Der eisige Wind bläst auch durch das neue Weststadion

Neues Stadion hin oder her: Sportlich gesehen hat sich Rapid im vergangenen halben Jahr katastrophal entwickelt. Gelingt es Fredy Bickel und Damir Canadi, den eisigen Westwind aus dem Allianz Stadion zu vertreiben? Von Georg Sander, Michael Fiala und Davi

 

Es war alles angerichtet: Das neue Stadion wurde mit Pauken und Granaten gegen Chelsea eröffnet, Ried wurde im ersten Meisterschaftsspiel mit 5:0 in das Innviertel zurückgeschossen. Die neue Festung Weststadion war geboren, doch bekanntlich zerbröckelte diese in den Herbstwochen des Jahres 2017 und endete mit dem Doppelrauswurf Müller/Büskens – die Notbremse von Präsident Krammer, der sich eine Watschn durch die Mitglieder bei der Hauptversammlung so ersparte.

 

Fredy Bickel 2 Gepa Pictures Wien Energie

 

Kann es der Bickel?
In Zukunft sollen es Fredy Bickel als Sportdirektor und Damir Canadi als Trainer richten. Canadi hat bereits als Notnagel während der Saison seine „Erfahrungen“ mit dem aktuellen Zustand der Rapid-Elf gemacht, sein Einstand kann alles andere als erfolgreich beurteilt werden. Das muss sich im Frühjahr ändern: Dazu sollen Spieler abgegeben werden, um evtl. neue zu holen. Über das Wirken des neuen Sportdirektors wird man sowieso erst nach Ende der Saison urteilen können. Fredy Bickel gilt als Experte der Branche, der aber in der Schweiz auch mit dem entsprechenden Budget versorgt wurde. Rapid hat zwar mehr als früher, der Geldhahn wird aber wegen ihm auch nicht ewig fließen, das hat Rapid-Präsident Krammer schon mal klar gemacht.

 


Zuschauerboom – und Absturz

Natürlich gab das neue Stadion dem SK Rapid Wien einen ordentlichen Boost bei den Zuschauern. 21.483 Fans pilgerten durchschnittlich zu den Heimspielen ins neue Allianzstadion in Wien-Hütteldorf, ausverkaufte Spiele inklusive, die den Hauch von Deutscher Bundesliga nach Österreich gebracht haben. Doch auch das konnte man sehen: Gegen St. Pölten fanden sich nur Hanappi-Stadion-verdächtige 14.200 ins allseits geliebte Allianz-Stadion ein. Da konnte man fast schon wieder den eisigen Westwind von früher spüren.

 



 

Viele, junge Spieler in grün-weiß

Punkto Zukunftsorientierung schaut für Rapid gut aus. Rapid stellt nach der Austria und Salzburg die meisten jungen Spieler. Während die Geschichte über die ach so junge Rapid-Elf früher oft eher eine Geschichte für Interviews nach verlorenen Spielen war, stimmt sie nun. Junge Spieler wie Tamas Szanto oder der noch immer erst 22-jährige Louis Schaub spielen an der Seite von neuen Youngsters wie Maneul Thurnwald. Andere können Profiluft schnuppern, wie Kelvin Arase oder Osarenren Okungbowa.

 

scr u23

 

Auch wenn es sportlich nicht so gut gelaufen ist, wie man sich das für das erste halbe Jahr im neuen Stadion und vor vielen neuen und alten Fans gewünscht hat, steht die Selbstverpflichtung zu jungen Spielern. Im Grunde genommen macht das die Sache noch besser: Denn wenn's gut läuft, dann kann jeder Klub jungen Kickern eine Chance geben. Es wenn es schlecht läuft zu tun, verdient ein Kompliment.

 


Die Systemumstellung

Begonnen haben die Rapidler ihre Saison mit Trainer Mike Büskens, der Zoran Barisic nachfolgte. Unter ihm gab es kaum Veränderungen, man blieb größtenteils beim 4-2-3-1 und presste aus dem Mittelfeld heraus. Hierbei wandte man eine mannorientierte Spielweise an, die oftmals Zuordnungsprobleme und Lücken im eigenen Abwehrverbund schuf. Geändert hatte sich vor allem das Personal, wie 90minuten.at bereits weit vor der allgemeinen Rapid-Krise analysierte. Im Aufbauspiel war man vor allem dank Mocinic etwas flexibler, hatte aber vor allem im letzten Drittel immer wieder Probleme, konstant saubere Angriffe heraus zu spielen. Dies zeigte sich zum Beispiel im Herbst gegen Sturm, wo man gegen sehr mannorientierte Grazer nur schwierig nach vorne kam. In der zweiten Halbzeit passte Büskens die Sechserrollen etwas an und es lief besser. Solche Anpassungen waren jedoch Seltenheit.

 

Canadis deutliche Veränderungen

Unter dem neuen Trainer Damir Canadi sah man schon im zweiten Spiel deutliche Veränderungen des Systems. Zu allererst agieren die Rapidler nun in einem 3-1-4-2/3-5-2/3-4-1-2, das je nach Gegner angepasst wird und Canadi schon in Altach ähnlich praktizieren ließ. Im Mittelfeldpressing formiert man sich hier meist in einem 5-3-2 mit pendelnder Viererkette, die Stürmer agieren recht breit und versuchen die Halbräume abzudecken, während immer wieder ein zentraler Mittelfeldspieler zwischen den beiden nach vor sticht. Im Ballbesitz forciert man die Halbräume und Pässe von dort in den Zwischenlinienraum, vor allem Schaub ist hier Zielspieler, der mit seinen Nadelspieler-Qualitäten zu überzeugen weiß. Auch Flanken sind jedoch aufgrund des Stürmermaterials mit Kwilitaia und Joelinton ein probates Mittel, wenngleich es nicht übertrieben genutzt wird.

 


Wundertüte Frühjahr

Der Druck auf Canadi im Frühjahr ist groß. Er muss es in der Winterpause schaffen, den letzten Büskens-Barisic-Gedanken aus der Elf hinauszubekommen, seine eigenen Fußabdrücke zu hinterlassen; gleichzeitig wird Rapid wohl noch den einen oder anderen Spieler abgeben, möglicherweise aber keinen hinzunehmen. Und dann muss die Kampfmannschaft das "nur  noch" auf den Platz bringen. Das sportliche Ziel gleicht einer Mission Impossible: Auf Rang 3 (Europa League) hat Rapid 12 Punkte Rückstand. Während Rapid also dringend regelmäßig voll punkten muss, braucht es auch einen Einbruch zweier Klubs aus den Top vier.

 

Michael Krammer Novemb 2016 Gepa Pictures>>> Michael Krammer im 90minuten.at-Interview im November 2016: "Muss ich ein Hund gewesen sein, um ein guter Tierarzt zu sein? 

 

 

Das Vertrauen in Canadi ist groß, viel größer ist aber die Hoffnung, dass seine Ideen nicht  nur mittelfristig sondern auch rasch greifen. Denn eines will sich in Hütteldorf aktuell niemand vorstellen: Eine Saison 2017/18 ohne Europacup. Doch halt: Es gibt noch den ÖFB-Cup. Doch daran glaubt in Hütteldorf schon lange keiner mehr, dann schon eher an den eisigen Westwind …

 

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Bisher analysiert:

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