Das Vorbild baut den Vorsprung aus
Rapid spielt heute Abend so wie der FC Basel 1893 um den Einzug in die Champions League Gruppenphase. In Basel hat Rapid nicht nur einmal die eigene Zukunftsvision gesehen, finanziell wie strukturell. Die Chancen, die Lücke zum Schweizer Serienmeister zu
Wenn es um die Entwicklungsziele österreichischen Fußballteams geht, dreht sich die Diskussion meist recht schnell vor allem um den FC Basel 1893. Der Schweizer Serienmeister hat nämlich das institutionalisiert, was früher Rosenborg Trondheim und zwischendurch auch dem FC Kopenhagen gelang. Und was Rapid, Austria und Salzburg so gerne schaffen würden: Über die Tristesse einer kleinen, finanzschwachen Liga hinauswachsen und den Anschluss an die europäische Spitze zu finden.
Bester Beleg dafür: Die Europacupsaison 2013/14, in der sich Roger Schmidts Salzburger mit ihrem druckvollen Offensivfußball anschickten, Fußball-Europa zu erobern. Nachdem die Truppe rund um Sadio Mané, Kevin Kampl und Alan in einem Frühjahrs-Vorbereitungsspiel Pep Guardiolas Bayern mit 3:0 überrollte und den niederländischen Meister Ajax Amsterdam (in der Champions League-Gruppenphase im Herbst noch 2:1-Sieger über den FC Barcelona) im Sechzehntelfinale der Europa League mit einem Gesamtscore von 6:1 entzauberte, sollten die vergleichsweise biederen Basler auf dem Weg ins Viertelfinale kein Stolperstein sein.
Denkste! Denn auch, wenn bei Basel damals im Kader die ganz großen Namen fehlten; die Schweizer kamen letztlich mit all ihrer Routine eine Runde weiter. Dort war dann zwar gegen den FC Valencia Endstation, die eindrucksvolle Bilanz der Rot-Blauen in den vergangenen Jahren schmälert das aber keineswegs. Letztmals ohne europäische Gruppenphase mussten die Schweizer in der Saison 2003/04 auskommen, 2012 und 2015 wurde das Achtelfinale in der Champions League erreicht. In den Saisonen 2012/13 und 2013/14 scheiterte der FCB erst in Halbfinale bzw. Viertelfinale der Europa League, 2006 stieß der Verein ins Achtelfinale des UEFA-Cups vor und in der laufenden Spielzeit stehen die Chancen neuerlich gut, im Play Off gegen den israelischen Meister Maccabi Tel Aviv den Einzug in die CL-Gruppenphase zu schaffen. Ob dieser respektablen Serie beträgt der aktuelle UEFA-Koeffizient, der über die Erfolge eines Vereins in den vergangenen fünf Jahren in europäischen Bewerben Auskunft gibt, 84,875. Salzburg liegt mit einem Koeffizienten von 43,135 bei rund der Hälfte, die Austria (20,635) und Rapid (15,635) nochmals deutlich dahinter.
Zuschauerschnitt von 30.000
Diese Erfolge und vor allem deren Kontinuität zeugen für die gute Arbeit des FC Basel 1893, der sich längst auch infrastrukturell auf ein Niveau gedribbelt hat, das heimische Clubs nur vom Hörensagen kennen. Der knapp 40.000 Zuschauer fassende St. Jakob-Park ist regelmäßig gut gefüllt (aktueller Zuschauerschnitt 29.706), die Jugendabteilung genügt internationalen Top-Standards, Scouting und Trainingsbedingungen lassen kaum Wünsche übrig und auch finanziell scheint der Club längst zu groß für die Schweizer Liga. Erstmals durchbrach der FC Basel im vergangenen Kalenderjahr die 100-Millionen-Umsatz-Schallmauer – unter dem Strich standen Einnahmen von 105 Millionen Schweizer Franken (entspricht aktuell 100,5 Millionen Euro) und ein Gewinn von 14,7 Millionen Franken. Damit konnte der Schweizer Meister zum dritten Mal hintereinander ein Betriebsergebnis im zweistelligen Millionenbereich (2013 lag der Gewinn bei 11,6 Millionen Franken und 2012 gar bei 15,1 Millionen Franken) erwirtschaften und sein Festgeldkonto auf kolportierte 50 Millionen Franken aufstocken.
