News-Archiv / 2013

Ein großer Schritt für Marcel Koller, ein kleiner für Österreich

Österreich ist weiterhin im Rennen um das WM-Playoff. Die rasante Entwicklung des Nationalteams unter Marcel Koller ist in den vergangenen Monaten jedoch ein bisschen ins Stocken geraten. Zumindest personell scheint der Teamchef seine Nibelungentreue etwa

 

Der Blick auf die Aufstellungen gestern Abend hat viele Experten und Fans verblüfft: Guido Burgstaller stand in der Anfangsformation. Marko Arnautovic musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Das war für die meisten anwesenden Journalisten, mit denen ich gesprochen habe, eine Überraschung.

 

Auch die Einwechslung von Christoph Leitgeb zu Beginn der zweiten Halbzeit sorgte für überraschte Gesichter auf den Tribünen. Leitgeb? Noch dazu ein Spieler der heimischen Bundesliga. Sogar einer, der derzeit keine Spielpraxis vorweisen kann?

 

Option „Österreichische Bundesliga"
Der gestrige Abend hat also klar gezeigt: Auch Spieler der heimischen Bundesliga sind im Nationalteam angekommen. Ab sofort somit eine realistische Alternative, selbst wenn es noch genügend andere Spieler aus den internationalen Ligen gibt, die im Kader zur Verfügung stehen.

 

Teamchef Koller hat damit auf personeller Ebene auf den leichten Formknick einiger Legionäre reagiert. Im Frühjahr wäre es noch undenkbar gewesen, Burgstaller statt Arnautovic von Beginn an zu sehen. Und auch statt Leitgeb wären im Frühjahr wohl nur Ivanschitz oder Jantscher als Wechselspieler in Frage gekommen.

 

Weniger strenge Auslegung der Nibelungentreue
Die Nibelungentreue Kollers, die er weiterhin als wichtig erachtet, um dem Team Selbstvertrauen einzuimpfen, wird auch in den kommenden Monaten ein wichtiger Faktor sein. Trotzdem eröffnet sich der Teamchef mit der etwas weniger strengen Auslegung seiner Treue neue Möglichkeiten. Möglichkeiten, die es auch für den Gegner nicht leichter machen, die österreichische Mannschaft auszurechnen.

 

Das Meisterstück steht jedoch noch aus. Die spielerische Entwicklung des Team stagniert. Wenn das Pressing vom Gegner verhindert wird, steht das Team jetzt schon mehrmals ziemlich planlos da. Und auch wenn Koller der Meinung ist, dass auch spielerische Elemente für den gestrigen Sieg mitverantwortlich zu machen sind: Der Erfolg gegen Irland ist zum Großteil der kämpferischen Leistung zu verdanken.

 

„Spielerische Entwicklung schwieriger"
„Die spielerische Weiterentwicklung ist natürlich weitaus schwieriger als defensive Tugenden wie Räume eng machen oder das Pressing-Verhalten einzuüben", gestand Koller heute ein. Und er verwies dabei auch auf das Selbstvertrauen der Spieler, ohne dem es schwer ist, in gewissen Situationen auch das auf dem Platz umzusetzen, was man sich vornimmt.

 

Koller versuchte damit bisher zum Teil die Quadratur des Kreises: Er vertraute bislang bedingungslos auf seinen Stammkader. Auch wenn manche Spieler nur zum Teil oder gar nicht im Kader ihrer Klubs standen. Dass diese Spieler nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzen, versteht sich von selbst.

 

Darf Koller das Team weiterentwickeln?
Die Aufstellung von Burgstaller, der „brav" gespielt hat, und die Einwechslung von Leitgeb, der vor allem in den letzten 25 Minuten gut gespielt hat, sind somit als großer Schritt in der Gedankenwelt Kollers zu verstehen, für das Team war es ein kleiner Schritt in eine flexiblere Zukunft. Wir dürfen gespannt sein, ob Koller vom ÖFB die Möglichkeit dazu bekommt, das Team auch spielerisch weiterzuentwickeln. Die Chance dazu hätte er sich verdient – auch wenn es mit dem WM-Playoff nichts werden sollte. Denn eines muss den ÖFB-Verantwortlichen klar sein: Endlich gibt es so etwas wie Konstanz im Team. Koller ist bedacht darauf, die Änderungen in sehr kleinen Schritten - wie gestern gesehen - anzugehen. Ein neuer Trainer könnte diese Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit torpedieren.

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