Das Paul-Breitner-Dossier

Paul Breitner, Scout, Welt- und Europameister und ballesterischer Adabei, kritisierte neulich bei den Kollegen auf sport10.at den heimischen Kick. Breitners Aussagen im Check. Fazit: Menschen, die ohne Ahnung viel reden, haben wir hier schon genug. Eine G

Paul Breitner Alexander Gruener wikicommonsEs liegt einiges im Argen in Österreichs Fußball. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Sei es die Verhaberung von Verantwortlichen und Medien gegenüber Peter Hyballa, sei es die Posse um drei Regionalligen und zwei Aufsteiger oder der tägliche Wahnsinn, wie im Falle zu intelligenter Trainer oder rassistischer Verbalattacken. Das schlechte Europacupjahr darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben. Und auch wenn es prinzipiell begrüßenswert ist, dass sich Personen in der Öffentlichkeit kritisch zum österreichischen Fußball äußern, muss man eines Sagen: Die Analyse von Paul Breitner über den österreichischen Kick hat keine Substanz.

 

Als ich ihn vor vier oder fünf Jahren zum ersten Mal in einer unserer Jugendmannschaften beobachtet habe, sagte ich zu meinen österreichischen Bekannten und Freunden mit großer Freude, dass ich den besten österreichischen Fußballer, den Österreich in den letzten 50 Jahren hatte, gesehen habe. Damals hielten mich - wieder mal - alle für verrückt. Aber: David Alaba ist auf dem Weg dahin.< /div>< /div>


Paul Breitner mag für verrückt gehalten worden sein, aber bereits im April 2008 gab es Medienberichte, wonach nicht nur Bayern München, sondern unter anderem auch Chelsea FC und Manchester United den Youngster beobachten ließen. Dementsprechend ist es ein Irrglaube, dass Breitner der Einzige war, der das große Potential des Spielers erkannte. Immerhin setzte ihn Austria-Interimstrainer Dietmar Constantini bereits am 13. April 2008 bei einem Auswärtsspiel des FAK in Altach auf die Bank. Alaba war damals noch nicht einmal 16 Jahre alt. Lange Rede, kurzer Sinn: Es hat nicht Paul Breitner gebraucht, um David Alaba zu entdecken un ein Mann seines Talents wäre über kurz oder lang zu einem Topklub gekommen.

 

Wenn der Letzte oder Vorletzte immer wieder den Ersten oder Zweiten schlagen kann, ist das ab und zu vielleicht lustig, aber insgesamt ein Zeichen von Schwäche. Da fehlen die absolute Spitze und die absolute Klasse. Zwei Mannschaften geben den Takt vor, an dem sich der Rest orientieren kann und an den man heran kommen will. So wird vom Rest eine Steigerung der Qualität gefordert. So setzt man ein Zeichen für die Klasse einer Liga. Das passiert jedoch nicht, wenn Hinz und Kunz Dortmund oder die Bayern schlagen können.< /div>< /div>

 

Dieser Absatz muss zweigeteilt werden. Einerseits geht es um die Annahme, eine Liga, in welcher ein, zwei Mannschaften den Takt vorgeben, wäre per se besser als eine, die viele verschiedene Taktgeber habe. Seit der Saison 2002/03 gibt es in Österreicher diese Taktgeber im Großen und Ganzen, Ausnahmen bestätigten die Regel: Die Austria wurde 2003 Meister, '04 Vizemeister, '06 Meister, '10 Vizemeister. Rapid wurde 2005 und 2008 Meister, '09 und '12 Vizemeister, Red Bull Salzburg war seit der Lizenzübernahme nie schlechter als Zweiter. Über einen längeren Zeitraum gesehen sind diese drei Mannschaften die bestimmenden Teams in Österreich.

Interessant ist jedoch auch die Annahme, dass Hinz und Kunz jeden schlagen könnten. Anhand der absoluten Anzahl der Niederlagen von Meister und Vizemeister ist festzuhalten: Deutschlands Meister und Vizemeister mussten in den letzten zehn Jahren im Schnitt gemeinsam 11,8 Niederlagen pro Saison einstecken. In England waren es nur 8,2 Niederlagen für die beiden Top-Teams, in Spanien 10 und in Österreich 14,6 (hoch- bzw. runtergerechnet auf eine Basis von 34 Spieltagen). Kroatien kommt in den letzten drei Jahren, seit Einführung der Sechzehnerliga, auf einen Wert von 10,6 Niederlagen für die beiden Spitzenteams der Liga. Die Ligengröße selbst, siehe Schweiz, ist kein brauchbarer Indikator für die Qualität an sich. Noch dazu ist es sicherlich falsch, Dortmund ins Gespräch zu bringen. Zunächst gab es 2004 eine gerade noch abgewendete Insolvenz. Des Weiteren landete Jürgen Klopp in seinen ersten zwei Saisonen auch „nur" auf den Ränge fünf und sechs. Die Dominanz von Bayern und Dortmund ist also eher eine Momentaufnahme und von den 90ern weg bis 2004 auf eher schwachen Beinen gestanden.

