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Klassenkampf? Existenzbedrohend! Keine Fans im Unterhaus aus reinem Populismus

Viele Klubs im niederösterreichischen Amateurbetrieb stöhnen: Wo die Corona-Ampel ab 5. Oktober auf Orange springt, sind keine Zuschauer mehr erlaubt. Das ist purer Populsimus von den Verantwortlichen.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Ein Kommentar von Georg Sander

 

Das Corona-Virus hat den Sport nach wie vor im Griff, mit Präventionskonzepten, Testungen, Abstand, Masken und Co. versuchen die Klubs von der Bundesliga in die letzte Klasse runter Spiele der Kampfmannschaften und der Nachwuchsteams zu ermöglichen. In Amateurligen gilt wie in der Bundesliga: Ein bisschen Geld braucht es. Es sind Aufwandsentschädigungen zu zahlen, der Platz in Schuss zu halten, vielleicht der eine oder andere Spieler auf der Gehaltsliste.

Möglich machen das in unteren Ligen die Matchtageinnahmen, Sponsoren und die Kantinen. Genau das verunmöglicht nun die niederöstereichische ÖVP-Landesregierung. Ab 5. Oktober gilt: Keine Zuschauer mehr, wenn die Corona-Ampel auf orange springt. Die betroffenen Klubs, so berichtet es die 'NÖN' wollen deshalb nicht spielen. Auch der mit 30. September auslaufende NPO-Hilfsfonds dürfte eine Rolle spielen, eine Verlängerung der Hilfen wurde in Aussicht gestellt, ist aber noch nicht durch. Die Frage, die sich stellt ist aber: Warum muss ausgerechnet der Freizeitdienstleister Fußball ohne Zuschauer auskommen?

 

Zahlen, bitte!

Laut Land Niederösterreich gab es seit der 35. Kalenderwoche, also dem 24. August, 691 Ansteckungen im Haushalt bzw. durch Familienangehörige, 291 am Arbeitsplatz, 277 unter Freunden im Privatbereich. 108 verfallen auf die Gastronomie, 90 auf den Sport, 79 auf mittlere und höhere Schulen, 76 auf die Kultur. Irmgard Lechner, Leiterin der Landessanitätsdirektion, empfahl aufgrund der stark steigenden Zahlen, im öffentlichen Raum Einschränkungen vorzunehmen. Sport muss nun auf Zuschauer verzichten, die Kultur darf statt 3.000 nun immerhin noch 1.000 Besucher bei Outdoor-Events haben.

Das folgt ungefähr gar keiner Logik, außer, dass man halt irgendeine Maßnahme setzen möchte und da kann man schon einmal den Sport hernehmen. Vielleicht, weil das aus Sicht des Landhauses in St. Pölten sowie so nur der Proletensport ist. Die Kulturverantaltungen, auf denen sich die wichtigsten Gesichter des Landes zeigen, die vermutlich auch den einen oder anderen Euro mehr im Geldtascherl haben als der durchschnittliche Fußballfans, dürfen sich weiter treffen. Weil wenn in der Kultur nur noch 1.000 statt 3.000 Menschen erlaubt sind (indoor 250 statt 1.500), werden die Veranstalter vermutlich auch eher nicht die VIP-Karten reduzieren.

 

Klassenkampf

"Unsere Argumente, dass z.B. Kulturveranstaltungen in geschlossenen Räumen zulässig sind, dass es keinen erkennbaren Grund gibt, in der Bundesliga Zuschauer zu erlauben, im Amateurbereich jedoch zu verbieten,…. wurden leider nicht berücksichtigt. Tatsächlich sind nur 6 Prozent (90 Infektionen) aller nachweislichen Infektionsfälle dem Sport zuzuordnen", erklärt der niederösterreichische Fußballverband nach einer Sitzung am 29. September.

Der zuständige Landesrat Jochen Danninger (ÖVP), der das Problem beim Kantinenbesuch nach den Matches ortet, zeigt sich offenbar uneinsichtig. Es ist offenbar egal, auch wenn der NÖFV den Vorschlag gemacht hatte, "einen Kioskbetrieb zuzulassen, [dieser] wurde mit einer möglichen Ungleichbehandlung der normalen Gastronomie mit der Kantinegastronomie (im Falle eines durchgehenden Betriebs auch außerhalb der Öffnungszeit der Sportanlage) abgelehnt." Und es liegt keine Ungleichbehandlung zwischen Kultur und Sport vor? Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass derartige Videos mit Sicherheit Wasser auf die Mühlen derer sind, die den Sport einschränken wollen, das Aber folgt dann unterhalb!

 

Der Sport ist wieder einmal egal

10.000 Fans, dann 5.000, nun 3.000 oder kurzfristig 500 wie in Altach, ein ungaublicher Aufwand für kleinere Vereine, Sitzplätze zuzuweisen, triste wirtschaftliche Aussichten, ein Behördenwirrwarr erster Güteklasse ohne ersichtliche Faktenbasis. Szenen wie aus dem obigen Video könnten ja durchaus auch verboten werden, wenn man nur wollte. Aber Corona ist nicht nur eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise, sondern offenbart einmal mehr den Unwillen der heimischen Politik, sich ernsthaft mit dem Sport auseinander zu setzen. Den Fans ihren Amateurkick zu verbieten, ist billigster Populismus ohne Faktenbasis. 

Es ist der nächste Schlag ins Gesicht der Sportvereine, die sich unter widrigsten und undurchsichtigsten Bedingungen darum kümmern, Freizeitspaß für Fans und Bewegung für die Jugendlichen und Kinder anzubieten - was im übrigen die Politik im Allgemeinen und im Speziellen seit 1986 mit kurzen Unterbrechungen mitregierende und in Niederösterreich alleine regierende ÖVP auf Bundesebene mit der täglichen Turnstunde in der Schule im Übrigen nicht schafft.

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