2016

Kollers 2016er-Bilanz: ‚Wollen wir unsere Spielweise, die wir über 5 Jahre aufgebaut haben, verlassen?‘

Einen Tag nach dem 0:0 gegen die Slowakei zog Marcel Koller seine persönliche Bilanz zum Länderspieljahr 2016.

 

Marcel Koller …

… über das Jahr 2016: „Man muss feststellen, dass es ergebnistechnisch kein erfolgreiches Jahr war mit sechs Niederlagen, bei drei Siegen und drei Remis. Anfang des Jahres haben wir nach der grandiosen Qualifikation gemerkt, dass es schwierig wird, das zu bestätigen. Wir haben auch gespürt, dass die Spieler im März, als sie zum ersten Lehrgang kamen, verunsichert waren. Die Leichtigkeit war ein bisschen weg, das hat man gespürt und das hat sich auch in den Mai reingezogen. Die Spieler haben auch nachgefragt, warum wir nicht so weitergespielt haben, wie in der Qualifikation. Damals hatten wir auch viele enge Spiele, hatten aber auch das Quäntchen Glück, starke Torhüterparaden, der Gegner hat an die Stange geschossen, etc. Dass es nicht immer so weiter gehen kann, haben wir alle gemerkt. Ich denke, ich habe das relativ früh gesagt, dass man sich nicht ausruhen darf, wenn man oben ist, dass der Erfolg nicht von alleine kommt und dass man sich in den Hintern kneifen muss. Wenn man rein auf die Ergebnisse schaut, haben wir das anscheinend nicht gemacht. Man kann der Mannschaft aber nicht den Vorwurf machen, dass sie nicht alles versucht hat oder schlampig gespielt hätte. Der eine oder andere hat gemerkt, dass er vielleicht nicht in Form war oder auch nicht in den Rhythmus kam. Wir haben aber weiter auf diese Spieler gesetzt, dadurch sind wir ein gewisses Risiko gegangen, wenn der eine oder andere noch ein wenig angeschlagen war. Wir wussten auch, dass wenn sie nicht im Rhythmus sind, dass gewisse Dinge abgehen, das haben wir zuvor auch schon gemerkt. Es ist wichtig, dass sie auf diesem Level spielen können. Wir waren auf Platz 10, sind jetzt weiter zurückgefallen. Die Luft da oben ist eben sehr dünn, es sind sehr enge Spiele. Wir haben keine Abfuhren bekommen, es sind meisten enge Ergebnisse mit 1-2 Toren unterschied.“

 



 

… über die EM 2016 in Frankreich: „Ich denke, dass wir die EM gut vorbereitet haben. Wir haben alles unternommen, was zu diesem Zeitpunkt für uns wichtig war, um die Spieler auf dieses Großereignis einzustellen. Dass wir nicht das erreicht haben, was wir uns erwartet haben, darauf brauchen wir nicht näher eingehen, das haben wir schon besprochen.“

 


Marcel Koller ...

… über den bisherigen Verlauf der WM-Qualifikation: „Mit dem bisherigen Verlauf in der WM-Qualifikation sind wir Ergebnistechnisch nicht zufrieden. In Georgien hätten wir das dritte Tor erzielen und einen Lauf bekommen können. Stattdessen bekommen wir ein Tor. Beim Wales-Spiel hätten wir gewinnen können – Wales war Halbfinalist bei der Euro. Wir haben aber auch hier ein Tor zu viel bekommen, die Mannschaft hat sich aber zurückgekämpft. Gegen Serbien haben wir Dinge falsch gemacht, sonst bekommen wir nicht drei Tore. Wir waren defensiv nicht immer gut organisiert, für ein Auswärtsspiel hatten wir aber gute Möglichkeiten für ein 3:3 oder auch das Spiel zu gewinnen. Und jetzt das letzte Spiel gegen Irland haben wir versucht, unseren Fußball zu spielen. Leider haben wir die Torchancen nicht verwertet. Leider will der Ball nicht über die Linie, das haben wir gegen die Slowakei auch noch einmal gesehen. Wenn man so wie gegen Irland vorne den Ball verliert, sollten noch genügend Leute da sein, die das ausgleichen.“

 

… über die weitere Entwicklung: „Nichts desto trotz glaube ich, dass wir da weitermachen sollten. Wir müssen konsequent versuchen, diesen Weg weiterzugehen. Es ist schwierig, kurzfristig Dinge zu verändern im großen Bereich, wenn man neue taktische Varianten lernen möchte. Wir haben die Dreierkette sicher im Kopf, um mehr Druck zu erreichen. Es sind viele kleine Dinge, um wieder dorthin zu kommen, wo wir schon einmal waren. Ich werde die Spiele gegen Irland und Slowakei noch einmal analysieren. Gestern haben wir gegen die Slowakei gesehen, dass wir Probleme haben, Tore zu erzielen. Die Selbstverständlichkeit ist derzeit nicht gegeben. Wir haben Spieler gesehen, die auch nicht regelmäßig gespielt haben, zwei hatten noch gar kein Spiel. Lazaro hat auf einer neuen Position gespielt, Lukse und Madl waren komplett neu. Wenn wir ein paar Tage zurückblicken: Das Nationalteam ist halt auch ein anderes Niveau. Das hat man auch bei Schöpf gesehen. Die Medien haben dann immer geschrieben, Schöpf muss von Anfang an spielen. Das ist ein junger Spieler, der Druck ist dann enorm. Wir können unterstützend wirken, aber es ist nicht selbstverständlich, dass man dann die Leistung sieht, die man eine Woche zuvor gesehen hat. Hier müssen wir von unserer Seite her nachsichtig sein und müssen versuchen den Spielern Lösungen mitzugeben, um es das nächste Mal besser zu lösen.“

 


Marcel Koller ...

