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Sturm-Leitbild: Wertefundament ohne spielerisches Element

Der SK Sturm hat sein Leitbild präsentiert und dabei eine schöne Identifikationsgrundlage für seine Fans geschaffen. Was fehlt, ist ein eindeutiges sportliches Bekenntnis zu einem eigenen Stil.

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Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Am Mittwoch kamen im Grazer Orpheum rund 500 Mitglieder des SK Sturm zusammen, um der Präsentation des lang erwarteten Leitbilds des SK Sturm beizuwohnen. In einem gemeinsamen Projekt mit der Universität Graz und den Fanklubs, hat der Verein seine Grundsätze niedergeschrieben und aufbereitet. In den letzten Wochen wurden bei den Heimspielen bereits einige Headlines aus diesem Leitbild auf den Banden, den Eintrittskarten und der Videowall vorab gezeigt. Jetzt wurde das ganze Projekt vorgestellt und das in einer als sehr gelungen zu bezeichnenden Veranstaltung.

 

Leitbild als Identifikationsgrundlage

Der Präsident eröffnete salbungsvoll, aber stimmig. Die an der Erarbeitung beteiligten Protagonisten erklärten ihre Arbeit und Vertreter aller wesentlichen Bestandteile des Fußballvereins SK Sturm stellten die Grundsätze aus dem Leitbild in einzelnen Kurzauftritten vor. Emotionaler Höhepunkt des Abends war der neue Imagefilm, der in diesem Zusammenhang gedreht wurde und der durchaus Gänsehaut-Potenzial aufweist. Inhaltlich dreht sich das Leitbild um Dinge wie die Betonung der Vereinstreue, die sich auch in regelmäßiger Präsenz im Stadion widerspiegeln soll, um die Wurzeln des Klubs in Graz-Jakomini mit dem Gründungsort im Augarten und der legendären Spielstätte Gruabn oder dass Sturm Graz ein Fußballklub für alle gesellschaftlichen Schichten sein soll. Oligarchen-Investoren wird außerdem mit dem Bekenntnis zum Mitgliederverein eine Absage erteilt. Dieser Rahmen ist schön gefasst, schön aufgeschrieben und kann jedenfalls als Identifikationsgrundlage für all jene dienen, die sich als Sturmfans begreifen.

"Dieser Rahmen ist schön gefasst, schön aufgeschrieben und kann jedenfalls als Identifikationsgrundlage für all jene dienen, die sich als Sturmfans begreifen. Der Schwachpunkt der ganzen Sache findet sich dort, wo es um den sportlichen Bereich geht." - Jürgen Pucher

Der Schwachpunkt der ganzen Sache findet sich dort, wo es um den sportlichen Bereich geht. Vorweg wird eingeleitet, dass es größtmöglichen Erfolg und das stetige Streben nach Verbesserung bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Gesundheit geben soll. So weit, so banal. Welcher Fußballklub will das nicht? Zudem hält das Leitbild ein Bekenntnis zur Jugendarbeit und den Grundsatz: „der Fortbestand unseres Vereines ist uns wichtiger als kurzfristiger Erfolg“ fest. Hier ist es vor allem die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die einen ein wenig ratlos zurücklässt. Zumindest lässt der Rahmen in diesen Fällen ziemlich viel Spielraum für Interpretation übrig. Wie weit muss Förderung der Jugend gehen, um dem Leitbild gerecht zu werden? Wann wird Kurzfristigkeit eine Gefährdung und inwieweit widerspricht kurzfristiges Denken dem Anspruch an größtmöglichen Erfolg?

 

Spielerische Identität wird weiter fehlen

Es wäre doch schön gewesen, hier ein bisschen mehr ins Detail zu gehen. Die Art des Spiels, neben Dingen wie Fairplay, der Stil des Kicks, den man verfolgen möchte, hätten durchaus Platz gehabt, in so einem Leitbild. Nur hier will sich Sturm nicht festnageln lassen. Am Tag nach der Präsentation des Leitbilds unterstreicht Sportchef Günter Kreissl diesen Umstand in der Kleinen Zeitung auch noch einmal doppelt. Zu Spielphilosophien sagt er, eine grundsätzliche Richtung sei schon gut, aber einer in Stein gemeißelten Philosophie erteilt er eine Absage. Es gäbe außerdem ohnehin nur eine Handvoll Klubs weltweit, die eine solche Spielphilosophie verfolgen würden. Diese Handvoll Klubs fährt damit aber zumeist recht gut. Werder Bremen etwa beweist, dass man auf diese Art und Weise über Jahrzehnte immer wieder Erfolge gefeiert hat, obwohl man an der Weser finanziell weit hinterherhinkt. Der Klub ist trotzdem der zweitbeste in der ewigen Bundesligatabelle hinter dem FC Bayern. Und das nicht zufällig.

Der frühere Trainer und heutige technische Direktor des Klubs, Thomas Schaaf, erklärt im Ballesterer den besonderen Stellenwert von Trainings- und Spielphilosophie. Insbesondere das Zusammenspiel dieser Entwicklung mit den Nachwuchsmannschaften und der damit verbundenen Kaderentwicklung sei von großer Bedeutung, um den finanziellen Rückstand auf die potenteren Klubs kompensieren zu können. Schlechte Saisonen und Durchhänger haben nicht zur Folge, dass gleich vom ganzen Weg abgerückt wird. Werder Bremen steht für Kombinationsfußball, der alle Spieler mit einbeziehen soll. Mit Florian Kohfeldt vertraut man auf einen Trainer, der im Verein sozialisiert wurde und diesen Kurs genauso verkörpert. „Wenn man eine Mannschaft von Werder Bremen sieht, soll man sie an ihrem Stil erkennen, nicht allein am Trikot“, sagt Thomas Schaaf.

"Dass Sturm in seinem Leitbild auf diesen Teil einer Vereinsidentität verzichtet, ist in vielerlei Hinsicht schade. Es geht dabei nicht in erster Linie darum, welche Spielphilosophie verfolgt wird. Aber man sollte eine verfolgen." - Jürgen Pucher

Baut Sturm auf dem Leitbild-Fundament noch weiter?

Dass Sturm in seinem Leitbild auf diesen Teil einer Vereinsidentität verzichtet, ist in vielerlei Hinsicht schade. Es geht dabei nicht in erster Linie darum, welche Spielphilosophie verfolgt wird. Aber man sollte eine verfolgen. Eine solche spielerische Identität, ein Bekenntnis zu einer Idee, würde viele Dinge aus dem Leitbild noch weiter unterstreichen. Wiedererkennungswert auf dem Feld, eine ganzheitliche Sicht und Entwicklung, die den Nachwuchs einbezieht, ein „Sturmspiel“, all diese Dinge wären Multiplikatoren für den jetzt schon im Leitbild definierten Rahmen und ein eindeutiges Bekenntnis wider die Kurzfristigkeit. Und so schön das jetzt vorliegende Leitbild grundsätzlich ist und klingt, verinnerlichen kann man so etwas nur langfristig. Wenn es zusätzlich zu den Werten und Bekenntnissen auch eine spielerische Identität geben würde, wäre eine solche Verinnerlichung sicher nachhaltiger. Vielleicht ringt man sich in Messendorf ja irgendwann durch, noch diesen nächsten Schritt zu gehen. Man könnte damit auf dem jetzt gelegten Fundament ein wesentliches Stück dazu bauen.

 

>>> Alle 12 Meter von Jürgen Pucher auf einen Blick

 

Was du über das neue Sturm-Leitbild wissen solltest:

90minuten.at-TV: Die neuen Ausweichtrikots von Juventus

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