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Interne ÖFB-Kritik an Koller: Volle Rückendeckung sieht anders aus

Die Zeiten ändern sich: Erstmals gibt es öffentliche Kritik des ÖFB an Teamchef Marcel Koller. Demonstrative Rückendeckung sieht anders aus. Ein Kommentar von Michael Fiala

 

2016 war ein Seuchenjahr. Zumindest wenn es nach ÖFB-Präsident Leo Windtner geht. Über die Gründe dieser Seuche hat der Oberösterreicher kurz nach dem letzten Länderspiel bereits philosophiert und >>> dabei kräftig das Phrasenschwein gefüttert.

 

„Nicht das Pech entscheidend“
Immerhin: Bei der Weihnachtsfeier des ÖFB am vergangenen Freitag klang Windtners Fazit im Interview mit dem ORF schon ein wenig differenzierter. „Ich bin überzeugt, dass 2015 nicht nur Glück das Entscheidende und 2016 nicht nur das Pech entscheidend gegen uns war.“ Er deutete damit an, dass Kategorien wie Verletzte, Formschwankungen & Co nicht allein an der Misere des Nationalteams Schuld sein können. Den Druck auf den ÖFB spielte er 1:1 an Koller weiter: „Es ist naturgemäß so, dass der Trainer automatisch im Verantwortunsfokus steht, wenn es nicht läuft. Damit kann er leben, damit muss er leben“, sprach der Präsident. Zum ersten Mal gab es mehr oder weniger direkte Kritik von Windtner an Koller. Dennoch wollte Windtner „keinen Zweifel“ aufkommen lassen: Der Trainer steht nicht zur Diskussion.

 

Kritische Auseinandersetzung fand bisher nicht statt
Generell war die ÖFB-Weihnachtsfeier anscheinend laut ORF-Bericht nicht so stimmungsvoll wie in den Jahren zuvor. Klar, die Euro 2016 wurde vercoacht, das PlayOff der U21 nicht geschafft, die WM-Quali vorerst in den Sand gesetzt. Die bisherige Reflexion des ÖFB in der Öffentlichkeit ließ dennoch viele Fragen offen. Selbst der Teamchef verbohrte sich in seinem Jahresfazit in Faktoren wie Tugenden, fehlendes Spielglück oder etwa zu hoher Druck. Dazu passte die öffentliche Aufarbeitung von Alaba, Arnautovic & Co, lediglich Julian Baumgartlinger sprach Klartext. Und ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner hielt sich mit einer kritischen Auseinandersetzung der Thematik in der Öffentlichkeit nobel zurück.

 


„Steht sich im Weg“

Dies änderte sich jedoch am vergangenen Freitag. Bei der Weihnachtsfeier gab es ungewohnt direkte Kritik von Ruttensteiner an Koller: „Es ist eine sehr ernste Situation, sehr nachdenklich, wir sind aber am Analysieren. In Bezug auf Aufstellungen, Positionen und Auswahl der Spieler kann man immer diskutieren. Er (Anm. Koller) macht es sich auch nicht leicht. Aber er ist halt ein Mensch, der nicht sehr viel wechselt und verändert, sondern von den Dingen, die er angeht, überzeugt ist. Das kann auch ab und zu etwas im Weg stehen“, meinte der Letztverantwortliche des Sports gegenüber dem ORF, um sich im Schlusssatz gleich auch ein wenig zu widersprechen: „Ich gehöre zu den Leuten, die sowohl im Erfolg als auch in der Niederlage zum Trainer stehen.“

 

Warum die ÖFB-Spitze gerade bei der Weihnachtsfeier diesen Strategiewechsel vollzogen hat, sei dahingestellt. Die Zeiten haben sich jedenfalls geändert. Volle Rückendeckung für einen Trainer sieht anders aus, auch wenn Ruttensteiner & Windtner diese demonstrativ betonen. Die Zweigleisigkeit der ÖFB-Führung ist womöglich ein vorsorgender Schritt, bevor es im Frühjahr ans Eingemachte geht.

 

>>> Weiterlesen - Last Exit Willi Ruttensteiner?

 

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