Entscheidung bei Sturm: Es wird keinen Gewinner geben
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Entscheidung bei Sturm: Es wird keinen Gewinner geben

Der Meister ist in der Krise. Die sportlich Verantwortlichen funktionieren nicht und sinnvolle Alternativen sind nicht in Sicht. Wie auch immer die anstehenden Veränderungen aussehen werden, kurzfristig wird das nichts zum Besseren wenden.

Mit Niederlagen gegen Roter Stern Belgrad und die Austria beendete der SK Sturm diesen Fußballherbst. Besonders der blutleere Auftritt in Wien-Favoriten war mehr als symptomatisch für den Zustand, in dem sich der regierende Meister befindet.

Bis Weihnachten werden nun Entscheidungen getroffen, hieß es nach dem letzten Spiel von der Vereinsführung. Was das bedeutet, wird man in den nächsten Tagen sehen. Wie auch immer diese Entscheidungen ausfallen werden, die Zukunftsaussichten für die Schwoazn sind in keinem Szenario rosig.

Fehlende "Must Haves" und zerschlagenes Porzellan

Was ist die Ausgangslage? Da wäre ein Sportdirektor, der es in den letzten beiden Transferperioden nicht geschafft hat, die Qualität des Kaders zu halten. Zudem wirkt er nach einem Jahr in Graz noch immer wie ein Fremdkörper, der auch nichts dazu tut – oder es schlichtweg nicht tun kann - diesen Zustand durch ein zugänglicheres und proaktiv kommunikativeres Auftreten zu verändern, was aber im Sturm-Umfeld ein "Must Have" ist.

Im ganzen Trainerteam ist keiner mehr, der eine Kabine anzünden kann, wenn es notwendig ist.

Stimme aus der Kabine

Es steht ein Trainer an der Linie, dem zunehmend der Sturm-Fußball der letzten Jahre entgleitet und der nach und nach Rückhalt in der Mannschaft verloren hat. Wenn man mit Führungsspielern der Grazer spricht, wird vor allem die zu wenig konkrete Vorgabe für die Aufgaben am Feld sowie die fehlende Energie in der Ansprache bemängelt.

"Im ganzen Trainerteam ist keiner mehr, der eine Kabine anzünden kann, wenn es notwendig ist", sagt einer aus dieser Kabine, der nicht genannt werden möchte.

Dazu kommt auch noch, dass sich der Sportdirektor und der Trainer nicht verstehen, unterschiedliche Auffassungen haben und schon so viel Porzellan zerschlagen ist, dass die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit unisono als äußerst unwahrscheinlich beschrieben wird.

Aktuelle sportliche Leitung war ein Irrtum

Wir reden von Michael Parensen, der über eine halbe Ewigkeit nur das kannte, was bei Union Berlin gemacht wurde, und das ist ein komplett anderer Fußball und eine komplett andere Vereinskultur als bei Sturm. Es wirkt, als hätte er nie ganz verinnerlicht, was es für den Sturm-Fußball und den dazugehörigen Klub braucht.

Wir reden außerdem vom ruhigen introvertierten Jürgen Säumel, der eben nicht der exzentrische Christian Ilzer ist. Der Coach ist wie er ist und wird das auch nicht ändern können. Aber dann ist vielleicht Sturm, sein Herzensverein, der so viel Emotionalität einfordert, nicht die richtige Adresse für ihn.

Seit Sommer war absehbar, dass das alles nicht in die richtige Richtung gehen könnte. Aber wie schon damals, als sich der Abgang von Schicker und Ilzer seit Monaten angekündigt hat, ist der Verein nicht darauf vorbereitet.

Jürgen Pucher

Und dann geht es bei all dem um Präsident Christian Jauk und seinen Vorstand, der sicher nach dem Doppelabgang von Andi Schicker und Christian Ilzer versucht hat, alle Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen.

Bei den letzten beiden wichtigen Jobs haben sich Jauk und Co aber schlichtweg geirrt.

Nichts kam überraschend

Und wir haben einen Zustand, der nicht erst jetzt offensichtlich wurde, sondern einen, der sich seit Monaten in all diesen Bestandteilen abgezeichnet hat. Spätestens als nach einer angekündigten Kaderanalyse in der Oktober-Länderspielpause noch immer alles beim Alten blieb, keinerlei Selbstreflektion der sportlichen Leitung stattgefunden hat und weiterhin offensichtliche Baustellen geleugnet wurden, hätten beim Präsidenten alle Alarmglocken schrillen müssen.

Geschehen ist nichts. Jetzt steht die nächste Transferperiode vor der Tür und Messendorf ist eine Baustelle. Anstatt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und die notwendigen Adaptierungen im Kader auf den Boden zu bringen, rauchen die Köpfe im Vorstand, wie man denn nun da rauskommen könnte.

Und sie rauchen wie erwähnt zu spät. Seit Sommer war absehbar, dass das alles nicht in die richtige Richtung gehen könnte. Aber wie schon damals, als sich der Abgang von Schicker und Ilzer seit Monaten angekündigt hat, ist der Verein nicht darauf vorbereitet.

Beide raus?

Jetzt steht man da, überlegt hektisch, was zu tun ist und hat vor allem keine Alternativen parat, für etwaige Veränderungen beim Personal.

Dazu kommt: ein einzelner Eingriff, also die Trennung von Sportchef oder Trainer, würde das Problem nicht lösen. Der Output von Beiden ist ungenügend, beide machen zudem nicht den Eindruck, als hätten sie das Potenzial, die notwendige Kehrtwende hinzukriegen.

Es wird mittelfristig in Graz keinen Gewinner geben, nur einen Verlierer: Den SK Sturm.

Jürgen Pucher

Also beide raus? Wahrscheinlich wäre das die richtige Entscheidung. Das wird Christian Jauk sich aber nicht trauen, es fehlt einfach die Idee, wie man in der Jänner-Transferzeit die notwendigen Adaptierungen ohne einen sportlichen Leiter abwickeln soll.

Was wird also passieren?

Jürgen Säumel wird wohl als erstes gehen müssen und Michael Parensen vorläufig im Amt bleiben. Das bedeutet, ein angezählter Sportchef, der im Verein wenig Vertrauen genießt, soll einen neuen Trainer finden und den Kader wieder in eine vernünftige Balance bringen.

Das ist ein wenig so, als würde man einen Baumeister, nachdem er schon zwei Häuser nicht dem Kundenwunsch entsprechend gebaut hat, mit einem dritten, noch komplizierteren, Projekt beauftragen. Das könnte theoretisch klappen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber äußerst gering.

Es wird mittelfristig in Graz keinen Gewinner geben, nur einen Verlierer: Den SK Sturm.

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

VIDEO: Säumel und Sturm - wie geht es weiter?

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