Der Kampf der Religionen: Zu früh oder zu spät ins Ausland? Alaba vs Junuzovic
Das Lager bezüglich Auslandstransfers teilt sich in zwei Glaubensrichtungen. Die Einen meinen, die Kicker können gar nicht früh genug ins Ausland wechseln, andere wollen, dass die Talente in Österreich zu Profis reifen. Alaba versus Junuzovic quasi. Eine
Der ehemalige Teamchef Herbert Prohaska meinte im Gespräch mit 90minuten.at: „Es gibt keine Ausländerbeschränkungen mehr. Gäbe es die noch, dann würde ich sagen, dass 90 Prozent unserer Legionäre in Österreich spielen würden. Das meine ich gar nicht böse." Blogger Martin Blumenau hält solche Aussagen für urban legends, einen Mythos. Und damit vertritt er die Meinung vieler Österreicher. Die Verifizierung beider Aussagen gestaltet sich als durchaus schwierig. Denn: Was heißt Durchsetzen? Was ist eine gute Profikarriere? Heißt das, wie David Alaba mit 21 Jahren das Triple zu gewinnen oder wie Emanuel Pogatetz ins Ausland zu gehen, dann zurückzukommen um abermals den Schritt ins Ausland zu wagen? Oder heißt das, wie etwa Mario Hieblinger, jahrelang eine große Nummer in einer Liga zu sein, die besser ist als die österreichische? Oder, wie etwa Thomas Pichlmann, drei Mal äußerst knapp am Aufstieg in die Serie A zu scheitern? Vielleicht ist es auch ein Philipp Hosiner, der seine Lehrjahre im Ausland verbrachte und nun um internationale Konkurrenz kämpft? Oder ein Clemens Walch, der in Stuttgart, Kaiserslautern und Dresden scheiterte, um mit 26 Jahren in Ried ein sportliches Zuhause zu finden?
Nicht nur FußballSowohl Herbert Prohaska, als auch Max Hagmayr führen einen Punkt an, den viele Menschen in der Diskussion um Transfers vergessen: Die persönliche Komponente. Unzählige junge Menschen träumen und verwirklichen Auslandssemester, in der Schule oder der Uni. Das ist eine Erfahrung für die Persönlichkeit. Eine neue Sprache, das erste Mal weit entfernt Rockzipfel der Eltern und so weiter. Letzten Endes ist das für viele Familien auch eine finanzielle Frage, die der Fußball den Söhnen des Landes oftmals ermöglicht. Sollte aus einem Philipp Prosenik (Bild rechts) doch kein Profikicker mehr werden, so hat er mit 20 Jahren zweieinhalb Jahre London und eineinhalb Jahre Mailand erlebt – schlicht auch nicht schlecht.
Eine These möglich?
Es erscheint es im Fußball schwierig, durch die im Zuge des Bosman-Urteils auf Fußballer ausgeweitete Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU statistisch zu untersuchen, kombiniert man diese mit den Vorgängen im österreichischen Fußball. Schließlich verschlief der heimische Kick in seiner Gesamtheit die Installierung eines guten, stringenten Nachwuchssystems, wie es in vielen anderen Ländern bereits Usus war. Das führt dazu, dass eine Analyse erst ab Mitte der Nullerjahre zulässig wäre, da die Frank Stronach Akademie, die erste moderne Einrichtung ihrer Art, erst 2000 gegründet wurde. Das entsprechende Pendant in der Schweiz, das Nachwuchszentrum in Payerne, wurde zwar auch „erst" 2000 gegründet, Credit Suisse unterstützt allerdings den Nachwuchs im Nachbarland sein 1993 mit großzügigem Sponsoring. Des Weiteren sollte eine Sache nicht vergessen werden, die der damalige Werder Bremen-Manager Klaus Allofs 90minuten.at verriet: Die Sprachbarriere. In der Schweiz finden Scouts aus drei respektablen Fußballländern Talente, die durch das Wegfallen sprachlicher Schwierigkeiten schnell integriert werden können.
