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Christian Ilzer: Die leichte Wahl

Christian Ilzer und nicht Markus Schopp wird neuer Sturmtrainer. Das ist einerseits sicher eine nachvollziehbare und vertretbare Wahl, aber auch der ein wenig leichtere Anfang, für den neuen Weg in Graz.

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Hartberg, Wolfsberg, Austria Wien und ab ersten August Sturm Graz - das sind die Stationen des Oststeirers Christian Ilzer als Cheftrainer. Ilzer kommt nach einer für die Austria als Katastrophensaison zu bewertenden Spielzeit von Wien-Favoriten nach Graz. Am Ende verlor er gegen den zweiten Kandidaten für den Grazer Trainersessel, Hartberg-Coach Markus Schopp, sogar das Play-off um den letzten Europacupplatz. Was spricht also für die Entscheidung von Sturm für ihn und gegen den eigentlich logischen Mann, Schopp? Auf den ersten Blick nicht so sehr viel. Auf den zweiten dann doch einiges. 

 

Purist statt hohe Ansprüche

Zunächst einmal ist der SK Sturm am Ende schlicht den einfacheren Weg gegangen. Zu Beginn war auch noch Rene Aufhauser in Gesprächen mit den Grazern, der durfte aber nicht aus seinem Vertrag bei Red Bull. Danach ging es nur mehr um die Frage: Schopp oder Ilzer? Und bei dieser Frage haben die Rahmenbedingungen wie folgt ausgesehen: Der Hartberg-Trainer - erfolgreich, mit breiter Brust und mit einer attraktiven zweiten Option. Ilzer musste in Wien viel leiden und war wohl mehr als froh dort rauszukommen. Markus Schopp hätte wohl von Anfang an versucht so viel Macht und Einfluss wie möglich an sich zu reißen und im Verein auch abseits des Platzes mitzugestalten. Christian Ilzer ist der Purist, der für das Spiel an sich lebt und sich - zumindest in seiner aktuellen Situation - nicht zu sehr um die Vereinspolitik kümmern wird. 

"Christian Ilzer ist der radikalere Übungsleiter. Er scheut sich nicht, auch einmal einen ganz jungen Mann ganz früh ins Getümmel zu werfen." - Jürgen Pucher

Beide Trainer haben Erfahrung mit jungen Spielern und wie man diese an den Profifußball heranführt. Christian Ilzer ist dabei der radikalere Übungsleiter, wie er auch in den letzten Monaten bei der Austria bewiesen hat. Er scheut sich nicht, auch einmal einen ganz jungen Mann ganz früh ins Getümmel zu werfen, was den neuen Vorgaben und Vorstellungen bei den Grazer Schwarz-Weißen wohl ganz gut entspricht. Wahrscheinlich war es insgesamt für Sportchef Andi Schicker mit Ilzer einfacher, auf ein gemeinsames Verständnis der nächsten Jahre zu kommen. Der 42-Jährige wird es in jeglicher Hinsicht billiger gegeben haben, als Markus Schopp.  

 

Bauchgepinselter Präsident statt Paartherapie

Ein nicht unwesentlicher Punkt in dieser Angelegenheit ist wohl, dass Präsident Christian Jauk eine gewisse Vorliebe für Ilzer gehabt haben dürfte. Der neue Sturm-Coach war schon bei Sturm im Gespräch als schließlich Heiko Vogel verpflichtet wurde. Damals waren die Verantwortlichen aber der Meinung, der Schritt käme für den noch sehr jungen Trainer zu früh. Trotzdem soll Christian Ilzer gegenüber Jauk damals versichert haben, es sei sein großer Traum Trainer in Liebenau zu werden. Das hat natürlich des Präsidenten Wohlwollen gefunden und behalten. 

Markus Schopp und Christian Jauk verbindet hingegen eine dauerhaft ambivalente Beziehung. Das begann 2013, als Schopp interimistisch für Peter Hyballa die letzten sechs Saisonspiele übernommen hat und sich danach Hoffnungen auf einen Verbleib bei der ersten Mannschaft gemacht hat. Jauk holte damals aber in einem Alleingang Darko Milanic an die Mur und Schopp musste zurück zu den Amateuren. Später waren sich der Ex-Champions League-Held und Sportchef Günter Kreissl gar nicht grün und Schopp verließ schließlich deswegen Graz. Er vermisste schmerzlich Unterstützung des Präsidenten, der heute sagt, er müsse schlichtweg hinter seinen Geschäftsführern stehen, weil alles andere nicht vertretbar wäre. So oder so, der aktuelle Hartberg-Trainer ging in Unfrieden und vor allem eine künftige Zusammenarbeit mit Kreissl hätte wohl die eine oder andere Paartherapie verlangt. 

 

Glaubwürdigkeit statt überzogene Ansprüche

"Der Dreijahresvertrag ist ein Statement, dass Sturm es mit dem neuen, langfristigen Weg ernst meint. Es gilt jetzt für beide Seiten, das auch durchzuhalten und nicht beim ersten Gegenwind in Panik oder Hektik zu verfallen." - Jürgen Pucher

Nimmt man alle diese Puzzlesteine zusammen, hat Sturm einen Trainer geholt, der zum neuen Weg passt und der in gewisser Hinsicht ein bisschen leichter zu handeln sein wird, als die andere Wahl. Ob er die langfristig bessere sein wird, wird sich weisen. Von Vorab-Lobhudelei, wie sie teilweise schon in Kleinformaten zu lesen war, halte ich nichts. Aber dass Christian Ilzer vielleicht wieder einmal ein Trainer ohne sehr frühes Ablaufdatum wird, ist keinesfalls ausgeschlossen. 

Der Dreijahresvertrag ist ein Statement, dass Sturm es mit dem neuen, langfristigen Weg ernst meint. Es gilt jetzt für beide Seiten, das auch durchzuhalten und nicht beim ersten Gegenwind in Panik oder Hektik zu verfallen. Der Klub muss die Erwartungen niedrig halten und kontrollieren und in seiner ganzen Kommunikation diesen neuen Weg verkaufen und vertreten. Das wird schwer genug werden, so wie sich die zukünftige Zusammensetzung der Kommunikationsabteilung nach dem Abgang von Alexander Fasching ausgestalten wird. Dieses so wichtige Feld ist und bleibt in Graz ein Stiefkind. Nichtsdestotrotz muss der neue Weg glaubwürdig durch den ganzen Klub dargestellt werden. Damit steht und fällt die komplette Angelegenheit. Mit oder ohne vernünftige Kommunikationsabteilung, mit oder ohne Christian Ilzer und mit oder ohne eine Rückkehr von Günter Kreissl im Herbst.  

 

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