2016

Der Fall Onisiwo und seine Folgen: Optionsloser Fußball als Chance

Ist und bleibt der Fall Onisiwo ein Einzelfall oder könnte der aktuelle Mainz-Kicker ein oft praktiziertes System zum Fallen bringen?  Eine Reportage von Georg Sander

 

Der Vertrag zwischen Fußballer Karim Onisiwo und dem SV Mattrersburg wurde bekanntlich in erster Instanz für nichtig erklärt. Ein Streitpunkt sind dabei die Optionen.

 

Blicken wir kurz zurück: Bis zur Zeit bei Austria Salzburg war Karim Onisiwo so etwas wie ein Wanderpokal. Pfeilschnell und trickreich war er, der junge Kicker aus Wien, aber der Durchbruch sollte nicht so richtig klappen. Nicht bei Rapid, nicht bei der Austria, nicht bei fünf anderen Wiener Unterhausklubs, der bekannteste heißt Vienna. Via Neumarkt und Straßwalchen kam er 2012 zu Austria Salzburg.

 

Ein gescheitertes Talent unter vielen? Mitnichten. Bei den Veilchen aus Maxglan erzielte er 18 Tore und bereitete 16 weitere in 55 Westligaspielen vor. Den Zuschlag erhielt dann der SV Mattersburg. Bekanntlich gab es dort nun Probleme mit dem Vertrag. Nach 18 Toren und zehn Vorlagen in einer Zweitligasaison klopfte im Sommer ein englischer Zweitligist an. Mattersburg legte sich quer, bestritt die Ausstiegsklausel um 500.000 Euro. Onisiwo selbst bestritt die Gültigkeit, nachdem der SVM die Option gezogen hatte. Und genau diese Verlängerungsoptionen könnten bei einem höchstgerichtlichen Urteil vor dem OGH nun generell fallen. Wie gesagt: könnte!

 


„Ein Urteil als Revolution“
So will es zumindest die Gewerkschaft Vereinigung der Fußballer (VdF). Man ließ via Aussendung nach dem Urteil Anfang Jänner ließ man unter dem Titel „Ein Urteil als Revolution“ verlautbaren: „Sollten die bisherigen Optionen ihre Gültigkeit verlieren, dann müsste der Kollektivvertrag sofort adaptiert werden.“ Schließlich hatte das Wiener Arbeits- und Sozialgericht die Option mehr oder weniger für ungültig erklärt. Onisiwo hatte für ein Jahr plus Option auf zwei weitere unterschrieben. Ohne Gehaltsaufbesserung. Genau hier widerspricht aber der Ried-Manager Stefan Reiter. Der alte Hase im Fußballgeschäft meint im Gespräch mit 90minuten.at: „Ich kenne den Vertrag nicht. Optionen sind ja rechtmäßig, wenn es verhältnismäßig ist. Zwei plus ein Jahr mit klarer Gehaltsaufbesserung sind in Ordnung. Die Spieler sind ja auch mündig.“

 

Diese Mündigkeit ist bei Karim Onisiwo offenbar überbordend. Als Ziel hatte er immer die deutsche Bundesliga angegeben. Nach einem tollen Herbst und dem Nationalteamdebüt erfüllte er sich diesen Wunsch, unterschrieb sofort nach Vertragsauflösung bei Mainz. Aber warum gibt es die Optionen überhaupt?

 

Georg Zellhofer, Sportdirektor bei SCR Altach, sagt auf Nachfrage von 90minuten.at: „Wir holen oft Spieler mit Potential oder geben ihnen eine zweite Chance.“ Nachdem gerade kleinere Vereine finanziell oft nicht die Mittel haben, sich viele verhaute Transfers zu leisten, unterschreibt der Spieler eben einmal für zwei Jahre plus Option. Denn, ergänzt Stefan Reiter: „Der Verein garantiert einem Spieler, ohne über seine Entwicklung zu wissen, drei Jahre lang ein Gehalt.“

 


„Kein Vertrauen bei einem Einjahresvertrag“
Nachdem gerade Ried und Altach eher keine Beispiele für Verfehlungen sind, haben wir bei der Gewerkschaft noch einmal nachgefragt. Rechtsexperte Rudolf Novotny meint im 90minuten.at-Interview: „Manche Vereine arbeiten mit Versprechungen. Und bei einem Einjahresvertrag muss man dem Spieler kein Vertrauen entgegen bringen.“ Würden die Optionen wegfallen, dann würde Verantwortung vom Klub auf den Spieler übertragen werden. Der Vorteil für den Verein bei der Option ist, dass die Gehaltserhöhung von Anfang an klar ist, der Verein kann planen. So müsste der Spieler nach zwei Jahren einen neuen Vertrag zu anderen, mitunter deutlich besseren Konditionen unterschreiben. Von der wirtschaftlichen Seite her sind im Grunde beide Seiten zu verstehen, also pro oder contra einseitige Option. Sportlich gestaltet sich das Ganze, gerade für kleinere Vereine, schwierig.

 

Stefan Reiter meint, dass das mangelnde Wissen, ob ein Spieler drei Jahre lang hilft, schwierig ist. Georg Zellhofer hielte ein Vertragswerk ohne Optionen für „machbar, man kann immer Lösungen finden.“ Als Sportdirektor müsse er wohl schlicht genauer arbeiten, wer einen wie lange dauernden Vertrag bekommt und verweist auf die „Wirtschaftlichkeit“. Auch sei schon länger bekannt, dass die Optionen etwas sind, bei dem „man aufpassen muss. Für mich ist das nichts Neues.“

 

Was bleibt übrig? Erstens ist der Fall noch nicht ausgefochten. Es gibt noch eine zweite Instanz, in der Mattersburg Recht bekommen könnte sowie mit dem Obersten Gerichtshof ein Höchstgericht auf nationaler Ebene und danach noch den Europäischen Gerichtshof, der, analog zum Fall Bosman, ein Grundsatzurteil fällen könnte. Doch das ist Zukunftsmusik. So datierte die erste gerichtliche Entscheidung zu Bosman aus 1990, der EuGH entschied bekanntlich 1995. Und zweitens wäre es gerade in Österreich nicht so schlecht, wenn es rechtlich mehr Klarheit gibt. Auf den Sport bezogen kann ein Anhalten zu mehr Weitsicht letztlich auch nicht das Schlechteste sein.

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