2018

Daumen rauf, Daumen runter

Dass St. Pölten aus eigener Kraft darüber entscheiden kann, ob Wiener Neustadt eine Lizenz bekommt oder nicht ist ein großer Schaden, der schnellstmöglich repariert werden muss.

Ein Kommentar von Michael Fiala

 

Viel wurde in den vergangenen Tagen geredet, geflucht und auch geschrieben. Dabei fielen Worte wie Moral, Solidarität, Sportlichkeit und viele andere mehr. Alles hat seine Berechtigung. Denn dass Wiener Neustadt die Kooperationsspieler-Regelung nun juristisch für sich nützen möchte, obwohl sie noch vor einigen Monaten selbst davon profitiert haben, ist dreist. Und auch moralisch zu hinterfragen. Andererseits gibt es auch die Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers, das Bestmögliche für sein Unternehmen herauszuholen. Insofern wäre ein Unterlassen des Protestes auch eine Fahrlässigkeit der Vereinsführung gewesen. Und: Schlupflöcher sind dazu da, um sie zu finden und zu nützen. Das hat etwa Rapid in dieser Saison auch schon vorgezeigt – und die Bundesliga vorgeführt.

Insofern kann man natürlich dutzende Artikel darüber schreiben, ob die Entscheidung von Wiener Neustadt jetzt verwerflich ist oder nicht. Letztendlich läuft es daraus hinaus, dass man jahrelang eine Regelung akzeptiert hat, von der man wusste, dass sie einer Fifa-Regel widerspricht. Seit im Jänner das Thema auch öffentlich diskutiert wurde, hätte man spätestens den Ernst der Lage erkennen können. Hat man aber nicht, die Konsequenz ist das Kasperltheater in mehreren Akten. Und egal, ob die Kooperationsspieler-Regelung inhaltlich gut oder schlecht beurteilt wird, sie ist vermutlich in dieser Form gestorben.

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Ein Licht geht auf

Als ich dann heute am späteren Nachmittag einerseits auf Facebook in eine Diskussion zur Entscheidung von St. Pölten, die Vereinbarung einseitig zurückzuziehen, verwickelt wurde und ich andererseits mit einem Wirtschaftsexperten darüber am Telefon diskutiert habe, ist mir ein Licht aufgegangen. Denn der eigentliche Skandal der ganzen Geschichte ist nämlich, dass ein Klub aus eigener Kraft darüber entscheiden kann, ob einem Konkurrenten die Lizenz entzogen wird oder nicht: Daumen rauf, Wiener Neustadt darf bleiben. Daumen runter, Wiener Neustadt muss gehen. Eine derartige Vereinbarung hätte man im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens weder von der Bundesliga noch von Seiten Wiener Neustadts akzeptieren dürfen.

Ich setze den Gedankengang fort: Nehmen wir an, St. Pölten hätte die Relegation verloren. Natürlich würde jetzt jeder in St. Pölten sagen: „Wir hätten den Vertrag mit Wiener Neustadt nie gekündigt.“ Doch rein aus wirtschaftlichem Interesse und der oben angesprochenen Sorgfaltspflicht des Vorstands von St. Pölten hätte man den Vertrag mit Wiener Neustadt jedoch sogar kündigen müssen, weil damit der eigene Aufstieg verbunden gewesen wäre.

Man sieht: Eine Situation, in der die Zukunft eines Klubs allein in der Hand es anderen liegt, indem ein Vertragswerk zerrissen wird oder nicht, ist keinesfalls tragbar. Auch die Liga hat übrigens eine Sorgfaltspflicht. Fehler können passieren. Und ein Fehler wird erst dann zur Dummheit, wenn man ihn wiederholt. In diesem Sinne sind der Bundesliga-Vorstand und die Klubs gefordert, diese Lücke schnellstmöglich für das kommende Lizenzierungsverfahren zu schließen.

 

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