Mit den Daten zum Erfolg: Auch in Österreich?
Daten und die Analyse der Spiele werden im heutigen Fußball immer wichtiger: Eine Meinung, die man immer öfters lesen kann. Sportwissenschaftler Johannes Uhlig erklärt, wie mit Fußballdaten nachhaltiger Erfolg zu erreichen ist und ob die heimische Liga di
Die Fußballfans werden mit Daten zugeschüttet. Hier David Alaba, der als linker Verteidiger die meisten Ballkontakte hat, da Zlatko Junuzovic, der am meisten läuft. Oder dort dieser Spieler, der in den letzten viereinhalb Jahren sieben Tore aus einer Drehung innerhalb des Sechzehners, aber außerhalb des Fünfers mit dem linken Fuß erzielt hat, die aber nie fester als 70 km/h waren. Gut, die letzte Statistik hat noch niemand erhoben, aber es gibt schon sehr viele Fakten, die vor allem auch für einen Trainer wenig aussagekräftig sind.
Für Sportwissenschafter Johannes Uhlig von der Universität Wien gilt: „Ich denke, dass der modern denkende Trainer es als sinnvoll erachtet, wenn er zusätzliche Informationen bzw. Daten über seine Spieler bekommt." Dass dabei die Daten, die die Ligen online stellen oder während eines Matches erwähn über den Bildschirm flattern eher journalistischen, denn sportwissenschaftlichen Wert haben, ist auch klar. Viel wichtiger für den spielerischen Erfolg ist es jedoch, wenn es beispielsweise um „die Km/h-Werte an der anaeroben und aeroben Schwelle und die Höhe der relativen maximalen Sauerstoffaufnahme geht. Also um Werte, die über die individuelle Ausdauerleistungsfähigkeit des Spielers Auskunft geben". Die anaerobe Schwelle bezeichnet jenen Punkt, ab dem die Lactatwerte im Blut exponentiell (sehr steil) ansteigen. Deshalb ist es für Trainer und Spieler wichtig, diesen genau zu kennen, um die Trainingsbeanspruchungen der Spieler dementsprechend abstimmen zu können und auch ein individuelles Training danach zu planen.
Johannes Uhlig (Gepa Pictures)
Laufwunder? Überbewertet!
Weitere wichtige Daten sind laut Uhlig etwa die Laufwege der Solospitze oder allgemein, wie viele Hochgeschwindigkeitssprints Offensivspieler machen, in welche Richtung und wie lange diese dauern. Weitere interessante Daten für Trainer: Etwa gewonnene und verlorene Zweikämpfe, die Richtung der Pässe, ermittelbar sind auch die berühmten Passdreiecke und Symmetrien bzw. Asymmetrien im Offensiv- bzw. Defensivspiel. Aber es gilt vor allem eines: „Ein Parameter, der quasi als Nonplusultra dargestellt wird, muss meiner Meinung nach kritisch hinterfragt werden. Es ist die Höhe der zurückgelegten Kilometer. Sie hat für mich nur bedingte Bedeutungskraft, da diesbezüglich Kriterien, wie der aktuelle Spielstand, die Spielposition, die technisch-taktische Kompetenz des Teams und die mannschaftstaktische Ausrichtung entscheidenden Einfluss haben."
Statistik ist Diener, nie Herr
Natürlich gibt es im Fußball auch statistisch nicht erhebbare Dinge. Etwa das Gefühl des Trainers, der beim Stand von 0:1 den richtigen Spieler auswählt, der in der Schlussphase noch das Tor macht. Oder der Coach, der zwar mit der durch einen Rückstand belegten falschen Taktik ins Spiel ging, umstellt und gewinnt. „Ich denke, dass auch in diesem Kontext ein ‚goldener Mittelweg' zwischen den erhobenen statistischen Daten und dem berühmten ‚Trainerauge' und dem damit verbundenen und auf Erfahrung beruhenden ‚Bauchgefühl' gang- und denkbar wäre", meint Uhlig dazu.
