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Das Ende von Koller ist viel mehr als das Scheitern eines Trainers

Das Ende von Marcel Koller ist nicht nur ein persönliches Scheitern des Schweizers, sondern auch des ÖFB. Ein Kommentar von Michael Fiala

Nach sechs Jahren wird die Ära von Marcel Koller nach den beiden kommenden Länderspielen also zu Ende gehen. Der Schweizer hat Österreich bei drei Qualifikationen betreut, jene für die Euro 2016 ist jedem fußballinteressieren Österreicher noch bestens in Erinnerung. Es ist wohl auch ein Zeichen des Anstands, dass der ÖFB den aktuellen Teamchef nicht gleich vor die Türe setzt und ihn noch die zwei Spiele absolvieren lässt, auch wenn es einige Argumente dafür gegeben hätte, sich bereits intensiv mit der Zukunft zu beschäftigen. Dass Koller noch bis Ende 2017 bleiben kann, könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass der Verband die Zeichen der Zeit seit vielen Monaten einfach nicht erkannt hat.

 

Keine ernstgemeinte Reflexion

Bereits vor der Europameisterschaft haben sich erste Tendenzen abgezeichnet, dass der Hype um das Team möglicherweise nicht dem tatsächlichen Niveau von Alaba & Co entsprechen. Spätestens bei der Euro wurde das Team dann auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Das haben zwar Koller und ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner oftmals nach außen hin betont und davor gewarnt, die letzten 18 Monate lassen jedoch große Zweifel aufkommen, ob die sportliche Führung des ÖFB den nötigen Grad einer ernstgemeinten Selbstreflexion zulässt.

 

Allein, wie das Auftreten der Mannschaft bei der Euro von Koller, Ruttensteiner und auch ÖFB-Präsident Leo Windtner im Nachhinein relativiert und schöngeredet wurde, hat spätestens die Alarmglocken läuten lassen. Ein Beispiel? Ende Juli 2016 zogen Windtner und Ruttensteiner eine Bilanz zur Euro 2016 im Rahmen einer Presseaussendung mit folgenden Worten: „Als Gründe (Anm.: Für das Abschneiden bei der Euro 2016) dafür wurden die mangelnde Turniererfahrung, zum Teil nicht 100%ig fitte Spieler sowie der offenbar zu hohe Druck durch die euphorische Erwartungshaltung im Vorfeld genannt.“ Oder: „Die negative Diskrepanz zwischen Wollen und wahrgenommener Leistungsfähigkeit, gepaart mit der hohen Bedeutung einer EM-Endrunde führten zu Stress bei den Spielern und letztendlich auch zu mangelnder Effizienz, die sich wiederum auf die wahrgenommene Leistungsfähigkeit ausgewirkt hat“, erläuterte Ruttensteiner. Auch Koller zog damals Bilanz und meinte: „Die teils mangelnde Fitness der Spieler und der psychische Druck haben dazu geführt, dass in der Offensive zu wenig qualitatives Spiel im Ballbesitz möglich war, die Chancen in entscheidenden Situationen vergeben wurden, die Qualität, Konzentration und Präzision bei den Pässen gefehlt hat und insgesamt wenig Selbstvertrauen im Spielaufbau zu sehen war“

 

Fatales Signal

Das öffentliche Signal, vor allem auch an die  Spieler, war fatal. Dass sich das Team auch aus taktischer Sicht, wie von 90minuten.at immer wieder auch in umfassenden Analysen erwähnt, nicht immer von seiner besten Seite gezeigt hat, daran wollte die sportliche Führung keinen öffentlichen Gedanken verschwenden. Interview-Anfragen mit dem Teamchef wurden in weiterer Folge konsequent abgelehnt. Das Team unter Koller hat sich – gestärkt durch Sätze wie oben zitiert - immer weiter in eine Sackgasse begeben. Eine Sackgasse, aus der der ÖFB jetzt nicht mehr hinausgekommen ist und schlussendlich jetzt die Trennung von Koller zur Folge hatte.

 

Leo Windtner hat gestern eine „fundierte Analyse“ durch ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner angekündigt. Die Zweifel aufgrund der Erfahrungen der letzten 18 Monate sind groß, dass diese Analyse nur den Zweck erfüllen wird, um bereits durch ÖFB-Landespräsidenten in Stellung gebrachte Kandidaten für das Amt des Teamchefs zu legitimieren. Denn eines ist in den vergangenen Monaten auch klar geworden: Die Landesfürsten haben sich nach dem Alleingang von Windtner und Ruttensteiner im Rahmen der Koller-Vertragsverlängerung im Jahr 2016 die Wiederwahl von Windtner in Form eines Machtgewinns teuer bezahlen lassen. An eine positive Überraschung wie im November 2011, als mit Marcel Koller allen Widerständen zum Trotz kein „Haberer“ installiert wurde, ist daher derzeit nicht zu glauben.

 

Wenn der ÖFB jetzt also glaubt, dass es mit der Trennung von Koller und einem neuen Teamchef getan ist, der irrt, denn das Scheitern des Schweizers ist viel mehr als nur ein Versagen eines Trainers.

 

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