Oops, they did it again
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Oops, they did it again

Der alte ist auch der neue Meister. Sturm behält in einem Herzschlagfinale die Oberhand und kann den Titel verteidigen. Ein Erfolg, der nicht nur in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, sondern auch von großer Tragweite ist.

Sturm hat es tatsächlich geschafft. Die Schwoazn sind österreichischer Fußballmeister und verteidigen den Titel aus dem Vorjahr. Kapitän Stefan Hierländer beschließt mit dem Stemmen der Meisterschale in den Liebenauer Abendhimmel eine außergewöhnliche Saison, die an Spannung im Frühjahr kaum zu überbieten war. Die Elf von Jürgen Säumel behielt in einem Auf und Ab am Ende die Oberhand und krönte eine turbulente Spielzeit für die Schwoazn.

Nachträgliche Besserwisser

Dass die Austria und der WAC, Titelaspiranten bis zur letzten Runde, am Ende nur Dritter und Vierter wurden, Red Bull mit dem Heimsieg gegen Rapid noch an beiden auf den zweiten Platz vorbeizog, unterstreicht nur noch einmal dick und fett, wie verrückt dieses Meisterschaftsfinish 2024/25 war.  

Jetzt, in der Stunde des Erfolgs, sind viele Kommentatoren nachträglich besonders klug und schreiben von Geduld, die man eben mit neuem Personal haben muss.

Jürgen Pucher über die, die es nachher immer gewusst haben

Wenn wir kurz in den Jänner zurückblicken, Sturm und sein Umfeld waren durch die vielen Veränderungen im Klub gerade in einem Stimmungstief, ist der Ausgang dieser Meisterschaft mehr als bemerkenswert. Jetzt, in der Stunde des Erfolgs, sind viele Kommentatoren nachträglich besonders klug und schreiben von Geduld, die man eben mit neuem Personal haben muss. Der Erfolg, siehe da, der stelle sich dann schon ein.

Das ist freilich eine billige Plattitüde, denn hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, was beileibe nicht auszuschließen war, wären sicher nicht alle Entscheidungen so goldrichtig gewesen, wie sie jetzt dargestellt werden.

Hohe Kaderqualität

Vielmehr ist es so, dass Michael Parensen und Jürgen Säumel zu Beginn und zwischenzeitig völlig zurecht für den einen oder anderen Umstand ihres Tuns kritisiert wurden. Ihre Leistung besteht darin, dass beide die konstruktiven Teile dieser Kritik angenommen und sich weiterentwickelt haben. Das ist die wahre Leistung und die ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Dazu kam ein Kader, der hinsichtlich seiner Qualität auch nach Ausfällen und Transfers noch immer der beste in der Liga war – sportlich und mental. Nicht zufällig kamen Spieler, Tormann und Newcomer der Saison aus den Reihen des SK Sturm. Shoutout an dieser Stelle an Andreas Schicker, der viele dieser Kicker noch in seiner Zeit nach Graz geholt hat.

Das alles zusammen hat schließlich haarscharf für den Triumph gereicht. Für einen Titel im Mai 2025, der sich anders angefühlt hat als der ein Jahr davor. Damals wurde das Unmögliche, das Durchbrechen der Red-Bull-Dominanz, immer mehr zur möglichen Realität und als es tatsächlich vollbracht war, brachen alle Dämme. Heuer war die Meisterschaft immer eine Option, der Spannungsaufbau hin zum letzten Spiel ein anderer.

Sturm hat Turbulenzen weggesteckt

Aber diese Titelverteidigung, die Bestätigung einer Leistung unter teils widrigen Umständen, ist vielleicht sogar noch höher einzuschätzen. Auch wenn der große Zauber der Red-Bull-Entthronung in dieser Saison nicht das vorrangige Thema war, ist das, was geschafft wurde, mehr als außergewöhnlich.

Der fulminante Schlusspunkt dieser Saison wird in Graz rückblickend auch als eine Zäsur wahrgenommen werden. Der Umbruch kommt nämlich bestimmt und er kommt jetzt im Sommer.

Jürgen Pucher über kommende Veränderungen

Zur Erinnerung: Sturm hat im Herbst seinen kompletten Trainerstab und den Sportchef an die finanzkräftige Retorte in Hoffenheim verloren. Im Winter gingen mit Mika Biereth der beste Stürmer und mit Jusuf Gazibegovic ein weiterer absoluter Leistungsträger. Die Schwoazn blieben zudem über die gesamte Spielzeit von Verletzungen nicht verschont. Was das alles bedeutet hat, wurde an dieser Stelle im Laufe der Saison weitreichend diskutiert.

Der fulminante Schlusspunkt dieser Saison wird in Graz rückblickend auch als eine Zäsur wahrgenommen werden. Der Umbruch kommt nämlich bestimmt und er kommt jetzt im Sommer. Der Kader nach der Pause wird viele Veränderungen aufweisen, einige der Helden dieser Tage werden nicht mehr da sein.

Der Titel gehört auch den Fans

Es ist durchaus möglich, dass das die eine oder andere Schwankung in den Leistungen verursachen wird. Aber es ist bedeutend besser, das als amtierender Meister und Titelverteidiger anzugehen, als nach einer großen Enttäuschung. Michael Parensen hat mit dem erneuten Meisterteller im Klub-CV eine Handvoll bessere Argumente parat, wenn er namhafte Neuverpflichtungen tätigen will. Auch deshalb, abseits aller Emotionen, war dieser Erfolg so wichtig.

Wie sie Woche für Woche das Herz in den Stadien der Liga lassen, hat einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Erfolgslauf der letzten Jahre in Graz.

Jürgen Pucher über die leidenschaftlichen Sturm-Fans

Ein letztes Mal sei zum Schluss noch einmal die Power der Grazer Nordkurve hervorgehoben. Der Support von den Rängen, auswärts und zuhause in Liebenau, war über die ganze Saison hinweg schlichtweg grandios. Diese Kraft überträgt sich im Heimstadion auch immer mehr und immer öfter von der Kurve auf die ganze Arena.

Wie sehr ein ganzes Stadion in den letzten Minuten gegen den WAC diesen Titel nicht mehr hergeben wollte und mit ohrenbetäubendem Lärm den Ball vom eigenen Tor weg und den Schlusspfiff herbeigeschrien hat, war atemberaubend.

Dass die Kurve kurz danach "Der SK Sturm ist wieder Meister" singen konnte, haben sich die Fans nicht zuletzt auch selbst zu verdanken. Wie sie Woche für Woche das Herz in den Stadien der Liga lassen, hat einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Erfolgslauf der letzten Jahre in Graz.

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

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