Die Statistik könne immer nur Diener, nie Herr sein. Das ist auch eine mittlere Absage an die Moneyball-Systeme. „Denn für ein Team kommen immer auch noch zumindest psycho-soziale Gründe hinzu, ob es funktioniert oder nicht. Denn im Spiel ist es entscheidend wichtig, dass die Spieler untereinander harmonieren und jeder über die Pass- und Laufwege des anderen Bescheid weiß. Schließlich geht es um eine ‚funktionale Spielkommunikation' mit automatisierten, aber auch flexibel veränderbaren Handlungsweisen, die auch unter Gegnerdruck gelingen und zum Erfolg führen soll."
Geld spielt Fußball
Allerdings – und das ist in den großen Ligen und auch in Österreich belegbar – spielt halt Geld doch Fußball. Siehe Salzburg, siehe Bayern, siehe Champions League. Die besten Spieler haben natürlich auch die besten Leistungsdaten. Wer also bei den wichtigen Indikatoren gut ist, wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. „Wir wissen das auf Grund der Ausdauer- und Schnelligkeitswerte von heutigen Weltklassespielern. Oder durch ihre technisch-taktische Kompetenzdaten, zum Beispiel die Höhe von positiven vertikalen Zuspielen des spielaufbauenden „3ers" unter enormem Gegnerdruck oder jene von erfolgreichen Lösungen in Eins-gegen-Eins-Situationen der seitlichen Mittelfeldspieler." Uhlig zeigt sich überzeugt, dass eine wissenschaftlich und statistisch gestützte Trainings- und Wettkampfsteuerung das A und O der Zukunft sein wird.
Daten und Strukturen geben ÖFB Recht
Insofern ist es dann auch kein Wunder, dass sich das Nationalteam stark verbessert hat. In vielen fußballerischen Bereichen lässt sich aus den Daten herauslesen, dass man „einen aktuellen Vergleich mit dem Weltmeister Deutschland nicht zu scheuen braucht". Es geht dabei um Parameter wie Athletik, Technik, Taktik, Psyche, Konzentrationsvermögen oder Kompetenzüberzeugung. Allerdings muss man auch weder Sportwissenschaftler oder Fußballtrainer sein, um das anhand der Tabelle abzulesen. Dass die statistische Unterfütterung laut Uhlig auch stimmt, ist aber dennoch schön.
Umgekehrt wäre das kaum ohne die Strukturen möglich, die dahinter stehen. „Das sind Fußball-Eintagsfliegen, die zufällig, also ohne Plan, und auch temporär passieren", meint Uhlig dazu. Es benötige genau das, was ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hat. „Über längere Sicht gesehen wird sich nur die Nation an der Spitze Europas oder der Welt etablieren können, die ein funktionierendes und systematisch-strukturell aufgebautes (Nachwuchs-)System von der U15 bis zum Nationalteam besitzt", ist Uhlig der festen Überzeugung.
Auch die Liga zieht nach
Diese Vorgänge sind auch in der Liga selbst beobachtbar. Auch hier ist die verbesserte Struktur vor allem bei den größeren Klubs letztendlich sichtbar, auch, wenn es für Salzburg noch nicht mit der Champions League geklappt hat. „Ich denke schon, dass die Erfolge heimischer Clubs auf eine verbesserte, professionellere Arbeit zurückzuführen sind", so der Sportwissenschaftler, „Jedoch darf man nicht vergessen, dass die Europa-League eine Ebene unter der Champions-League liegt. Und das Ziel österreichischer Clubs ist es doch, wieder in dieser obersten Liga spielen zu können." Insofern ist „Erfolg" relativ. Journalistisch gesehen muss nach oftmaligem, wenn auch knappem, Ausscheiden erwähnt werden, dass da noch mehr als ein Mosaiksteinchen fehlt, um nicht nur alle paar Jahre CL-Teilnahmen zu bejubeln.
Immerhin lassen sich auch andere Klubs von diesem Erfolg anstecken. „Altach hat letzte Saison hervorragende Leistungen gebracht und auch die Admira hat in der aktuellen Saison – besonders im ersten Quartal – mit sehr guten und einem auf die Fähigkeiten der Spieler gut zugeschnittenen, unspektakulären, aber effektiven Konzept aufhorchen lassen." Den Gedanken weiter gesponnen heißt das, dass das auch die großen Teams aus Wien, Graz und Salzburg machen müssen: Die Fähigkeiten perfekt einsetzen und zielgerichtet zum Erfolg kommen.