Sample, heuristisch
Das muss alles bedacht werden, wenn Vergleiche angestellt werden. Nicht umsonst gehen Brasilianer gerne nach Portugal oder Ivorer nach Frankreich und so weiter und sofort. Wer das nicht bedenkt, glaubt auch, dass ein Tscheche wegen der Landschaft von der Gambrinus Liga in die zweite Landesliga wechselt. Darum soll für eine tiefere Analyse ein Fußballfachmann herangezogen werden. Am besten Marcel Koller. Welche Legionäre hat der Teamchef in den vergangenen zwei Jahren eingesetzt?
Als Jugendliche ohne Bundesligapflichtspiel ins Ausland: 4
Das sind Marko Arnautovic, David Alaba, Andreas Weimann und Kevin Wimmer. Die Gründe sind bei diesen vier Personen sehr unterschiedlich. Arnautovic stand in Wien sein Umfeld im Weg. Alabas Talent wurde schon von Dietmar Constantini erkannt, 2008 setzte er den damals gerade 15-Jährigen bei einem Auswärtsspiel in Altach auf die Bank. Weimann wurde gescoutet, hatte durchaus auch das Glück, dass Aston Villa die Vereinsphilosophie umstellte. Er brachte zudem zum richtigen Zeitpunkt gute Leistungen. Ein Muster ist da also nicht erkennbar. Wimmer wiederum überzeugte mit Einsätzen in der zweiten Liga und hatte wohl auch nicht wenig Glück, dass mit Peter Stöger ein Österreicher in Köln das Ruder in der Hand hält.
Kevin Wimmer hat sich vorläufig in Köln durchsetzen können, Daniel Royer ist zurück in Wien (Foto: Gepa Pictures)
Jung ins Ausland, zurück und wieder weg: 2
Julian Baumgartlinger und Emanuel Pogatetz gingen diesen Weg, bei Philipp Hosiner scheint er möglicherweise auch vorgezeichnet. Baumgartlinger kam bekanntlich von 1860 zurück, Pogatetz von Bayer Leverkusen zum GAK. Hosiner lernte ebenfalls in München, später in Sandhausen. Baumgartlinger und Pogatetz haben danach den Sprung wieder ins Ausland geschafft.
Profieinsätze in der österreichischen Bundesliga: 14
Aleksandar Dragovic, Andi Ivanschitz, Paul Scharner, Veli Kavlak, Jimmy Hoffer, György Garics, Christian Fuchs, Robert Almer, Zlatko Junuzovic, Sebastian Prödl, Jakob Jantscher, Yasin Phelivan, theoretisch auch Jürgen Säumel und Rubin Okotie. All diese Spieler kickten zunächst in der heimischen Bundesliga, bevor sie den Schritt ins Ausland wagten.
21 von 36
In Marcel Kollers 36-Mann-Kader befinden sich also 20 Spieler, die entweder im Ausland kicken oder dort einige Zeit gespielt haben. Würde nun Kollers Maßstab herangezogen werden, Scharner mit seinem Karrierende eliminiert werden, blieben 16 Spieler von 35 über, die in der Heimat spielen. Somit kann abgeleitet werden, dass die Wahrscheinlichkeit, ins Nationalteam einberufen zu werden, auch mit Profiwerden in Österreich gut funktioniert. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn man analysiert, welche Spieler auch schlussendlich im Team zum Einsatz kommen. Hier fungieren die Spieler der österreichischen Liga meistens als Backup - mit Chancen auf den einen oder anderen Einsatz. Einen gemeinsamen Nenner sucht man bei den Spielern allerdings vergeblich, was den Zeitpunkt des Transfers betrifft.
Erkenntnis: Es gibt keinen Gemeinsamen Nenner
Im Kader der U17, die jüngst in den Emiraten bei der WM spielte, befanden sich nur wenige Legionäre. Der Veilchen-Nachwuchs zeigt trotz totaler Zusammenwürfelung aufgrund der Abschaffung der U19-Meisterschaft eine respektable Leistung in der Youth League. Diese gesammelten Erkenntnisse und Fakten lassen nur einen Schluss zu: Es gibt keinen gemeinsamen Nenner bezüglich der Richtig- und Wichtigkeit von Transfers.