Dass nun mit vollen Hosen gut stinken ist, weiß Martin Blaser, Direktor für Marketing, Verkauf und Business Development des Schweizer Serienmeisters, der im Gespräch gegenüber 90minuten.at aber relativiert. „Natürlich freuen wir uns darüber, aber man darf nicht vergessen, dass derartige finanzielle Erfolge nicht selbstverständlich sind – immerhin gehen wir in unseren Planungen zu Beginn einer Saison mit fixen Kosten aus, die um 15 bis 20 Millionen Franken höher als die fixen Einnahmen sind."
90minuten.at: Das FC Basel nimmt also jede Saison enormes wirtschaftliches Risiko?
Martin Blaser: „Das Risiko ist natürlich da, mit der Teilnahme an Champions League- und Europa League-Gruppenphasen und Transfers versuchen wir diesen Betrag aber zu reduzieren. Und wenn wir irgendwann bei Minus 12 oder Minus 10 Millionen Euro landen, haben wir schon einen super Job gemacht und erst recht, wenn dann das Ergebnis Richtung Null geht oder ins Plus dreht."
Und wenn das nicht gelingt?
„Dann sind wir blank, so ist das Fußballgeschäft. Wir haben natürlich unsere 50 Millionen in der Hinterhand und könnten damit – vorausgesetzt wir sparen dort und da ein wenig – drei Saisonen lang überleben, aber da würde wohl schon im ersten Jahr der Baum emotional lichterloh brennen."
Muss man das Risiko eines budgetierten Minus in dieser Höhe eingehen, um international konkurrenzfähig zu sein?
„Wir werden auf dem nationalen Markt nie unser strukturelles Defizit ausgleichen können. Alleine schon, weil wir am nationalen Markt nie diese Wertschöpfungsketten erschließen könnten und wir unsere Spieler nicht derart in der Auslage hätten wie in der Europa League oder in der Champions League. Wenn Mohamed Salah Chelsea im Europacup nicht fast im Alleingang abschießt, holen die ihn auch nicht um 20 Millionen (Anm.: Gemeinsam mit den Transfers von Yann Sommer zu Mönchengladbach und Valentin Stocker zu Hertha BSC beliefen sich die Transfererlöse des FCB 2013/14 auf 36 Millionen Franken). Dann wäre er eben um 6 oder 7 Millionen zu Gladbach oder zum HSV gegangen und uns wären 13 bis 14 Millionen Euro entgangen."
Erfolge im internationalen Geschäft zahlen sich also doppelt aus?
„Das wirkt sich auf viele Bereiche positiv aus, etwa auf die Prämienzahlungen. Internationale Erfolge bringen aber auch erhöhte Aufmerksamkeit für unsere Sponsoren, höhere Merchandising- und Ticket-Einnahmen sowie höhere TV-Erlöse bis hin eben zu höheren Transfereinnahmen. Diese würden ohne internationales Geschäft nicht vollständig fehlen, aber sie würden definitiv bescheidener ausfallen."
Seine Wurzeln hat die aktuelle Erfolgsgeschichte des FC Basel 1893 im Jahr 1999, als Gisela „Gigi" Oeri, Frau des milliardenschweren Hoffmann-La Roche-Miterben, Andreas Oeri, begann, den damaligen Nachzügler zum Primus aufzupäppeln. Davor fristete der Verein ein jahrzehntelanges Dasein als schlafender Riese. Zuschauermäßig konnte man zwar ähnlich wie hierzulande Rapid immer schon die Massen begeistern, sportliche Glanzlichter setzte man seit den 1970er-Jahren aber keine mehr, der letzte Meistertitel wurde 1980 eingefahren. Zwischendurch stieg der Klub 1988 sogar in die Nationalliga B ab und auch nach dem Wiederaufstieg sechs Jahre später ließen Erfolge lange auf sich warten. Die Strategie auf Altstars und vermeintliche Hochkaräter wie Oliver Kreuzer oder Maurizio Gaudino zu setzen schlug fehl, erst 2002 kulminierten die investierten Gelder Gisela Oeris und der neue Fokus auf hungrige Spieler wie Ivan Ergic, Scott Chipperfield, Benjamin Huggel, Hakan und Murat Yakin oder Mario Cantaluppi im neunten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Neun weitere Titel sollten seitdem folgen, dazu sechs Cupsiege.
