Bayern - die gezeichnete Geschichte
Die Geschichte der Bayern ist gezeichnet - von Erfolgen, Rückschlägen sowie großen und kleinen Geschichten. Sascha Dreier hat die Bayernstory nun tatsächlich gezeichnet. Gelesen von Jürgen Zacharias
Es ist ja nicht so, dass die Bayern seit ihrer Gründung vor 117 Jahren wenig erlebt hätten. Da waren glorreiche Siege im Europapokal, spektakuläre Schützenfeste in der Meisterschaft, dramatische Duelle mit Mönchengladbach und Werder Bremen, knapp vergebene Titel, persönliche Tragödien und Triumphe und ein desaströses Last Minute-Finale in der Champions League. Die Vereinsgeschichte gibt aber noch viel mehr her, begann die Action doch schon, bevor es den Klub gab. Am 27. Februar 1900 kam es im Münchner Gasthaus „Bäckerhöfl“ bei einer Sitzung der Fußballabteilung des MTV München nämlich zum großen Streit. Die Generalversammlung des Männer-Turn-Vereins hatte zuvor den von den Fußballern erwünschten Beitritt des Vereins zum Verband Süddeutscher Fußball-Vereine abgelehnt, weshalb eine Kicker-Fraktion auszog und noch am selben Abend den FC Bayern gründete.
Detailverliebtheit
Zeichner Sascha Dreier setzt diese Episode (die Gründungsfarben waren übrigens Blau-Weiß!) an das Beginn seiner „Bayern-Story“ (Werkstatt Verlag, 2016). In 27 weiteren Kapiteln holt er daran anschließend die wichtigsten Vereins-Wegmarken ins Hier und Jetzt. Dabei beweist er viel Detailreichtum (etwa bei der Gestaltung der historisch korrekten Trikots und Stadien), aber auch seinen Sinn für Humor, den er schon in seinem Buch „Der Papierene – das Leben des Fußballstars Matthias Sindelar“ zeigte. Ösi-Export David Alaba findet sich im Bayern-Werk etwa verdutzt dreinblickend mit Alpenhut wieder, Arturo Vidal bläst mit Speer und Schild zur Attacke und Douglas Costa erweist sich dank gleich sieben Beine als Meister des Dribblings. Ihr Fett weg bekommt natürlich auch die große Bayern-Elf der 1970er-Jahre, in der Sascha Dreier Franz Roth als stämmigen Bullen zeichnet, Paul Breitner als Mao-Fanatiker, Sepp Maier als unüberwindbaren Torchancen-Killer und Franz Beckenbauer – Überraschung! – als Kaiser.
Manko: Zu viel Neuzeit
Schön ist auch die Idee Pep Guardiola als Steuermann eines riesigen Killer-Roboters zu illustrieren, der die Bundesliga-Konkurrenz (Werder! Paderborn! Hamburg!!!) mit einem gigantischen Laserstrahl regelrecht pulverisiert. Besonders gelungen ist auch die Aufarbeitung des Spieleraufstands 1979, als die Bayern-Kicker gegen die Bestellung von Max Merkel zum neuen Trainer revoltierten. Als Folge davon trat Präsident Wilhelm Neudecker zurück, der Trainer-Exzentriker durfte kein Bayern-Spiel leiten und wurde zwei Jahre fürs Nichtstun bezahlt. Das einzige (kleine) Manko der „Bayern-Story“: Gleich sieben Episoden widmen sich der Zeit von 2012 bis heute – im Vergleich zu den 112 Jahren Vereinsgeschichte davor überproportional viel. Da hätten wir uns vielleicht noch ein wenig mehr Geschichtliches gewünscht. Aber geschenkt. Der Rest ist gut gelungen und für gut informierte Bayern-Fans ebenso interessant (weil eben schön gezeichnet), wie für Fußballinteressierte. Nur Hasser des Münchner Kick-Ensembles sei von einem Kauf dringend abgeraten, um den sprichwörtlichen Bayern-Dusel kommt nämlich auch Sascha Dreier nicht umhin.