Sturm in Europa: Emotionale Rückkehr nach Liebenau
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Sturm in Europa: Emotionale Rückkehr nach Liebenau

Endlich wieder Liebenau statt Klagenfurt für die Schwoazn in Europa. Und was war das für eine Rückkehr? Sturm feiert einen emotionalen Sieg gegen die Glasgow Rangers und auch abseits der Emotionen gibt es so einiges an Erkenntnissen.

Paul Barnes, für die BBC Scotland in Graz, um vom Europa-League-Spiel Sturm gegen Glasgow Rangers zu berichten, sagte kurz vor dem Anpfiff zum Podcast "BlackFM": "Rangers have nothing to fear from Sturm". Und das, obwohl die Schotten durchaus turbulente Zeiten durchleben. Die Fans lehnen den neuen Trainer Russell Martin ab und in der Liga gab es erst einen Sieg im laufenden Bewerb.

Magischer Europacup

Und Paul Barnes sollte auch irren. Die Schwoazn präsentierten sich von Anpfiff weg in sehr guter Verfassung und das "Kollektiv Liebenau" – Mannschaft und Fans – spürte bald, dass an diesem Abend etwas möglich ist. Was folgte, war das, was man gemeinhin eine magische Europacup-Nacht nennt.

Trainer Jürgen Säumel und sein Team haben es geschafft, trotz turbulenter Nebengeräusche in der Transferzeit, mit dem was da ist, etwas Funktionierendes auf den Platz zu stellen.

Jürgen Pucher

Das Spiel hatte alles, wofür man solche Partien liebt. Flutlicht, eine tolle Choreo der Fans, eine groß aufspielende Heimmannschaft in der ersten Halbzeit und eine 2:0-Pausenführung. Nach Wiederanpfiff den Anschlusstreffer der Gäste, eine Dreiviertelstunde Kampf gegen den Ausgleich und einen Hexenkessel von Stadion, der nach Kräften mithalf, um den knappen Sieg ins Ziel zu bringen.

Dazu kamen der emotionale Moment des Kiteishvili-Tores, der gerade nach einem Vorfall in seiner Familie aus Georgien zurückgekehrt war, ein fulminant parierender Oliver Christensen im Tor und ein Tomi Horvat, der seit Wochen in Hochform spielt und mit einer überraschenden Freistoß-Variante die Rangers-Abwehr vor dem 2:0 wie eine Schülermannschaft aussehen ließ. Ein Spiel wie ein Drehbuch.

Säumel hält Kurs

Aber dieses Spiel hat auch abseits der Emotion so einige aufschlussreiche Erkenntnisse geboten. Zuallererst: Diese Mannschaft ist ganz offensichtlich intakt, ist bereit alles am Platz zu lassen und hält dagegen, auch wenn es ungemütlich wird. Trainer Jürgen Säumel und sein Team haben es geschafft, trotz turbulenter Nebengeräusche in der Transferzeit, mit dem was da ist etwas Funktionierendes auf den Platz zu stellen.

Der Fußball ist noch keine Augenweide, der Kader hat ganz offensichtlich die eine oder andere Schwachstelle, aber das Potenzial ist erkennbar und die Mentalität ist überragend. Säumel - nach außen unaufgeregt, nach innen einer, der mehr bewirkt, als ihm viele zutrauen - hat das Schiff wie schon im Frühjahr ruhig durch alle Wellen gesteuert.

Wenn die sportliche Leitung es schafft, mit Säumel gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen und das nach außen auch ausreichend gut zu erklären, dann steht einer erneut erfreulichen Saison wenig im Weg.

Jürgen Pucher

Und er hat am Donnerstag gegen die Rangers alles richtig gemacht. Mit dem Startelf-Debüt von Belmin Beganovic Mut bewiesen und belohnt worden, sein Wunschstürmer Maurice Malone, der entscheidend zum Führungstreffer beigetragen hat, kommt immer besser zur Geltung und er hat zu den richtigen Zeitpunkten gewechselt. Zum Beispiel den strauchelnden Tim Oermann rechtzeitig erlöst, der von Djeidi Gassama auf seiner rechten Seite ziemlich auseinandergenommen wurde. Jeyland Mitchell kam zu seinem Debüt für Sturm und sorgte gleich für ein Raunen im Publikum, wirft der gute Mann den Ball beim Einwurf scheinbar mühelos von der Coachingzone zum Elferpunkt.

Kommunikation und Kooperation gefragt

In der Länderspielpause Mitte Oktober wird es eine eingehende Kaderanalyse geben, wie Jürgen Säumel vor dem Rangers-Spiel bei "BlackFM" angekündigt hat. Nachdem ausreichend Spiele ins Land gezogen sind, wird hinsichtlich der Wintertransferperiode analysiert, wo es hakt, wo man reagieren sollte und ob der eine oder andere Spieler eventuell durch eine Leihe zu mehr Spielpraxis kommen könnte.

Man wird unter anderem zu der Erkenntnis gelangen, dass es auf der rechten Abwehrseite eine Baustelle gibt. Der Cheftrainer und sein Team bauen mehr und mehr Vertrauen auf und es bleibt zu hoffen, dass es in der Winterübertrittszeit dann nach innen und außen eine bessere Kommunikation bei Sturm geben wird, als das im Sommer der Fall war.

Dass Säumel weiß, was er tut, sollte langsam allen klar sein. Wenn die sportliche Leitung es schafft, mit ihm gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen und das nach außen auch ausreichend gut zu erklären, dann steht einer erneut erfreulichen Saison für den SK Sturm wenig im Weg. Und die hysterischen Wutposter, die in den letzten Wochen ihr Unwesen trieben, würden auch ganz schnell wieder in ihren Löchern verschwinden.  

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

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