Im Kern verfolgen auch Salzburg, Rapid und die Austria denselben Ansatz, Stars nicht zu kaufen, sondern zu machen. Während Rapid aber vielversprechende Jungs wie Philipp Schobesberger aus der Regionalliga holt, bedient sich Basel bei Vereinen wie Rapid oder der Austria und wirbt ihnen Spieler der Kategorie Schobesberger oder Dragovic ab, die den nächsten Schritt in ihrer Karriere setzen wollen und sich für einen europäischen Spitzenclub noch nicht reif oder stark genug fühlen. In Basel können diese Talente weiter reifen, zwei oder drei Saisonen später gehen sie dann um gutes Geld zu finanzkräftigeren Clubs nach England, Deutschland, Spanien, Italien oder in die Ukraine.
Parallel zu dieser wichtigen Finanzquelle hat sich Basel in den vergangenen Jahren aber auch andere Einkommensschienen erschlossen. So wurde zuletzt etwa die Marke aufpoliert, um sich für Sponsoren interessanter zu machen. Eine neu definierte Sponsorenpyramide mit Leading Partnern, Premium Partnern, Business Partnern, Classic Partnern und Team Partnern bringt eine Millionen Euro mehr per anno als das alte System, die Bilanz 2014 beinhaltet Sponsoringerlöse von 11,03 Millionen Franken (2013 noch 10,26 Millionen Franken). Da nehmen sich im Vergleich die 7,28 Millionen Euro Rapids 2013/14 durchaus respektabel aus, ein deutlicher Unterschied ist aber im Hospitality-Bereich feststellbar: Rapid lukriert dort laut Geschäftsbericht 2013/14 knapp mehr als 850.000 Euro, der FC Basel mit 6,55 Millionen Franken rund siebenmal so viel.
"Auch in anderen Bereichen erlebbar machen"
Während Rapid und Austria mit ihren neuen Stadien in diesem Bereich in den kommenden Jahren wohl Meter auf Basel gutmachen können, ziehen die Schweizer auf anderen Fronten davon. Etwa in der Stadion- und Vereinsvermarktung. „Wir wollen den FC Basel 1893 auch in anderen Bereichen als dem Fußball erlebbar machen", sagt Martin Blaser. Die Mitgliederzahl soll von aktuell 3.600 auf 10.000 gesteigert werden, eine FCB-Golftour erfreut sich bereits großer Beliebtheit, auch einen Tag der offenen Tür und eigene Laufveranstaltungen sollen demnächst etabliert werden. „Da sind auch noch viele andere Dinge vorstellbar", sagt Martin Blaser. Ziel – wenn auch unausgesprochen – ist es, den Verein im Alltag seiner Fans fest zu verankern. Ganz so, wie das in Deutschland etwa Borussia Dortmund oder der FC Schalke praktizieren. „Wir wollen die Marke auch außerhalb des Stadions transportieren", sagt Martin Blaser. „Man soll uns im Alltag spüren und auch dort sehen, wo man nicht unbedingt damit rechnet."
Dem FC Basel geht es also darum, den Alltag seiner Fans zu durchdringen, mit dem Ziel diese enger an den Verein zu binden und parallel dazu neue Zielgruppen zu erschließen. Das mag bei Fußball-Traditionalisten nach Marketing-Sprech klingen, zahlt sich für den Schweizer Serienmeister aber gleich mehrfach aus: Über diesen Weg können die Rot-Blauen weitere Einnahmequellen auftun, aber auch ihren Vorsprung auf die Konkurrenz ausbauen. Wer will schon Fan des FC Zürich oder der Young Boys Bern werden, wenn der FCB Titel um Titel holt, im internationalen Geschäft kräftig mitmischt und in der Wahrnehmung quer durch die ganze Schweiz beinahe omnipräsent ist? Kein Wunder, dass selbst finanzkräftigere Clubs wie der FC Southampton im FC Basel ein Vorbild sehen. „Basel hat als Klub Erfahrungen, die wir noch nicht haben. Dieser Verein wird professionell geführt, das ist eine neue Welt." Und zu dieser Welt gehört auch, Nein zu sagen. Im Sommer lehnten die Rot-Blauen etwa eine Asien-Tour, die immerhin 700.000 Euro in die Clubkassen gespült hätte, ab. „Uns war die Summe zu niedrig, um eine durch die Reise schwierigere Saisonvorbereitung zu riskieren", sagt Martin Blaser. Ob das heimische Clubs auch so entschieden hätten?