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Krammers Problem

Damir Canadi ist Michael Krammers Erfindung. Und der Coach sollte bald Punkte liefern, sonst wird es auch für den Präsidenten des SK Rapid ungemütlich. Eine Gegenansicht von Georg Sander

Seit Einführung der Dreipunkteregel war das Punktekonto des SK Rapid so spät in der Saison noch nie so schlecht gefüllt. Damir Canadi trägt daran eine Teilschuld, aber schon der Rauswurf von Zoran Barisic kann und muss heute als Ausgangspunkt für viele Fehler heran gezogen werden. Nicht nur retrospektiv gesehen war auch der Zeitpunkt der Canadi-Loseisung von Altach schlecht gewählt. Einige große Spiele standen an, die Wahrscheinlichkeit, mit einer Handvoll Erfolgserlebnissen gegen Tabellennachzügler zu punkten, war nicht sonderlich groß. Warum man nicht einen Interimscoach bis Winter arbeiten ließ und reinen Tisch für Canadi zu machen, muss man sich heutzutage schon fragen. Die Antwort: Michael Krammer musste wenige Tage vor der Hauptversammlung als Macher dastehen, der Rapid aus dem Dreck zieht. Für dieses Ziel wurde die übliche Vorgehensweise, zunächst einen Sportdirektor zu suchen, der sich dann einen Trainer holt, geopfert. Im Interview mit 90minuten.at im Dezember meinte Krammer auf die Frage, warum man auf einen Interimstrainer verzichtet hat: "Das wäre eine Möglichkeit gewesen, wir haben uns aber dagegen entschieden, weil die Lage so angespannt war. Daher wollten wir nicht mit einem Interimstrainer weitermachen und dann noch eine Veränderung in Kauf nehmen müssen, wenn dann endgültig der neue Trainer kommt."

 

"Noch gehen die mächtigen Fans mit, noch wartet man, dass der Knopf aufgeht."

Dass eine übergeordnete sportliche Instanz bei der Wahl zum Trainer Canadi gefehlt hat, ist offensichtlich. "Der Personalausschuss besteht von Präsidiumsseite aus Martin Bruckner, Gerhard Höckner und mir. Dazu kamen in diesem Fall der Günther Kaltenbrunner, der die Sport-Insight mitbringt, Christoph Peschek und der Vorsitzende des Beirats der SK Rapid GmbH, Robert Grüneis", sagte Krammer im 90minuten.at-Interview im Dezember über den Personenkreis, der den Trainer bestimmt hat. 

 

Canadi ist also in erster Linie Krammers Trainer. Nicht wie Barisic, der schon da war. Nicht wie Büskens, der eine "alternativlose" Idee des Sportdirektors Müller war. Die Saison ist nur noch durch eine Europacup-Quali über den Cup irgendwie rett- und schönredbar. Cup und Rapid, das ist aber auch keine Liebesbeziehung. Vor der Länderspielpause wartet nun der SV Mattersburg, dann folgen Ried und der SKN. Rapid und die „Dorfplätze“. Auch das ist in den letzten Jahren nicht unbedingt eine Bank für Grün-Weiß gewesen.

 

Auch der Überschuss garantiert keinen sportlichen Erfolg

Aber es geht auch um den Ausblick. Damir Canadi bevorzugt als Trainer eine spezielle Taktik, die besondere Spieler braucht. Michael Krammer und die gesamte Rapidfamilie können nur beten, dass Rapid ab Sommer funktioniert. Das wird schwierig genug, fehlt doch durch die noch auf der Payroll stehenden gechassten Trainer und Betreuer das nötige Kleingeld für große Spieler. Wäre es nicht schon schlimm genug, droht Rapid bei anhaltender sportlicher Misere über das Saisonende hinaus ein Kader, der auf einen speziellen Coach zugeschnitten ist, mit einer speziellen Taktik. Fällt der Europacup weg, dann muss man den mühsam erarbeiteten Überschuss (elf Millionen!) des letzten Jahres anzapfen. Da sind dann finanziell keine großen Sprünge mehr möglich. Abgesehen davon: Traustason und Mocinic waren teuer, man hat sich viel erwartet, bisher sind sie aber nicht besonders hervorgestochen.

 

Michael Krammer kann gar nichts anderes machen als zu hoffen, dass das Werkl doch irgendwie noch zu laufen beginnt. Noch gehen die mächtigen Fans mit, noch wartet man, dass der Knopf aufgeht. Aber selbst wenn es bei der ersten Mannschaft klappen sollte, bleibt da noch der Nachwuchs. Den hat Zoran Barisic mit einer ganz anderen Art von Fußball beinahe erstmals in der Rapid-Geschichte auf Schiene gebracht. Und diese Jungs müssen bei Canadi jetzt ziemlich anders spielen. Außerdem: Der Kader ist jetzt schon viel zu groß, da wird es aktuell schwer für junge Spieler, raufzukommen.

 

Canadi braucht Punkte, irgendwie

Mag sein, dass Damir Canadis ausgeklügelte Taktik sehr gut ist, wenn die Ergebnisse aber auch in den nächsten Wochen ausbleiben, wird es für ihn ungemütlich. Nicht auszudenken, sollte man zumindest für ein, zwei Wochen einen der drei letzten Plätze einnehmen. Ja, Canadi hat oft Klubs in schwierigen Situationen übernommen und diese da raus geführt. Eine Garantie, dass das bei Rapid klappt, gibt es nicht und in Hütteldorf wird es auch nicht so lange ruhig bleiben wie bei seinen bisherigen Stationen. Zudem, so hört man, soll Canadis Arbeitsweise in Hütteldorf nicht bei allen gut ankommen. Kurz gesagt: Hütteldorf ist eben nicht Altach. 

 

Dann kommt eben noch dazu, dass sich Michael Krammer quasi an den Trainer ausgeliefert hat. Das hat schon dem Sportdirektor Andi Müller den Kopf gekostet. Der Rapid-Präsident sollte also wohl am ehesten noch in nächster Zeit die Kapelle im Allianz-Stadion aufsuchen – und beten, dass seine Mannschaft die Feldüberlegenheit langsam in Punkte ummünzt, dass die Goldgräber endlich auf Gold stoßen. Denn an Canadi und dessen Erfolg hat er sich gebunden. Ob er will oder nicht.

 

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