Es geht um die Wurst! Das ÖFB-Team bestreitet auf Zypern (Sa., ab 18 Uhr im LIVE-Ticker) das erste der beiden Endspiele in der WM-Quali.
Chefredakteur Harald Prantl und 90minuten-Gründer Michael Fiala diskutieren vier Thesen der Redaktion:
These: Wenn sich Ralf Rangnick mit dem ÖFB-Team nicht für die WM qualifiziert, war er im Endeffekt kein besserer Teamchef als Franco Foda.
Michael Fiala: Nein, das sehe ich nicht so. Ralf Rangnick hat das österreichische Nationalteam in neue Höhen geführt, die man unter seinem Vorgänger Franco Foda nicht gekannt hat. Nur zur Erinnerung: In der Ära Foda gelang dem ÖFB-Team in einem Pflichtspiel kein einziger Sieg gegen einen in der Weltrangliste besser platzierten Gegner.
Und: In der Qualifikation für die WM 2022 belegte das Foda-Team Platz vier, hinter Dänemark (11 Punkte Rückstand), Schottland (7 Punkte Rückstand) und Israel. Abgesehen von dieser Diskussion, ob es im Vergleich zu Foda "besser" geworden ist: Wenn Österreich die Qualifikation jetzt doch noch verpassen würde, dann sind "wir" jedenfalls wieder im Tal der Tränen angekommen.
Harald Prantl: Die Bewertung ist Definitionssache. Aber zunächst mal: Dass das ÖFB-Team diese Quali noch verhaut, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Wie dem auch sei, gehen wir mal davon aus, es geschieht doch. Wer im Tal der Tränen getrübten Blickes nur die nackten Zahlen, also Turnier-Teilnahmen und -Ergebnisse, betrachten will, dem sei das Urteil dieser These unbenommen.
Zum Glück ist aber Fußball weit mehr als nur nackte Zahlen und der Teamchef-Job auch mehr als nur das Einfahren von Ergebnissen. Und in dieser Hinsicht hat Rangnick den österreichischen Fußball definitiv weitergebracht. Die Euphorie rund um das Team ist ebenso wie die Professionalität gestiegen. Rangnick legt auch abseits davon gerne den Finger in diverse Wunden und stößt damit wichtige Diskussionen an.
These: Schöner Fußball ist in dieser Woche nebensächlich: Wenn das ÖFB-Team beide bevorstehenden Spiele so dreckig gewinnt wie das Hinspiel gegen Zypern, nimmt das jeder österreichische Fußball-Fan mit Handkuss.
Harald Prantl: Ja, natürlich. Im Grande Finale einer WM-Qualifikation werden keine Schönheitspreise vergeben. Es geht einzig und alleine darum, endlich wieder mal das WM-Ticket zu lösen. Und wenn es zwei Unentschieden sind, wird sich am Ende des Tages auch keiner beschweren, weil es eben reicht.
Dass das ÖFB-Team unter Rangnicks Anleitung schon besser und attraktiver gespielt hat, als über weite Strecken des Jahres 2025, sei der Vollständigkeit halber aber trotzdem erwähnt.
Michael Fiala: Ja, da kann ich Harald nur zustimmen. Wenn die Qualifikation gelingt, fragt in der Sekunde des Schlusspfiffs niemand mehr, wie das gelungen ist. Die Euphorie, die dann entstehen würde, wäre aus jetziger Sicht kaum abzuschätzen.
Dennoch wird es dann eine wichtige Aufgabe der Medien und natürlich in erster Linie auch des Teams um Ralf Rangnick sein, die richtigen Schlüsse aus dieser WM-Qualifikation zu ziehen. Denn eines haben wir hoffentlich mit Verweis auf die vergangenen drei Euro-Turniere noch nicht vergessen: Euphorie kann den Blick auf das Wesentliche auch behindern.
These: Mehr Spielpraxis als Alexander Prass und Phillipp Mwene gesperrt: Marco Friedl hat sich die Chance verdient, gegen Zypern als Linksverteidiger aufgestellt zu werden.
Michael Fiala: Die nackten Zahlen sprechen natürlich dafür, dass Marco Friedl jedenfalls ein ernsthafter Kandidat für die Position des Linksverteidigers ist. Friedl stand in dieser Saison bei jedem Meisterschaftsspiel, bei dem er fit war, in der Startelf und wurde erst einmal ausgewechselt. Er ist also ein Dauerläufer, ganz im Gegensatz zu Alexander Prass, der in den vergangenen fünf Meisterschaftsspielen auf gerade Mal 60 Einsatzminuten gekommen ist. Zusatz: Prass kam aber zumindest – so wie Friedl – bei jedem Meisterschaftsspiel zum Zug.
Es wäre also aus meiner Sicht absolut vertretbar, beide Spieler in Betracht zu ziehen, ohne, dass man aufgrund der Spielpraxis besondere Nachteile zu erwarten hat. Ralf Rangnick hat daher nur eine Entscheidung zu treffen: Wer passt für das Zypern-Spiel besser in sein Konzept?
Harald Prantl: Ach, zünden wir die Diskussion wieder an, ob Spieler ohne große Spielpraxis beim Verein im Nationalteam zum Zug kommen sollten? Soll David Alaba nicht mehr spielen, wenn er fit ist? Hätte Marko Arnautovic bis vor seinem Wechsel von Inter nach Belgrad auf der Bank sitzen sollen? Und was war mit Nicolas Seiwald und Christoph Baumgartner?
Zur Linksverteidiger-Frage: Es ist für mich schwer vorstellbar, dass Rangnick in einem so entscheidenden Spiel, auf Marco Friedl als Linksverteidiger setzt, den er im ÖFB-Team zum letzten Mal 2022 dort aufgestellt hat. Friedl selbst hat auf Nachfrage am Dienstag gesagt: "Ich glaube, dass Innenverteidiger in Zukunft für mich die Position sein wird, die ich bei Werder Bremen und im Nationalteam spielen werde." Kann aber natürlich ein Bluff gewesen sein...
These: Zuletzt in Entscheidungsspielen immer geschwächelt: Österreich sollte Rumänien am Samstag alle Daumen drücken, um es nicht auf ein Finale am Dienstag ankommen zu lassen.
Harald Prantl: Ja, die jüngere Bilanz in Entscheidungsspielen (Türkei, Slowenien, Serbien) stimmt tatsächlich ein wenig nachdenklich. Aber Serien sind bekanntlich da, um gebrochen zu werden. Und dem ÖFB-Team darf in diesem Zusammenhang schon zugetraut werden, aus diesen Niederlagen gelernt zu haben.
Aber natürlich wäre es für das nationale Nervenkostüm schonender, wenn die Sache schon am Samstag erledigt wäre. Ich glaube übrigens nicht, dass Bosnien-Herzegowina gegen Rumänien gewinnt.
Michael Fiala: Auf ein Finalspiel am Dienstag in Wien kann ich sehr gut verzichten. Aber nicht (nur) deswegen, weil die letzten drei dieser Entscheidungsspiele, wie von Harald schon angesprochen, negativ ausgegangen sind.
Es wäre einfach extrem entspannend, wenn die Fans am Dienstag im vollen Happel-Stadion von Anfang an eine WM-Quali-Party feiern könnten.
Michael Fiala
Harald Prantl