"Mählich kam, sah und siegte – aber eben mit einer auf Sand gebauten Kickerei, wo sich aktuell zeigt, wohin es schlichtweg führen musste. Mittlerweile wäre nämlich längst ein Entwicklungsschritt notwendig gewesen."
Roman Mählich wurde nach seinen konsolidierenden Ergebnissen im Herbst, nachdem er im Oktober die Mannschaft übernommen hat, kräftig abgefeiert. Wer sich erlaubt hat, die Art und Weise seines Fußballspiels als zu defensiv, zu reaktiv und als einen mit keiner Zukunftsperspektive zu kritisieren, wurde aus so mancher Ecke ordentlich geschimpft. Er bringt jetzt die Ergebnisse, nachdem sein Vorgänger Heiko Vogel nicht oft genug drei Punkte einfahren konnte, hieß es. Nur das wäre von Relevanz. Obwohl es unter Vogel nach einem schwachen Start fußballerisch einen Aufwärtstrend gegeben hat, musste er gehen. Mählich kam, sah und siegte – aber eben mit einer auf Sand gebauten Kickerei, wo sich aktuell zeigt, wohin es schlichtweg führen musste. Mittlerweile wäre nämlich längst ein Entwicklungsschritt notwendig gewesen. Weg von hinten dicht und vorne Zufall, hin zu einem Fußball, der es erlaubt auch gegen eine selbst nicht das Spiel machende Mannschaft Lösungen finden zu können.
Keine Euphorie ohne Perspektive
Es reicht gegen Sturm, siehe etwa das Spiel am Sonntag, die wenigen offensiv ausgerichteten Akteure mit Nachdruck kaltzustellen, um einen schwarz-weißen Torerfolg fast unmöglich zu machen. Der Rest wird offenbar von Mählich mit der Grundausrichtung „Vorsichts- und Reaktionsaufgaben“ aufs Feld geschickt, sodass ein einigermaßen dominanter Offensivfußball nicht mehr möglich ist. Und jetzt steht Sturm dort, wo so ein Zugang meistens hinführt, wenn man höhere Ansprüche hat als den Abstieg zu verhindern. Nämlich vor der Unfähigkeit ein Spiel offensiv-gestalterisch anzulegen, wenn es denn notwendig ist. Und wenn man in den Europacup will, ist das irgendwann notwendig. Das anfänglich allerwichtigste – die Ergebnisse – stimmen längst nicht mehr und erschwerend kommt hinzu: Der Grazer Kick ist furchtbar anzuschauen. In Liebenau hat schon lange niemand mehr mit der durch Fußballkunst aktivierten Zunge geschnalzt.
Das drückt jenen Fans, denen mehr an diesem Klub liegt, als kurzfristiges Platzierungsbingo und Ergebnishascherei, besonders aufs Gemüt. Trotz Qualifikation für die Meisterrunde ist von der Euphorie vor nicht einmal einem Jahr genau nichts mehr zu spüren. Trotz Freibieraufruf fanden gegen St. Pölten nur 8.500 Fans den Weg ins Liebenauer Stadion. Sturm hat die Chance Dritter zu werden und dadurch mit ein wenig Glück sogar direkt einen Startplatz in der Gruppenphase der Europa League zu erreichen. Aber nicht einmal beim Schlager um die Quali zur Meisterrunde konnte der Verein das „Ausverkauft“-Schild an die Tore hängen. Ein Indiz dafür, dass Ergebnisse wohl doch nicht alles sind. Die Art und Weise wie man Fußball spielt und sich insgesamt präsentiert, scheint den Fans eines Traditionsvereins mindestens genauso wichtig zu sein.
Endstation Wurschtigkeit
Die Leute brauchen das Gefühl, dass etwas entsteht. Wenn es nur um Effizienz und Resultate geht und das auch genauso kommuniziert wird, dann erfüllt man vielleicht das Soll, das Besondere wird aus so einem Zugang nicht entstehen. Und sind wir Fans des Kickens nicht alle auf der Suche nach genau diesem Besonderen? Ein Coach, der in Interviews immer nach ein paar Minuten über die kurze Halbwertszeit von Trainerkarrieren spricht und eine Vereinsführung, die glaubt mit schnödem Betonen von Ergebnisnotwendigkeiten das zu machen, was das Umfeld sich wünscht, wird irgendwann entdecken müssen, dass man sich damit immer weiter in den schlimmsten Zustand manövriert, den es rund um einen Fußballklub geben kann: Wurschtigkeit. Wenn es keine Perspektive für das Besondere mehr gibt, dann werden Sturmfans zwar nicht den Klub wechseln, das Feuer der Begeisterung und die Leidenschaft werden aber so lange auf Sparflamme brennen, bis es diese Perspektive wieder gibt.