Sieg gegen die Go Ahead Eagles und damit erstmals in der Europa League voll angeschrieben (Ergebnis >>>); in der ADMIRAL Bundesliga 13 Punkte aus den letzten fünf Spielen - für Jubelmeldungen ist es noch zu früh, aber Red Bull Salzburg verlässt das Tal der Tränen. Wie weit die "Bullen" dabei sind, wird sich in den nächsten Wochen weisen.
Dann wird auch klar sein, wer der Nachfolger von Rouven Schröder wird. Wie viel Hilfe die Salzburger dabei vom Global Head of Soccer Jürgen Klopp brauchen, macht man sich traditionell intern aus. 90minuten analysiert dennoch, was der neue Geschäftsführer Sport können muss, um Wirtschaftspendant Stephan Reiter zu ergänzen.
Generell gilt: Wenn ein neuer Sportchef gesucht wird, soll er zuweilen eine Vereinsphilosophie entwickeln oder wieder finden. Diese Aufgabe bleibt dem neuen starken Mann an der Salzach weitgehend. Die "Bullen" stehen für junge, hungrige Spieler und Dominanz, Umschaltspiel sowie hohes Pressing.
Und das Verkaufen der Kicker funktioniert noch immer. Die Sommereinnahmen von kolportierten 65 Millionen Euro sind mit den Hochzeiten nach dem Europa-League-Halbfinale vergleichbar. Mit Joane Gadou, Maurits Kjaergaard, Sota Kitano, Kerim Alaijbegovic oder Clement Bischoff - und wie sie alle heißen - gibt es eine Reihe an Kickern, die recht sicher in den kommenden Jahren viele Millionen bringen.
Der Trainer steht im Fokus
Vieles von dem, was falsch läuft bzw. lief, ist tatsächlich Aufgabe der täglichen Arbeit des Trainerteams. Das bedeutet nicht, dass es an allem schuld ist. Vielleicht sollte man daran erinnern, dass Roger Schmidt 2012/13 keinen Titel gewonnen hatte. Ein großer Kaderumbau dauert eben – und den muss der neue Mann gestalten. Es wirkt aktuell wenig wahrscheinlich, dass ein Schröder-Nachfolger auf dieser Position tätig wird.
Klar glänzt nicht alles und man muss die Statistiken schon sehr genau ansehen, um zu sehen, dass Letsch besser ist als Lijnders. Ja, nach 13 Runden hatte der Niederländer gleich viele Punkte und spielte immerhin Champions League. Aber einerseits schießen die "Bullen" mehr Tore, andererseits scheint das Team homogener als noch vor einem Jahr. Um sich wieder einen Titel zu schnappen, benötigt es klarerweise mehr.
Jacob Rasmussen zu langsam, Anrie Chase zu verletzt, Joane Gadou ist wie der ebenfalls verletzte John Mellberg und Eigengewächs Jannik Schuster sehr jung. Kurz: In der Innenverteidigung brauchen die Salzburger ein Wunder, einen Wunderheiler oder – wahrscheinlicher – einen weiteren Abwehrspieler.
Österreichern jeden Alters kommt eine Schlüsselposition im Umgang mit den Fans zu Gute. Schwächephasen werden eigenen Burschen eher verziehen als einem Legionärshaufen.
An vorderster Front muss man sich fragen, ob der auch erst 24-jährige Yorbe Vertessen nebst dem bereits 33 Jahre alten und verletzungsanfälligen Karim Onisiwo die notwendige Ruhe und Erfahrung mitbringt, um langfristig zu knipsen. Gerade wenn sich abzeichnen sollte, dass Karim Konaté im Frühjahr 2026 nicht zurückkehren wird, braucht es auf dieser Position einen, der schnell helfen kann. Mäßig bis kein Handlungsbedarf besteht aktuell im Tor und Mittelfeld, zumindest dann nicht, wenn die vorhandenen Kicker wieder fit sind.
Identifikation ermöglichen
Mit Onisiwo und im Sommer Stefan Lainer tätigte Red Bull Salzburg zwei Transfers, die unter anderem darauf abzielen, rot-weiß-rot wieder vermehrt in den Vordergrund zu stellen. Mit Keeper Christian Zawieschitzky, Innenverteidiger Jannik Schuster oder Rechtsverteidiger Tim Trummer gaben Landsleute Talentproben ab.
Justin Omoregie und Valentin Sulzbacher sind genauso Themen für die Zukunft wie all die Burschen, die sich derzeit vermehrt mit österreichischem Pass beim FC Liefering tummeln. Österreichern jeden Alters kommt eine Schlüsselposition im Umgang mit den Fans zu Gute. Schwächephasen werden eigenen Burschen eher verziehen als einem Legionärshaufen.
Kamen in der letzten Meistersaison 12.376 Zuseher im Schnitt in die Bullen-Arena, waren es 2023/24 immerhin 12.069, letztes Jahr 9.271, aktuell bewegt man sich in einem ähnlichen Bereich (9.485). Mag sein, dass ein Rückgang von rund 25 Prozent von 2022/23 auf 2024/25 in Salzburg finanziell weniger schwer wiegt als in Wien, Graz oder Linz – sich dieser Entwicklung hingeben darf man aber nicht.