 

Ich wüsste nicht, wo die österreichische Liga aufgeholt hat. Denn ich wüsste auch nicht, wann die österreichische Liga international irgendwo auch nur ansatzweise eine Rolle gespielt hätte. Das habe ich schon vor Jahren gesagt, als Herr Mateschitz Salzburg übernommen hat und man meinte, jetzt könnte man die Champions League aufmischen. Das ist doch Unsinn! Das wird nie passieren. Die Spieler, die du dafür brauchst, bringst du nicht nach Salzburg, selbst wenn du sie mit Geld zuschüttest. Niemand, der internationale Klasse und Qualität hat, will hier vor 3000 Zuschauern spielen. Deswegen geht International auch nichts weiter.< /div>< /div>

 

Die österreichische Liga lag im internationalen Vergleich nach dem UEFA Country Ranking 2002/03 auf Rang 16, 2006/07 auf Platz 22. Für 2013/14 winkt Platz 14, der fünfte Startplatz verschwindet aber schnell wieder. Was hat sich im Gegensatz zu 2002/03 geändert? Eigentlich gar nicht so viel. Denn damals hinter, nun vor Österreich, ist Russland – und es wird wohl niemand ernsthaft erwarten, dass Österreichs Klubfußball mit dem riesigen Land mithalten kann. Zwar ist die Einwohneranzahl keinesfalls ein guter Indikator für die Stärke der Vereine, aber lediglich die Schweiz, Griechenland und Belgien liegen vor Österreich und haben irgendwie noch vergleichbare Einwohnerzahlen. Bei allem Geunke steht die Bundesliga, wo sie zu stehen hat. Ein bisschen Luft nach oben gibt es, mehr aber auch nicht.

Des Weiteren ist es keinesfalls ausgeschlossen, die Champions League bis zu einem gewissen Punkt aufzumischen. 2002/03 standen der FC Basel und die damals aus einer vergleichsweise schwachen Liga stammenden Lok Moskau in der Zwischenrunde. Im Jahr darauf war dort unter Anderem Sparta Prag. 2010/11 schaffte der FC Kopenhagen den Sprung ins Achtelfinale, in der letzten Saison wieder Basel und APOEL Nikosia. Interpretiert man das Überstehen der Gruppenphase als „Aufmischen", dann könnte sich das ausgehen.

 

Die können gar nicht früh genug ins Ausland gehen. Sie sollten davor bewahrt werden, Fußball-Österreicher zu werden. Du kommst nicht weiter, wenn du bis zu deinem 25. Lebensjahr scheiberlst und Pfitschigogerl spielst.< /div>< /div>


Solch kategorische Aussagen sind schlichtweg ein absoluter Blödsinn. Daniel Sikorski (heute Wisla Krakau), Marcel Holzmann (SKN St. Pölten), Dominic Burusic (Admira), Wolfgang Schober (Ried), Christoph Knasmüllner (Ingolstadt), Dominik Traunmüller (zuletzt U'haching) und Philipp Rehm (unbekannt) sind nur einige Namen, die jung ins Ausland gingen und scheiterten. Den Weg des „Scheiberlns und Pfitschigogerlns", also Stammspieler in Österreich zu sein und dann ins Ausland zu wechseln, haben dagegen aus dem aktuellen Nationalteamkader Robert Almer, Aleksandar Dragovic, Christian Fuchs, György Garics, Sebastian Prödl, Andreas Ivanschitz, Jakob Jantscher, Zlatko Junuzovic, Veli Kavlak und Marc Janko genommen. Es gibt nicht den einen, einfachen Weg. Auch ein 25-Jähriger kann nach zehn Jahren noch nach Deutschland wechseln. Es gibt keine richtige und keine falsche Antwort – auch wenn eine Ausbildung bei einem internationalen Topklub kein Fehler ist. Aber von Verein X zu Y zu tingeln und nie zu spielen, ist definitiv falsch.

 

Breitner ist nicht informiert
Welche Maßstäbe auch immer Paul Breitner haben mag, sie reichen nicht aus. Der Deutsche ist nicht informiert genug, um eine relevante Meinung zum heimischen Fußball zu haben. Und eines ist aus meiner Sicht noch ganz wichtig zu erwähnen:

Ich rede mir seit Jahrzehnten das Maul fusslig, weil ich mit einer Österreicherin verheiratet bin, weil ich zehn Jahre in Freilassing den österreichischen Fußball von der Pike auf gelernt habe, weil ich zweimal kurz davor war, österreichischer Teamchef zu werden, weil ich mich doch ein bisserl auskenne und weil ich möchte, dass man hier endlich aufwacht, die Augen öffnet und sich nicht weiter selber belügt.< /div>< /div>

 

Gott sei Dank kam es nie zu einem Engagement als heimischer Teamchef. Denn Menschen, die ohne Ahnung viel reden, haben wir hier schon genug!