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Kann Marcel Koller aus seiner Haut fahren?

Marcel Koller ist dringend gefordert, sich personelle und taktische Alternativen zu überlegen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass dies nicht unbedingt zu erwarten ist. Ein Kommentar von Michael Fiala

 

Wer hätte sich gedacht, wie sehr sich die Stimmung auf dem Pressekonferenz-Podium innerhalb eines Jahres so drehen kann: Vor rund einem Jahr saß Marcel Koller mit Baguette und Baskenmütze und ließ sich und sein Team zurecht feiern, voller Vorfreude auf die Europameisterschaft. Gestern Abend: Der Schweizer, der nie ein Wunderwuzzi sein wollte und auch keiner ist, ist angeschlagen. 

 

Bereits vor dem Spiel hörte man eine Frage mehr oder weniger direkt zum ersten Mal in Kollers Amtszeit. Es ist die Frage, die auch Mike Büskens zuletzt immer häufiger gestellt wurde. Und die Frage wurde nach dem Match auch wiederholt: “Muss man sich als Trainer in dieser Situation hinterfragen?”

 

Kollers Team wirkt hilflos

Der Teamchef ist angeschlagen. Vier Punkte aus vier Qualifikationsspielen ist natürlich wenig. Sehr wenig. Zu wenig. Zudem: Österreich hat nur ein relevantes Spiel im 2016er-Jahr gewinnen können, und zwar jenes gegen Georgien. Mit ein bisschen Spielglück hätte es sogar gegen Wales und Irland auch einen vollen Erfolg geben können. Gab es aber nicht.

 

Viel mehr Sorge bereitet jedoch der Umstand, dass Kollers Team zunehmend hilflos wirkt, wenn es nicht läuft, wenn Plan A nicht funktioniert - aus welchen Gründen auch immer. Symptomatisch dafür war die Einwechslung von Stefan Ilsanker, der sich neben Baumgartlinger positionierte. “Linksverteidiger aber gab es gar keinen mehr, obwohl die restliche Abwehrkette so tat, als wäre sie noch eine Viererkette”, urteilte auch Philipp Eitzinger von ballverliebt.eu in seiner Analyse. War das der Plan von Teamchef Koller? 

 

Stur bis zum bitteren Ende?

Lange Rede, kurzer Sinn: Marcel Koller hat durch seine Arbeit Österreichs Team in relativ kurzer Zeit ein gewisses Niveau gegeben. Dieses Niveau konnte jedoch in den vergangenen zwei Jahren >>> nicht mehr signifikant gehoben werden. Die meisten Gegner wissen mittlerweile, wie man gegen Österreich zu spielen hat, während Österreich unter Koller nicht mehr in der Lage ist, sich individuell auf die Gegner einzustellen.

 

Erst bei der Kaderbekanntgabe hat Koller sinngemäß gemeint: “Ich muss ja auch den Kopf hinhalten, wenn es nicht läuft, also mache ich das, was ich für richtig halte und nicht, was andere meinen, was richtig sein könnte.” Das ist legitim.

 

Schon die öffentliche Reflexion der Europameisterschaft, die Reaktionen auf Niederlagen generell und die >>> Nicht-Entwicklung nach der EM hat große Zweifel aufkommen lassen, ob Koller die richtigen Schlüsse zieht, auch wenn es >>> den einen oder anderen Lichtblick gegeben hat. Und seine Trainerstationen in Deutschland haben gezeigt, dass der Schweizer stur ist (das ist in Österreich mitterweile auch bekannt) und diese Sturheit jedoch bis zum bitteren Ende behält.

 

Koller kann eigene Talfahrt nur selbst stoppen

Zudem kommt von ganz oben inhaltliche Rückendeckung der bisherigen Nicht-Analyse nach der Europameisterschaft. "Man gewinnt Spiele auch im Kopf. Bei der EM mussten die Spieler negative Erfahrungen machen, und wenn man dann in kritische Situationen kommt, tauchen diese Bilder wieder auf", meinte ÖFB-Präsident Leo Windtner gestern nach der Niederlage. 

 

Die zentrale Frage, die sich jetzt stellt, ist daher: Kann Koller dieses Mal aus seiner Haut fahren? Einen ersten Hinweis dazu, ob Koller seine eigene Talfahrt stoppen kann, wird man im Testspiel gegen die Slowakei sehen können.

 

>>> Marcel Koller nach dem Irland-Match: 'Als Trainer braucht man immer Ergebnisse'

 

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