Der Auftrag an die neue sportliche Leitung muss also sein, durch das gezielte Fördern des heimischen Nachwuchses wieder vermehrt Eigengewächse am Feld zu haben. Dazu ist eine Planung gemeinsam mit der Akademie und Kooperationsklub Liefering unerlässlich.
Transferstrategie anpassen
Zwar ist man es in Salzburg gewohnt, Legionären die Daumen zu drücken, aber es ist nicht mehr 2018. Andere Länder wie die Türkei, Tschechien, Norwegen, Dänemark, Ungarn oder Polen schlafen nicht. Die Scouts der großen Ligen sind mittlerweile überall unterwegs.
Ein Beispiel: Die zehn teuersten Transfers der heimischen Bundesliga fanden alle von Salzburg aus statt, sie waren im Schnitt 26,6 Mio. € schwer und fanden zwischen 2014/15 (Sadio Mané) und 2024/25 statt (Strahinja Pavlovic). Die polnischen Toptransfers zwischen 2017/18 und 2025/26 brachten im Schnitt 8,46 Mio. €. Von denen gingen zwar im Gegensatz zu Österreich vier nicht in die absoluten Topligen, aber wieso sollte man für ähnliche Spielerprofile 20 Mio. € nach Salzburg überweisen, wenn es diese um die Hälfte in Polen gibt?
Zudem setzen mit Sturm oder Rapid weitere Vereine im eigenen Land auf die Idee, noch-nicht-Stars zu finden, zu entwickeln und zu verkaufen. Überspitzt formuliert kann es sich jeder finanziell halbwegs gut aufgestellte Klub leisten, in subsaharischen Akademien fünf ambitionierte Kicker zu finden und zu hoffen, dass einer davon einschlägt.
Der "klassische" RB-Pressing-Fußball hat seine Grenzen eigentlich schon erreicht; das zeigt sich nicht nur an der Salzach, sondern gewissermaßen auch im Nationalteam
Das bedeutet für den kommenden Sportdirektor, dass man sich besser überlegen muss, welche Spielerprofile für den "Fußball von Morgen" notwendig sind, wo man sie findet. Da kann es dann sein, dass man die typischen Sommertransfers aus aller Herren Länder "hintan" stellt, einmal in den Nachwuchs schaut und dann vielleicht weniger zwei, drei Millionen hier und dort ausgibt, sondern den einen oder anderen Kracher im gestandenen Alter holt.
Spielstil weiterentwickeln
Um all das zu können, braucht es eine klarere, upgedatete Idee, die wirklich zeigt, wie der Fußball des Meisters einer Platz 8- bis 15-Liga Europas aussieht. Der "klassische" RB-Pressing-Fußball hat seine Grenzen eigentlich schon erreicht - das zeigt sich nicht nur an der Salzach, sondern gewissermaßen auch im Nationalteam, Leipzig oder bei sonstigen Klubs, die auf intensiven (Gegen-)Pressingkick setzen.
Es ist Aufgabe der obersten sportlichen Leitung, die Spielerprofile so zu gestalten oder entwickeln, damit es egal ist, ob der Trainer Cinel, Lijnders oder Letsch heißt. Dass man die Offensivbonusspieler, wie Kerim Alaibegovic, Sota Kitano oder Oscar Gloukh, von außen holen muss, kann nur zwei Gründe haben: Entweder man vertraut der Arbeit bei Liefering bzw. der Akademie nicht, oder es gibt diese Spieler dort nicht.
Nachdem es unwahrscheinlich ist, dass Kicker, die für Salzburg infrage kommen, dermaßen selten sind, liegt es in beiden Fällen daran, dass derartige Talente nicht (ausreichend) gesucht und gefördert werden. Es ist halt schon ein Zeiterl her, dass Sucic, Dedic oder Kameri in der Kampfmannschaft gelandet sind.
Gerade letzterer zeigt zudem, dass es zuweilen nicht immer funktioniert, offensichtlich talentierte Spieler großzumachen - bzw. auf ein Niveau von Szoboszlai oder Haaland zu heben.
Eierlegende Wollmilchsau
Um diese Checkliste abzuarbeiten, braucht es natürlich mehr als nur ein paar Monate Zeit. Der neue Mann muss sich auf Jahre committen und so gut ausgewählt werden, dass der Job nicht eine Nummer zu groß ist (Bernhard Seonbuchner) oder eh alles andere spannender ist (Rouven Schröder).
Wenn die Red-Bull-Arena wieder zu einer Festung werden soll und der Fußball tatsächlich wieder so prägend sein soll wie gegen Mitte/Ende der Zehnerjahre, sucht man bei Salzburg wohl die fliegende, eierlegende Wollmilchsau - aber eben ein bisschen anders, als viele andere Vereine, die zuerst einmal sich selbst suchen müssen.
Die für all das oben genannten notwendigen Skills bedingen aber, dass es jemand mit Erfahrung, Netzwerk, den richtigen Kommunikationsfähigkeiten und Ausdauer sein muss. Wo Salzburg diesen Charakter finden soll, ist deren Problem.
Internationale Namen, heimische Größen wie Schicker oder Katzer, Newbies mit Stallgeruch – denen sind diese Aufgaben eher nicht zuzutrauen, weil sie nicht das Paket abbilden, das es braucht.
Georg Sohler