2016

Altach ist nicht Leicester, aber trotzdem gut für die Liga

Wer sich nicht als Hardcore-Fußballfan auffasst und dieser Tage auf die Tabelle der tipico-Bundesliga blickt, kann überrascht werden: Wer oder was ist dieses Altach und was macht es da oben, mittendrin im Kampf um den Titel? Ist das das österreichische Le

 

Was wurde in der Saison 2015/16 nicht mit gezittert: Kann es das „kleine“ Leicester den großen im englischen Fußball zeigen? Den Traditionalisten von Manchester United, Arsenal oder Liverpool, den Geldverbratern von ManCity oder Chelsea? Die Antwort war irgendwann: „Ja.“ Mit 14-Eintorunterschiedsiegen in 38 Spielen hielt sich Leicester die Konkurrenz vom Leibe. Aber ist Leicester gar so klein? Nein. und „arm“ ist in der Premier League dank irrer Fernsehgelder exakt niemand.

 

Anders sieht die Sache im Ländle aus. Altach verfügt über ein Budget von kolportierten sechs Millionen Euro, in den Spielerkader fließen jährlich 3,5 Millionen. Um dieses Geld kauft sich Red Bull Salzburg (oder jüngst auch Rapid) überspitzt ausgedrückt die Kadernummer 15. Zum Vergleich: Unter 30 Mille Euro Kaderkosten geht in der Premier League schon gar nichts. Was hierzulande Rekordsummen sind, etwa die fünf Millionen, die Napoli für Erwin „Jimmy“ Hoffer 2009 überwies oder Salzburgs kolportierte sechs Millionen Euro im Sommer für Munas Dabbur, ist selbst für Aufsteiger in die Premier League eine kleine finanzielle Summe.

 

Und immerhin hat sich Leicester ja nicht niemanden gekauft. Allein „unser“ Christian Fuchs kam vom deutschen Topklub Schalke 04, war zum Transferzeitpunkt Nationalteamspieler. Davon können sie im Ländle nur träumen. Ein weiterer Unterschied, der sehr wichtig ist, ist, dass sich Leicester vor Jahren ins finanzielle Abseits schoss. Ein neues schönes Stadion, ein tolles Trainingszentrum - 2002 aber drückten 30 Millionen Schuldenlast und Leicester stieg in die dritte Liga ab, das erste Mal in der Geschichte. 2008/09 ging es dann erstmals in der Vereinsgeschichte in die Drittklassigkeit. Zufällig stieg der SCR Altach auch 2009 ab und beide kehrten 2014/15 ins Oberhaus zurück. Ein Blick auf weitere Parallelen lohnt also:

 


 

Scouting, Coaching, interessante Konkurrenz

 

Es ist kein großes Geheimnis, dass die Scoutingabteilung rund um Altachs Sportdirektor Georg Zellhofer einen guten Job abliefert. Mit einem so klammen Budget kann man sich nicht viele Fehlkäufe leisten. Aufbauend auf einen in den letzten Jahren verpflichteten und erfahrenen Stamm rund um Kapitän Philipp Netzer, Andreas Lienhart, Louis Ngwat-Mahop oder Andreas Lukse. Ähnlich machte es Leicester mit Kickern wie Robert Huth, Danny Simpsons oder Wes Morgen. Andernsorts konnten sie nie richtig durchstarten – bei Leicester und Altach reiften sie zu Leistungsträgern. Hinzu kamen just im Sommer die Offensivmosaiksteine wie Nikola Dovedan, Nicolas Ngamaleu und freilich Toptorschütze Dimitri Oberlin, der von Red Bull Salzburg ausgeliehen ist. Eine super Truppe, die schaffte Leicester auch.

 

Dass Damir Canadi ein Trainerfuchs ist, ist auch nicht erst seit gestern bekannt. Die Basis, die er seit Sommer 2013 bis Mitte November gelegt hat, ist mehr als stabil. Das fluide und defensiv stabile 3-5-2 funktioniert so gut, dass der junge Werner Grabherr, der Canadi interimistisch beerbt, in seinen ersten drei Spielen ungeschlagen blieb. Während Leicester einen Coach hatte, ist nun halt ein anderer da. Da ist es fast noch bemerkenswerter, was Altach anstellt.

 

In der zweiten Saisonhälfte der letzten Premier League-Saison war der Leicester-Jäger vor allem Tottenham Hotspur. Die Spurs gewannen die Liga zuletzt 1960/61. Auch Altach hat mit Sturm einen Hauptkonkurrenten, der für Ruhe im Ländle sorgte. Zunächst ist es in Vorarlberg medial ohnehin ruhiger als in Wien, Salzburg und Graz, aber dadurch dass Sturm ohnehin schon genug Gegenspieler für die zwei großen Wiener Traditionsvereine und Red Bull Salzburg ist, konnte Altach etwas unterhalb des Radars von Erfolg zu Erfolg reisen. „Sie werden doch nicht, eher noch Tottenham/Sturm“, hört man sich da unweigerlich sagen.