… über die Ausrechenbarkeit des ÖFB-Teams: „Ein Thema ist die Ausrechenbarkeit: Die Gegner beobachten uns auch. Da sind wir beim Thema: Wollen wir unsere Spielweise, die wir über 5 Jahre aufgebaut haben, verlassen? Wollen wir nicht mehr Fußballspielen, sondern lange Bälle nach vorne spielen oder wollen wir weiterarbeiten. Das musste sich bei uns am Anfang auch weiterentwickeln, das haben wir über fünf Jahre aufgebaut. Das ist jetzt ins Stocken geraten, weil die Gegner gegen uns jetzt noch tiefer stehen. Dann ist es gut, wenn man in Führung geht. Der Ball von Sabitzer geht nicht rein, dann hätten wir die Räume bekommen und so wird es aber schwieriger für uns. Daher brauchen wir die Tore und müssen aber auch die Geduld behalten. Die Spielweise hat mit viel Selbstvertrauen zu tun. Wir sind daher natürlich froh, wenn die Spieler im Klub die notwendige Spielpraxis und das Selbstvertrauen haben, wenn sie zu uns zum Team kommen.“

 

… über den Absturz der Weltrangliste: „Wenn man auf Rang 70 ist, sucht man Spieler, die die Qualitäten haben, um vorne reinzukommen. Das haben wir gemacht, sind auf Platz 10 gelandet. Unser Ziel waren die Top 30. Ich wiederhole mich: Die Luft ist dann dünner. Österreich hat es als kleines Land dann auch schwer, wenn jemand ausfällt, die entsprechenden Leute auf diesem Niveau zu finden. Es wird immer Niederlagen geben, wir werden nicht durch die Qualifikation rauschen, als ob nichts dastehen würde. Wir haben keine 30, 40 Spieler mit der entsprechenden Erfahrung bzw. dem hohen Level. Das wussten wir von Anfang an. Daher ist es wichtig, den Teamgeist zu entwickeln. Da werde ich auch weiter dranbleiben und mich auch nicht vom Weg abbringen lassen. Wir wollen dieses Jahr abhaken, werden uns aber natürlich Gedanken machen, wie wir uns weiter verbessern können, um auf die Siegerstraße zurückzukehren. Dabei komme ich auf die bisherigen WM-Quali-Spiele zurück: Alle sind mit maximal mit einem Tor Unterschied ausgegangen, da kann man auch mal als besseres Team verlieren. Es war nicht alles schlecht, was schlecht gemacht wurde. Wir haben auf Irland sechs Punkte Rückstand, auf den zweiten vier Punkte. Da ist noch etwas möglich. „

 


Marcel Koller ...

… über das nächste Quali-Spiel gegen Moldawien: „Das ist ein Heimspiel, das wir gewinnen sollten. Die werden hinten drinnen stehen und auf Konter spielen. Dann geht es gegen Irland, da müssen wir mit entsprechend viel Selbstvertrauen hinkommen. Baumgartlinger und Schöpf werden gegen Moldawien gesperrt sein, da bräuchten wir die spielerische Qualität von Schöpf. Das ist schade.“

 

... über seine persönliche Fehleranalyse: "Ich bin der erste, der vorne weggehen muss, der versuchen muss, das zu vermitteln. ich freue mich jedes Mal, wenn die Spieler zum Team kommen, wenn ich ihnen in die Augen sehen kann. Das ist am Anfang gut geglückt, jetzt ist es schwierig, dass sie das aufnehmen. Ich weiß, dass dies nicht immer in 3,4 Tagen möglich ist, alles auf den Kopf zu stellen."

 

... darüber, ob er die Mannschaft noch erreicht: "Es braucht nicht nur dem Teamchef, es braucht alle dazu. Ich bin überzeugt davon, dass alle dahinter sind. Ich kann nichts spüren, dass ich die Mannschaft nicht erreichen kann. Vielleicht ist der eine oder andere Spieler sauer, wenn er nicht spielt."

 

... über die schlechte Ausbeute bei Standards: "Beim Nationalteam ist es halt schon immer wieder ein Zeitproblem, das einzuüben. Die Frage ist dann halt immer, ob man Trainingseinheiten für die Standards opfert. Man braucht statistisch gesehen 40 Ecken für ein Tor."

 

... darüber, ob David Alaba auch links spielen könnte: "In den ersten 4,5 Jahren ist es niemanden in den Sinn gekommen, dass Alaba links spielen soll. Dann ist natürlich auch die Frage, wer zentral spielen soll."

 

 

 

 

 

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