Foto: © GEPA 12Meter / 2017

Im Gleichschritt in den Winter

Eine Zwischenbilanz zur aktuellen Bundesliga-Saison zeigt vor allem ein massives Schwächeln der Wiener Vereine und ein bereits ordentlich enteiltes Paar. Ein Ausblick zeigt, dass wohl Red Bull weiterhin in der Pole Position steht.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Der Winterkönig wurde in der heimischen Bundesliga heuer nach 20 Spielen gekürt und der heißt SK Sturm. Auch deshalb, weil Red Bull am Ende vielleicht doch der Europa League-Gruppenphase ein wenig Tribut zollen mussten und das eine oder andere Mal öfter als zu erwarten umgefallen ist. Aber Marco Rose holte mit seinen Kickern zwei Runden davor den Titel als Herbstmeister. Er fand eine solche Auszeichnung zwar ‚befremdlich‘, aber es ist zumindest für jeden etwas dabei. So oder so stehen diese beiden Leader-Teams, verglichen mit den letzten Jahren, doch für eine wesentliche Neuerung. Fast im Gleichschritt marschierten beide sehr schnell in der Spielzeit vorne weg.

 

Die Kräfteverhältnisse haben sich neu zugespitzt und verteilt. Zwei Klubs sind meilenweit voraus, Sturm und Red Bull haben sich vor dem Frühjahr einen Respektabstand erspielt. Dann kommen bis Platz sieben Mannschaften, die sich innerhalb genauso vieler Punkte positioniert haben, wie der Zweite vor dem Dritten liegt. Im Niemandsland halten sich Mattersburg und Wolfsberg auf, dass St. Pölten nicht den letzten Platz belegen wird, glaubt wohl nicht einmal mehr Trainer Oliver Lederer. Er kann sich ab sofort auf die Relegationspartien gegen den Abstieg einstellen, die seine Mannschaft bestreiten wird müssen.

 

Wiener Klubs spielen nur eine Nebenrolle

Das Enttäuschen der Wiener Klubs in dieser Saison ist frappant. In Hütteldorf ist keine Rede mehr von Top 50 in Europa oder gar Mission 33. Unlängst hat man sich im Wiener Westen zwar ein wenig erfangen, angesichts des zur Verfügung stehenden Kaders kann vor allem der große Rückstand nach etwas mehr als der Hälfte der Spielzeit nicht zufriedenstellend sein. Damir Canadi konnte sich bei seinem letzten Österreich-Besuch eine Spitze gegen seinen Ex-Klub nicht verkneifen. „Heute lese ich, dass alle glücklich sind, wenn sie Dritter sind. Letztes Jahr hat es nur geheißen, dass man Meister werden muss.“ Die Komfortzone bei Grün-Weiß sei zu hoch, der Kader müsste weiter vorne stehen, ließ der im Unfrieden geschiedene Übungsleiter kein gutes Haar an Rapid. Um zumindest stabil in den Europa League-Rängen zu bleiben, muss der SCR schlichtweg öfter ins Tor treffen. Ballbesitz allein gewinnt keine Spiele, ist mittlerweile ein geflügeltes Wort.

"Vor allem die Art und Weise, wie die Thorsten Fink-Mannschaft Fußball spielt, lässt einen oft ratlos zurück, Verletzungspech hin oder her. Dazu kommen merkwürdige Transfers und langsam knirscht es zwischen Trainer und Sportdirektor." - Jürgen Pucher über die Austria

Auch die Violetten aus der Hauptstadt haben vor der Saison größere Töne gespuckt. Die Realität lautet allerdings Platz sechs und 18 Punkte Rückstand auf die Spitze. Vor allem die Art und Weise, wie die Thorsten Fink-Mannschaft Fußball spielt, lässt einen oft ratlos zurück, Verletzungspech hin oder her. Dazu kommen merkwürdige Transfers und langsam knirscht es zwischen Trainer und Sportdirektor. Präsident Wolfgang Katzian ließ sich neulich außerdem keine eindeutige Rückendeckung für Franz Wohlfahrt mehr entlocken, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Die letzten Austria-Wochen bestanden im Wesentlichen daraus, sich mit Durchhalteparolen in den Winter zu retten. Von einem zufällig passierten Endspiel in der Euro League-Gruppenphase einmal abgesehen, wo man dann aber doch sang- und klanglos gescheitert ist. Im Frühjahr kämen viele angeschlagene Spieler retour, dann würde alles gut, sagen sie in Favoriten. Man wird sehen.

 

Wer ist in der Pole Position?

Aber wer hat nun die bessere Ausgangsituation für das Rennen ganz vorne? Red Bull hat in seinen guten Phasen im Herbst gezeigt, wie enorm dominant man sein kann und wie überlegen die Einzelspieler im Kader sind. Zudem stellt Marco Rose seine Mannschaft sehr variantenreich und taktisch extrem flexibel auf, was natürlich für die Gegner die Sache nicht einfacher macht. Im Paket ist wohl die Mateschitz-Zweitmannschaft weiterhin Favorit auf den ersten Platz in Österreich. Der SK Sturm kann nur dann auf Augenhöhe um den Titel konkurrieren, wenn mehrere Dinge zugleich eintreffen. Zunächst muss Neo-Coach Heiko Vogel von Anfang an ‚funktionieren‘. Allein das wird schwer genug werden.

 

Außerdem müssen die Grazer vom Verletzungspech verschont bleiben, die zweite und dritte Reihe fällt im Vergleich dann doch massiv ab. Es ist am Ende schlichtweg so, dass bei Sturm absolut alles klappen muss und Red Bull allein schon mit der Vermeidung großer Fehler oder Patzer zum Titel kommen wird. Es wird also an Schwarz-Weiß liegen, ob das Titelrennen bis in den Frühsommer spannend bleibt. Der scheidende Trainer hat es in seiner unnachahmlichen Art zwar weder geschafft, sich über seinen Nachfolger besonders wertschätzend zu äußern, noch hatte sein ach so emotionales Abschiedsspiel in Liebenau besonders viel authentische Herzlichkeit zu bieten (man soll eben nicht dann einmal machen, was vorher nie geprobt wurde). Aber er hat an der Spitze liegend übergeben und vielleicht gelingt Heiko Vogel ja, was ihm im Moment nur wenige zutrauen: Die vorhandene Basis noch zu verbessern. Nicht nur im Sinne der Sturmfans, auch im Sinne einer spannenden Meisterschaft wäre das wünschenswert.

 

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