Erfolg ist nicht alles beim SK Sturm
Erst jüngst bildete der Sturm-Anhang beim Cup-Aus in St. Pölten einen beeindruckenden Block, rund 800 Fans kamen mit. Doch wie gestaltet sich generell das Verhältnis zwischen Erfolg und Zuschauerzuspruch in Graz? Eine Reportage von Georg Sander
Sportlicher Erfolg ist einer der Hauptfaktoren, warum Fans ins Stadion gehen. Dass sportlicher Erfolg andererseits jedoch nicht notwendigerweise ein volles Stadion bedeutet, kann in Österreich ohnehin oft beobachtet werden. So auch beim SK Sturm. Zwar gehören die Meistersaisonen 1997/98, 1998/99 und 2010/11 zu den Spielzeiten, in denen sehr viele Fans ins Stadion kamen – 97/98 ist mit 14.272 Zuschauern im Schnitt die erfolgreichste – aber ansonsten gibt es schon auch außergewöhnliche Zahlen in Graz. 1994/95 etwa, als Sturm Zweiter wurde. 5.167 Fans im Schnitt sind aber der Negativrekord seit Einführung der Zehnerliga. Das zweitbestbesuchte Jahr war dann auch 2008/09, als Sturm „nur“ Vierter wurde. In den Zuschauerstatistiken landet Sturm im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Klubs dennoch fast immer ganz vorne.
2013/14 verkalkulierte man sich ordentlich. Sturm rechnete wie in den sechs Spielzeiten zuvor mit über 10.000 Fans im Schnitt. Gekommen sind nur 7.530 – ein Nackenschlag für die budgetären Überlegungen, da geht es dann um Beträge im höheren sechsstelligen Bereich. Wobei die Treuesten der Treuen wohl sowieso kamen; nur eben der Rest nicht. Eine konservative Kalkulation des Fanzuspruchs ist daher ein wichtiger Faktor, um im Winter nicht plötzlich finanzielle Panik zu bekommen. Oder: Erst gestern nannte der SK Sturm etwa das >>> mangelnde Zuschauerinteresse in der Saison 2015/16 als einen der Gründe für ein sattes Minus am Saisonende.
Verhältnis Erfolg und Zuschauer
Sturms Geschäftsführer Wirtschaft, Thomas Tebbich, gibt auf Nachfrage von 90minuten.at auch eine vorsichtige Rechnung für die laufende Saison an: „Wir haben heuer konservativ und realistisch mit 8.500 Zusehern pro Spiel kalkuliert.“ Tebbich verweist auf eine genaue Analyse der Zusammensetzung des jeweiligen Matchtagspublikums: „Mein Anspruch ist es, hier professionell an die Sache heranzugehen. Wir haben unsere Rechnung auf Basis einer genauen Analyse jedes einzelnen Spieltags anhand eines Durchschnittpreises gemacht. Hier spielen Freikarten, Kartenkontingente und so weiter eine wesentliche Rolle.“
Es geht auch um die Fans außerhalb von Graz
In Graz ist man sich auch bewusst, dass der sportliche Erfolg selbst eine wichtige Rolle spielt. „Das sportliche Gesamtpaket wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen“, führt Tebbich aus, „wegen des Fußball kommen die Leute ins Stadion.“ Das ist aber, siehe Statistiken, nur ein Teil der Wahrheit. Denn noch gibt es einige Hürden in Graz, die behoben werden wollen, um die Gründe für den Nicht-Besuch zu minimieren.
„Wir wollen den Stadionbesuch attraktiver und einfacher machen“, sagt der Geschäftsführer, und ergänzt: „Ich spreche da weniger von den Grazern, die Sturm-Shop und Öffis in der eigenen Stadt haben. Von außerhalb ins Stadion zu kommen ist schon schwieriger. Da wollen wir unsere Sturmwirte wiederbeleben und mit Logistikpartnern die Anreise aus den Regionen vereinfachen.“ Ein weiterer Mosaikstein ist, dass die Fans nicht nur für die 90 Minuten ins Stadion kommen: „Für uns ist es wichtig, dass sich jeder mit seinen Interessen wohlfühlt. So können wir auch die Verweildauer erhöhen. Ich spreche davon, dass Sturmfans sich bereits weit vor dem Spiel am Vorplatz treffen und der Spieltag, abgesehen vom Spiel selbst, zum Erlebnis wird.“
Vergleich Entwicklung Bundesliga Gesamt vs SK Sturm
Der Diener zweier Herren
„Wir wollen natürlich vermehrt Kinder und Jugendliche ansprechen“, sagt Tebbich auf die Frage, was denn mögliche neue Zielgruppen sind. Damit steht Sturm Graz mit der gesamten Entertainment-Sparte in Konkurrenz. Man wolle zwar nicht nur diesen etwas bieten, aber natürlich sind dann die dazu gehörigen Familien finanzkräftiger als die Fans in der Kurve. Ein attraktiverer Stadionvorplatz, gepaart mit dem Fokus auf Familien und eine höhere Verweildauer, das wird kaum ohne höherem Eventcharakter gehen. Damit wiederum könnten die hartgesottenen Fans verprellt werden, die sich gegen genau diesen modernen Fußball wehren. Thomas Tebbich erklärt das eher allgemein: „Es müssen Aktivitäten für alle Fans dabei sein. Für uns ist es wichtig, dass sich jeder mit seinen Interessen wohlfühlt.“
Eine sehr konservative Zuschauerrechnung, ein angekündigt sanfter Umbau Richtung mehr Freizeiterlebnis als bisher – das hat der SK Sturm vor. Die Fans sind laut und viele, lassen sich von Misserfolgen nicht unbedingt vergraulen - in Stein gemeißelt scheint ein 10.000er-Schnitt aber nicht zu sein. Und nicht zuletzt ist das in die Jahre gekommene Stadion in Graz sicher auch als Grund zu nennen, warum die sogenannten Entertainment-Fans derzeit noch andere Vorlieben hegen als am Wochenende Deni Alar & Co zuzujubeln. Doch das ist wieder eine andere, sehr lange Geschichte ...
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