12Meter

Günter Kreissl: Ende einer bewegten Zeit

Anders als ursprünglich vorgesehen, kommt Günter Kreissl nach seiner Auszeit nicht als technischer Direktor zu Sturm zurück. Das ist folgerichtig, nimmt ihm aber nicht seinen Platz in der Geschichte des Klubs.

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“Wir sehen uns im Oktober”, lautete der Schlusssatz im Juni, als Günter Kreissl sich telefonisch in seine Auszeit verabschiedete. Vielleicht stimmt das auch, nur wird das nicht in Sachen SK Sturm sein. Am Dienstag teilte Kreissl per Videobotschaft mit, dass er und die Schwarz-Weißen nicht mehr weiter zusammenarbeiten werden. Im Wesentlichen wurden die Corona-Krise und ihre Auswirkungen als Gründe genannt. In der Geschäftsstelle wäre eingespart worden und ein gut dotierter Job des Technischen Direktors wäre in solchen Zeiten schwer zu argumentieren, heißt es. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit zu diesem ein wenig traurigen, aber schließlich doch nachvollziehbaren, Ende.

"Traurig deshalb, weil die beiden letzten Jahre von Günter Kreissl in Graz viel zugedeckt haben, was vorher an durchaus bemerkenswerten Errungenschaften geschafft worden ist. Jetzt gibt es keine Gelegenheit mehr, diesen schalen Nachgeschmack noch loszuwerden." - Jürgen Pucher

Staub gewischt und durchgelüftet

Traurig deshalb, weil die beiden letzten Jahre von Günter Kreissl in Graz viel zugedeckt haben, was vorher an durchaus bemerkenswerten Errungenschaften geschafft worden ist. Jetzt gibt es keine Gelegenheit mehr, diesen schalen Nachgeschmack noch loszuwerden. Der frühere Tormann hat den Staub von Sturm herunter geputzt und zu Beginn seiner Ära genau an den richtigen Stellen kräftig umgerührt, damit das schon Angebrannte nicht endgültig verkrustet. In der Kommunikation hat er die Fenster aufgemacht und den Mief der Goldbrich-Zeit hinausgelüftet. Nicht nur für uns direkt Betroffene eine Wohltat. Er hatte Glück und Händchen bei den Transfers und vor allem hat er dem damals schon wieder am Weg zum Allmächtigen bei Sturm befindlichen Franco Foda Paroli geboten. Das hat nach anfänglichem Reibungsverlust unter anderem auch dazu geführt, dass bei Foda so etwas wie ein Modernisierungsschub eingesetzt hat, was ihn nicht zuletzt zum ÖFB-Teamchef gemacht hat.


Danach konnte Kreissl mit Heiko Vogel seinen ersten Wunschtrainer bestellen, der ihm seinen größten Erfolg gebracht hat, aber auch den Anfang vom Ende eingeläutet hat. Der Cuptitel 2018 und der Weg dorthin waren freilich ein Highlight, das seinen Platz in der Klubhistorie behalten wird. Vieles, was aber währenddessen und danach für die Zukunft passiert ist, war alles andere als ein Ruhmesblatt. Einer wirtschaftlich äußerst erfolgreichen Transferbilanz, stehen eine Reihe von eher missglückten Neuzugängen gegenüber. Viel größer aber war das Problem, dass die Kurzfristigkeit und das Prinzip des “Löcher stopfens” anstelle von einer zumindest mittelfristigen Strategie getreten sind. Kreissl zerkrachte sich außerdem mehr und mehr mit seiner “Erfindung” Heiko Vogel, was schließlich unter dem Deckmantel der fehlenden Ergebnisse zum Bruch mit dem Trainer führte. 

 

Der neue Weg geht woanders hin

Spätestens nach der verhauten Saison und Transferzeit nach dem Cupsieg, hätte jenes Umdenken stattfinden müssen, das jetzt beim Neustart in Messendorf angegangen wird. Dafür war Günter Kreissl nicht zu haben. Er glaubte nicht an Langfristigkeit oder an eine einheitliche Spielidee, die vom Jugendfußball weg im Verein etabliert werden soll. Der schnelle Erfolg sei essentiell, ohne den würde es nicht funktionieren. Roman Mählich und Nestor El Maestro mit ihrem Fußball waren seine missglückten Trainerentscheidungen, die diesem Prinzip folgen hätten sollen. Zu seiner Verteidigung: auch von allen anderen wesentlichen Playern im Klub hörte man bis vor kurzem nichts Gegenteiliges zu diesem Zugang. Erst das katastrophale Implodieren der Mannschaft am Schluss der letzten Saison, machte den Neustart möglich, der jetzt versucht wird. Dass Günter Kreissl an diesem nun nicht mehr mitwirken wird, ist nur eine logische Folge der letzten vier Jahre. Es wäre wenig glaubwürdig, wenn er nun einen Weg mitverantwortet, den er Kritikern seinerzeit nachdrücklich um die Ohren gehaut hätte.

"Ich sage zum Abschluss: Günter Kreissl hat viel bewegt, am Ende auch so einiges nicht mehr nur in die richtige Richtung. Am Ende steht aber mehr auf der Habenseite als auf der anderen."

Deswegen war es wohl folgerichtig, die Zusammenarbeit zu beenden und getrennte Wege zu gehen. Für beide Seiten. Sturm wird noch Verstärkung in der Geschäftsstelle brauchen, um all das konsequent umzusetzen, was jetzt auf der Agenda steht. Kreissl wäre dafür aber nicht mehr der Richtige. Dass sich diese Meinung verdichtet, hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet. Andreas Schicker soll die Möglichkeit haben, als Verantwortlicher seine Leute zu holen, die den neuen Weg ohne Vorbelastung mittragen können. Das meint nicht nur Kreissls in den letzten Monaten zu emotionale, aggressive und zu wenig kritikfähige Art, mit der er viele Leute vergrault hat. Er steht auch für etwas anderes, was jetzt nicht mehr sein wird. Günter Kreissl hat seinen Platz in der Geschichte des Klubs, jetzt bekommen neue Leute die Möglichkeit ihren zu besetzen. Das ist der Lauf der Dinge und das ist gut so. 


Viel bewegt - egal wohin

Die Kleine Zeitung schreibt bei Kreissl von “Ballast aus der Vergangenheit”, was eigentlich nur als übles Nachtreten bezeichnet werden kann und jegliche Differenzierung vermissen lässt. Ich sage zum Abschluss: Günter Kreissl hat viel bewegt, am Ende auch so einiges nicht mehr nur in die richtige Richtung. Am Ende steht aber mehr auf der Habenseite als auf der anderen. Und nicht zuletzt war er als Mensch mit seiner ganzen Energie eine Bereicherung für diesen Klub, von der sich einige andere Protagonisten, die Sturm im Laufe der Zeit gesehen hat, noch immer eine Scheibe abschneiden könnten.

 

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