Foto: © GEPA 12Meter / 2018 / Q1

Sturm ins Frühjahr

Wie wird der SK Sturm unter Heiko Vogel im Frühjahr aussehen? Was ändert sich im Vergleich zu Franco Foda? Kann der nächste ausrangierte Rapidler in Graz reüssieren und kommt im Sommer die große Kaderbaustelle?

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Eine Frage schwebt beim SK Sturm vor dem Rückrundenauftakt am Wochenende natürlich über allen: Wohin geht die Reise mit dem neuen Trainer Heiko Vogel? Wie das so ist beim Reisen, weiß man vorher nie so genau, wie es dann ganz genau sein wird. Aber man kann sich vorbereiten und sein Gepäck dementsprechend wählen. Der Trainingsaufenthalt des Tabellenführers in Spanien zur Vorbereitung der Frühjahrsreise kann wohl als Erfolg bezeichnet werden. Die Stimmung schien gut, der neue Coach und die Mannschaft machen den Eindruck gut miteinander zu funktionieren und auch wenn man Testspiele nicht überbewerten soll: Die Schwarz-Weißen haben in Marbella immerhin europäische Kaliber wie Dynamo Kiew oder den FC Basel geschlagen.

 

Comeback der Viererkette und wir wollen den Ball

Was war bei diesen Spielen abseits der Ergebnisse zu sehen? Zunächst, dass es wohl eine Abkehr von der im Herbst viel praktizierten Dreierkette geben wird. Vogel stellte je nach Interpretation nahezu immer ein 4-1-4-1 oder 4-3-3 in der Grundformation auf den Platz. Der SK Sturm forcierte zudem im Vergleich zur Fodaschen Ausrichtung das Pressing und darauf, den Ball zu haben, scheint in Zukunft wieder mehr Wert gelegt zu werden. Das kommt so nicht besonders überraschend, war und ist der neue Mann an der Grazer Linie doch ein deklarierter Freund des Ballbesitzfußballs.

 

Wie das dann im Wettkampfmodus genau aussieht, wie hoch die Grazer stehen werden, wie aggressiv das Pressing angelegt wird, darauf darf man gespannt sein. Wird es Roger Schmidt-Style, der als Red Bull-Coach die absolute Mehrheit der Ligateams für nicht in der Lage hielt, bei extremem Pressing kontrolliert aus der Defensive herauszuspielen und dementsprechend Nachdruck verlangte? Oder eine eher gemäßigte Variante mit Tempowechseln statt 90 Minuten Dauerdruck? In jedem Fall werden die Blackies-Fans ab Februar einen Paradigmenwechsel im Vergleich zum viel zitierten ‚Umschaltspiel‘ unter Franco Foda beobachten können.

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

 

Ex-Rapidler soll die Lücke links hinten stopfen

Und weil beim SK Sturm am Samstag in Mattersburg vier Herren die hinterste Reihe in der Formation bilden werden, wiegt der Abgang von Charalampos Lykogiannis bereits im Winter umso schwerer. Sportchef Günter Kreissl musste handeln, war doch die Position des linken Außenverteidigers eine der wenigen im Kader, die nicht adäquat doppelt besetzt war. Marvin Potzmann hätte zwar dort spielen können, dessen Qualitäten sieht Heiko Vogel aber wohl an anderer Stelle besser zur Geltung kommen. Patrick Puchegger gibt es für links hinten auch noch. Dafür, mit ihm als ‚Nummer eins‘ auf dieser Position ins Frühjahr zu gehen, reicht das Vertrauen aber nicht ganz aus. Und nicht zuletzt gibt es auch aus dem eigenen Nachwuchs niemanden, der sich aufdrängt. Die Lösung: Thomas Schrammel.

