Was für eine Woche für den SK Sturm. Nach dem katastrophalen Auftritt gegen die WSG Tirol am Mittwoch, befand sich der regierende Meister endgültig im Krisenmodus. Im Umfeld brach ein Shitstorm los, die Mannschaft stand mit hängenden Köpfen vor der Kurve - Standpauke der Capos inklusive - , der Trainer war angezählt und der Präsident rief den Vorstand zusammen.
Schließlich stand am Sonntag das 203. Grazer Derby vor der Tür und allen im schwarzen Graz schwante schon Übles, für das emotional so wichtige Spiel. Und dann lief an diesem Sonntag im Dezember eine Sturmmannschaft auf das Liebenauer Fußballfeld, die von Beginn an spüren ließ: Nix da heute, wir behaupten die Vormachtstellung in der Stadt.
Sechsaugengespräch zeigt Differenzen auf
Aber der Reihe nach. Was hat sich in diesen Tagen zwischen Schlusspfiff gegen die WSG und dem Anpfiff gegen den GAK beim SK Sturm zugetragen? Präsident Jauk berichtete in Hintergrundgesprächen am Donnerstag, er würde am Abend den Vorstand zusammenrufen, um die Lage zu bewerten. Man könne jetzt nicht mehr zur Tagesordnung übergehen.
In einem Sechsaugengespräch wurde Tacheles geredet. Der Cheftrainer soll darin angeboten haben, freiwillig zurückzutreten, wenn der Verein das Vertrauen verloren hätte.
Derweil rumorte die Gerüchteküche und es schlug in alle Richtungen aus. Die Spieler würden gegen den Trainer revoltieren, man wäre bereits auf der Suche nach einem Interimstrainer für die letzten Spiele vor Weihnachten und erste Spekulationen über potenzielle Nachfolger wurden gestartet.
Am Freitag traf sich Christian Jauk dann zum Sechsaugengespräch mit Michael Parensen und Jürgen Säumel. Und in diesem Meeting wurde offenbar Tacheles geredet. Der Cheftrainer soll darin unter anderem auch angeboten haben, freiwillig zurückzutreten, wenn der Verein das Vertrauen verloren hätte.
Kein Vertrauensverhältnis
Freitagnachmittag war aber klar, das würde nicht passieren. Säumel erschien zur Spieltagspressekonferenz für das Derby am Sonntag. Er wirkte in dieser angeschlagen, der Trainer ließ aber erstmals erahnen, dass jetzt Schluss mit lustig ist. Ob er von der sportlichen Leitung genug Rückhalt bekomme, wollte er nicht kommentieren und im Kader gäbe es strukturelle Probleme.
Für Jürgen Säumel mehr als deutliche Worte und ganz grundsätzlich bekam man eine Ahnung, dass der "Vecchio Capitano" in Graz jetzt in den Angriffsmodus zu schalten beginnt. Auch Christian Jauk bestätigte nach dem Treffen mit Säumel und Parensen ein offenes Gespräch, wo vor allem Säumel mit seinem Unmut über gewisse Entwicklungen im Verein nicht mehr hinter dem Berg hielt.
Was seit Wochen kolportiert wurde, kam nun in voller Härte ans Tageslicht. Da sind zwei am Werk, die nicht miteinander können.
Dabei ginge es in erster Linie um ein fehlendes Vertrauensverhältnis und mangelnde Kommunikation zwischen dem Trainer und dem Sportchef. Was seit Wochen kolportiert wurde, kam nun in voller Härte ans Tageslicht. Da sind zwei am Werk, die nicht miteinander können. Und während Parensen wie immer wortlos im Hintergrund blieb, begann Jürgen Säumel das Heft in die Hand zu nehmen.
Schonungslose Kritik
Und seine Spieler lieferten ihm mit dem Derbysieg die Möglichkeit dafür, das noch weiter zu versuchen. Weil, eines war auch klar: Hätte Sturm diese Partie nicht gewonnen, wäre sich das für Säumel wohl nicht mehr ausgegangen, was aus dem Verein im Vorfeld auch relativ offen so bestätigt wurde. Wie schon in der letzten Saison zog der Cheftrainer, wie es sich für eine Sturmlegende gehört, aber mit einem Derbysieg den Kopf aus der Schlinge.
Seine Mannschaft ließ erstmals seit langem wieder spüren, dass es auch anders geht. Und Säumel nutzte diesen Sieg nicht dazu, wieder mit ein paar Floskeln alles seinen Gang gehen zu lassen. In der Stunde des Erfolgs stellte er sich vor die Mikrofone und hielt für seine Verhältnisse eine Brandrede.
Es fehle eine Vertrauensbasis im Verein, der Kader habe Baustellen und so könne es jedenfalls nicht weitergehen. Bumm. Offene Kritik, in erster Linie in Richtung Sportchef Parensen, die man so noch nicht gehört hat. Es war eindeutig zu spüren, dass Jürgen Säumel jetzt in die Offensive geht, agieren statt reagieren will.
Probleme liegen am Tisch, Entscheidungen sind gefragt
Und das ist auch wichtig und richtig. Die Dinge, die er angesprochen hat – einen unausgeglichenen Kader und eine fehlende Vertrauensbasis zu Michael Parensen - waren Beobachtern schon länger klar, ausgesprochen wurden sie aber nicht. Jetzt liegen sie am Tisch und es gibt zumindest einen Ansatzpunkt, um die Probleme auch anzugehen.
Und wo ist wieder einmal der Sportchef? Wo war der Michael Parensen in all den Tagen, als keiner im Umfeld mehr wusste, wie es im Verein weitergehen wird?
Die Fragen, die sich stellen, sind aber freilich: Wieso kam dieser Säumel-Vorstoß erst jetzt? Man wusste im Grunde seit Saisonbeginn Bescheid, warum warten, bis das Haus beinahe lichterloh brannte? Und wo ist wieder einmal der Sportchef? Wo war Michael Parensen in all den Tagen, als keiner im Umfeld mehr wusste, wie es im Verein weitergehen wird?
Wäre es nicht seine Aufgabe gewesen, sich hinzustellen, und die Dinge einzuordnen? Und nein, ein Halbsatz am Rande eines Trainings reicht da nicht. Unter dem Strich fehlt einem ein wenig die Idee, wie die Konstellation wieder funktionieren könnte. Ein Insider aus dem Verein ließ wissen, er könne sich nicht vorstellen, dass Säumel und Parensen noch zusammenfinden können.
Christian Jauk ist jetzt am Zug. Er hat die Informationen die er braucht, um zu entscheiden, wie es weitergeht. Und entscheiden sollte er sich bald. Die Transferzeit beginnt demnächst und er steht aktuell mit einem Sportchef und einem Trainer da, die miteinander nicht arbeiten können. Und wenn sich eine Konstellation nicht neu erfinden lässt, muss man sie beenden.
Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".
Jürgen Pucher