 


 

Es ist trotzdem anders

 

Aber auch wenn es einige Parallelen gibt, ist es doch etwas anders. Es ist nun einmal doch ein größerer Unterschied zwischen Altach und den großen Klubs als zwischen Leicester und den großen Klubs. Nehmen wir die Saison 2010/11 her. Nach 17 Spieltagen führte die SV Ried. Am Ende stand Sturm ganz oben, Ried wurde Vierter. Oder 2010/11, als die Admira zwischen 10. und 15. Runde Tabellenführer war, am Ende Vierter wurde und Salzburg den Teller holte. Oder der WAC, der 2014/15 bis zum 20. Spieltag nie schlechter als Zweiter war, die Tabelle vom achten Spieltag weg vier Runden anführte. Am Ende wurde man Fünfter, Meister wieder Salzburg.

 

Und die Großvereine sind nicht gerade zimperlich, wenn es drum geht, gute Spieler von der kleinen Konkurrenz zu holen. Ried kamen im Sommer 2011, nach der Saison, Florian Mader und Thomas Schrammel Richtung Austria und Rapid abhanden. Die Admira wurde ebenfalls nach der Saison „zerlegt“. Philipp Hosiner, Christoph Dibon und Marcel Sabitzer (im Winter dann) wurden geholt. Den Wolfsbergern blieb das erspart, „dank“ einer schwachen Rückrunde. Blickt man auf die Transferlisten, sieht man, dass die heimischen Spitzenklubs ihre finanzielle Stärke durchaus auszuspielen wissen. Wie etwa auch bei Altach-Coach Damir Canadi.

 

Mit solchen Überlegungen muss sich ein Klub wie Leicester nicht wirklich herumschlagen. Die Premier League liefert genug Geld, um Verträge so teuer zu machen, dass ein Rauskaufen während der Saison schwer möglich ist. Ein Champions League-Fixplatz für die vordersten Ränge der Premier League gibt Wechselabsichten wohl den Rest. Einzig Mittelfeldmann N'Golo Kanté wechselte im Sommer – zu Chelsea, was man als Kicker schon einmal machen kann In Altach ist das eben anders. Was spreche dagegen, Oberlin nach Salzburg zurück zu beordern? Oder dass ein anderer Verein aus Wien einen Dovedan aus dem Vertrag raus kauft? Alles schon passiert.

 


 

Altach ist für den Fußball dennoch toll

 

Es wird sich weisen, was in Altach regiert – die finanzielle Vernunft? Einen guten Kicker wie Dovedan kann man für eine halbe Million Euro schon nach Wien holen und sich gleich eines Konkurrenzfaktors entledigen. Immerhin wird es mit jedem Tag, den Altach die Tabelle anführt, peinlich für den Rest. Vor allem, weil Altach in den letzten Jahren toll gearbeitet hat und nicht unbedingt den Makel des Dorfvereins wie Wolfsberg oder Grödig mit sich trägt. Altach ist organisch gewachsen, überzeugt mit Stadionausbauplänen, nachhaltigem Wirtschaften und klugen sportlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen. Es ist keine one-man-show wie in Mattersburg oder anderswo.

 

Vor allem die in dieser Saison an den Tag gelegte strategische Konsequenz ist bemerkenswert. Während Neuzugüng in Wien oder Salzburg, wie Traustasson oder Dabbur, noch nicht unbedingt bewiesen haben, dass sie die Millionen wert sind, wuselt der billigere Nicolas Ngamaleu durch die Beine der teuren Konkurrenz. Von behäbigem, taktisch unvorteilhaft wechselhaftem Spiel ist Altach weit entfernt. Und wer beispielsweise gesehen hat, wie Altach Rapid in Hütteldorf über weite Strecken an die Wand gespielt hat, merkt auch, dass Altach nicht nur Außenseiterkonterfußball kann. Freilich haben die Vorarlberger auch das Glück, dass Leistungsträger bislang noch kaum langfristig verletzt ausgeschieden sind.

 

Man träumt ein bisschen vom ersten Meisterteller, der nicht nach Wien, Linz, Innsbruck, Salzburg oder Graz geht. Dass es Altach wird, muss aufgrund der Historie bezweifelt werden. Doch die Altacher Energieleistung zeigt vor allem den drei großen Vereinen aus Favoriten, Hütteldorf und Wals-Siezenheim, dass Geld nicht alles ist. Auch wenn Altach weder das österreichische Leicester ist und auch ein riesiges Fragezeichen dahinter steht, wo sie am Ende stehen werden: Das schonungslose Aufzeigen in einer Halbsaison, was mit wenig Geld, klugem Management und konsistenter Taktik möglich ist, ist eine Denkaufgabe für die Konkurrenz.

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