 

Nach über 170 Spielen für Grün-Weiß, wechselt der 30-jährige Burgenländer aus dem Wiener Westen an die Mur. Selbstredend begeleitet vom üblichen Murren, wenn es einen Transfer zwischen Sturm und Rapid gibt. Aber: Günter Kreissl ist von diesem Wechsel absolut überzeugt und sieht im neuen Mann mehr als nur einen Ersatz für ‚Lyko‘. Einer der besten Linksverteidiger mit österreichischem Pass sei Schrammel, trotzdem er zuletzt bei Rapid keine Rolle mehr gespielt hat und immer wieder mit Verletzungen kämpfte. Vor allem seine Qualität bei Flanken und die Stärke in der Arbeit nach hinten werden wiederholt unterstrichen. Besonders Letzteres wäre nicht ganz verkehrt, bekam der SK Sturm doch über die linke Seite die meisten seiner Gegentreffer im Herbst. Thomas Schrammel wird mangels Alternativen auch unmittelbar Stammspieler sein und wahrscheinlich bereits in Mattersburg beim Auftakt in der ersten Elf stehen.

 

"Nicht zuletzt wird es interessant zu beobachten sein, wie Heiko Vogel mit dem Nachwuchs umgeht. Er gilt als Förderer von Talenten, fiel sogar mit dem Sager auf, dass es seine verdammte Pflicht sei, jungen Leuten eine Chance zu geben. Ein erstes Indiz, dass das ernst gemeint ist: Der 17-jährige Lukas Fadinger wurde zu den Profis befördert." - Jürgen Pucher über Heiko Vogel

Paradigmenwechsel auch bei Jugendspielern?

Ansonsten ist der auf den ersten Blick sehr gefestigte Kader, der auch von Heiko Vogel mehrmals ob seiner Qualität sehr gelobt und als einer der Hauptgründe für sein Anheuern in Graz bezeichnet wurde, bei genauerem Hinsehen durchaus ein fragiles Konstrukt. Deni Alar sollte sich nach der Erkrankung von Philipp Zulechner lieber nicht verletzen und nicht umsonst verdichten sich die Gerüchte um eine leihweise Rückkehr von Bright Edomwonyi, der in der Türkei nicht glücklich wurde. Insbesondere ab dem Sommer droht aber eine Baustelle. Einige Leistungsträger könnten nach Vertragsende weiterziehen, je besser das Frühjahr verlaufen wird, desto höher könnte diese Zahl werden. Jungstar Dario Maresic ist bereits jetzt ein Fixabgang nach Saisonende, Leute wie Potzmann oder Stefan Hierländer werden bei stabiler Leistung Begehrlichkeiten in großer Zahl wecken. Hier ist Günter Kreissl in Kooperation mit seinem neuen Übungsleiter gefragt, um über den Sommer hinaus 2018 einen konkurrenzfähigen SK Sturm in die Liga zu schicken.

 

Nicht zuletzt wird es interessant zu beobachten sein, wie Heiko Vogel mit dem Nachwuchs umgeht. Er gilt als Förderer von Talenten, fiel sogar mit dem Sager auf, dass es seine verdammte Pflicht sei, jungen Leuten eine Chance zu geben. Ein erstes Indiz, dass das ernst gemeint ist: Der 17-jährige Lukas Fadinger wurde zu den Profis befördert und der offensive Mittelfeldmann sammelte bei den Tests bereits fleißig Spielminuten. Auch Jörg Wagnes von den Amateuren kam in der Vorbreitung immer wieder zum Einsatz. Und dann gibt es da noch die ewige Hoffnung Sandi Lovric. Im Herbst zunächst das erste Mal auch bei Foda wirklich Stammspieler, kam er, nachdem sich sein Vertrag ab einer gewissen Anzahl an Spielen automatisch ein Jahr verlängerte, wieder kaum noch zum Einsatz. Die Frage hier: Wird Vogel, der ‚Mann für die Jugend‘, auch bei der nachhaltigen Integration von Jugendspielern einen Paradigmenwechsel vollziehen, nachdem sein Vorgänger doch im Zweifel eher zur Routinier-Absicherungsvariante tendierte?

 

Alles in allem sind die Vorzeichen für den Sturm-Start ins Frühjahr unter neuer Führung nicht die Schlechtesten. Nichtsdestotrotz werden die Auftaktpartien, wie für jeden neuen Trainer überall auf der Welt, wesentlich sein. Insbesondere die Heimpremiere gegen den WAC am 10. Februar sollte nicht unbedingt schief gehen. In jedem Fall wird der Fußball aus Graz, nicht nur der Trainer, aber ein anderes Gesicht haben als im Herbst.

 

>>> Alle 12 Meter von Jürgen Pucher auf einen Blick

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