritter, Albanien und Nordirland sind jeweils Fünfter, Litauen verbleibt wie Georgien und Polen gegenwärtig am vierten Platz.


Aus dem Topf ist also nur Bulgarien besser als Österreich, Rumänien gleichwertig. Das ist deshalb wichtig, damit nach dem verdienten 1:2 in Schweden Realismus einkehrt. Auch die Leistungsdichte muss in die Bewertung mit eingerechnet werden. Aus Topf 3 sind nur Belgien und die Schweiz fix in Brasilien mit dabei, Bosnien und Griechenland matchen sich in Gruppe G noch um den Sieg und das Direktticket. In Topf 2 ist übrigens dann schon Frankreich. Das Seeding für die Einteilung in die Qualigruppen bildet also ganz stark das Leistungsvermögen ab.


Und da ist Schweden in Topf 2 gewesen. Und klar hat es Zlatan Ibrahimovic gerichtet, mit Tor und Assists. Österreich hatte ein Tor aus abseitsverdächtiger Position. Als die Heimmannschaft aufkam, spielte Marcel Koller auf Halten. Dabei hatte er eine interessante taktische Variante gewählt: Er schob David Alaba weit vor, es entfaltete sich ein 4-1-4-1. Die Defensivvariante war eine Abwandlung dessen, was Roger Schmidt bei Red Bull Salzburg spielen lässt: Drei Innenverteidiger, einer vor der Abwehr, um den Spielmacher, Ibrahimovic, zu ärgern. Der Unterschied zu den Bullen ist allerdings, dass dort diese drei rochieren.


Aber auch nach der Führung fehlte das, was während der Qualifikation in Kasachstan fehlte, als Marko Arnautovic den Heimausgleich gegen Deutschland versemmelte, was zwei Mal gegen Irland unrund lief: Beim Team gibt es keine durchgehende Killermentalität. Um das Phrasenschwein zu bedienen: Der Deckel wird nicht drauf gemacht.


Rückschritt. Was hat Marcel Koller verändert? Er verlieh den heimischen Kickern im Laufe der WM-Quali ein taktisches Korsett, das auf Pressing beruht und in der Grundordnung 4-2-3-1 funktioniert, versuchte in den letzten Monaten auch andere Varianten. Nur, um vielleicht wieder einen Vergleich zu bedienen: Es ist durchaus möglich, einen Porschemotor in einen Käfer einzubauen. Auf der Geraden, ohne Hindernisse und Kurven, geht der Käfer ab. So ähnlich ist es beim Nationalteam.


Die Basis ist da, es ist verinnerlicht, aber durch die Irrungen eines Spielverlaufs im komplexen Spiel Fußball bräuchte es noch mehr, als lediglich einen (Taktik-)Motor. Ob es Marcel Koller ist, der das Team nicht gut genug einstellte oder die Spieler nicht über die Qualität verfügen für Rang zwei, ist müßig zu diskutieren. Fakt ist: Die Basis reicht aus, aber in den entscheidenden Momenten versagt das Team. Noch.


In der Qualifikation sind die Rollen nun einmal verteilt. Aus Topf 4 fährt kein Team zur WM. Aus Topf 3 maximal drei von neun. Das ist die Realität. Es wird also noch dauern, bis Österreich als eines von 13 europäischen Teams zu einer Weltmeisterschaft fährt. Dazu ist es aber bitter notwendig, dass entweder Koller oder ein anderer die Schwachstellen im Team ausmerzt.


Das heißt konkret: Eine stabilere Abwehr, vor allem links hinten, aber auch in der Innenverteidigung. Zwei Stürmer, die wirklich treffen. Das sind die Problemzonen. Ob Marcel Koller es vermag, diese Weiterentwicklung mit den guten Spielern der letzten zwei Jahre zu machen, liegt in seiner Hand. Von seinem Personalgrundstock müsste er sich auf jeden Fall verabschieden, neues Blut muss kommen.


Hinten und vorne braucht es Killermentalität im Team. So bitter es für bemühte und durchaus verdiente Nationalspieler ist: Abseits der wohl einfachen Quali zur kommenden Europameisterschaft mit einer nahezu fünfzigprozentigen Teilnahmechance muss sich nun etwas tun. Mit oder ohne Koller, aber mit Kickern, die treffen und verhindern.