Das Mysterium NÖ-Cup
Der SC Krems ist der Sieger des Admiral NÖ-Meistercups. Doch bis es soweit war, haben sich einige Besonderheiten zugetragen. Von Thomas Moser
Die Vorgeschichte
Der Cup wurde im Frühjahr mit dem Viertelfinale fortgesetzt, wobei am Ostermontag der SV Stripfing beim UFC Obritz gastierte, und dabei mit einem knappen 0:1 Auswärtssieg ins Halbfinale aufstieg. Mit im Spiel war dabei Rene Herbst, den die Stripfinger erst im Winter vom FAC geholt hatten.
Im Halbfinale musste Stripfing wieder auswärts antreten, diesmal beim ASK Marienthal und sie gewannen das Spiel wieder knapp, diesmal mit 1:2. Doch bereits während des Spiels war klar, dass es dazu ein Nachspiel geben würde. Unmittelbar nach Spielschluss, so berichtete die NÖN, suchte der Marienthaler Sektionsleiter Holger Frauhammer das Gespräch mit dem Präsidenten des niederösterreichischen Fußballverbandes, Ludwig Binder, der das Spiel vor Ort mitverfolgte und stellte klar: „Wir erkennen das Ergebnis nicht an!"
Grund für den Protest ist der Einsatz des bereits erwähnten Rene Herbst, der in der Saison 2014/2015 als Spieler des FAC bereits im ÖFB-Cup gespielt hat, zB im Spiel gegen Ritzing. Nach den Bestimmungen des niederöstereichischen Cups ist das nicht zulässig, heißt es da doch unter Punkt 4 Spielberechtigung: "Ein Spieler eines Vereines darf in einem Bewerbsjahr grundsätzlich nur im Admiral NÖ Meistercup oder ÖFB-Cup eingesetzt werden". Marienthal protestierte, der Verband gab dem Protest statt und strafverifizierte das Spiel mit 3:0 für Marienthal, weshalb der Finalgegner von Krems nicht Stripfing sondern eben Marienthal hieß.
Stripfing beruft
Die Stripfinger beriefen gegen diese Entscheidung und fühlten sich im Recht. Zum einen sahen sie (und tun es noch) das Regulativ auf ihrer Seite (dazu weiter unten), zum anderen hätten sie sich ja wegen der Spielberechtigung vorher vergewissert, und Herbst habe - ohne Probleme - ja schon im Viertelfinale gegen Obritz gespielt. fanreport.at zitierte den Stripfinger Trainer Werner Gössinger: „Wir haben im Winter vom Verband telefonisch die Auskunft bekommen, dass alle Neuverpflichtungen in allen Bewerben spielberechtigt sind. Und das ist für mich entscheidend. Der Rene Herbst hat ja auch schon davor gegen Obritz für uns gespielt. Wir konnten ihn auch ganz normal im System eingeben – das hätte ihn doch sonst gar nicht nehmen dürfen, wenn er nicht spielberechtigt gewesen wäre."
Dem Einspruch der Stripfinger wurde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt, was bedeutete, dass die Finalspiele angesetzt und auch gespielt wurden. Das war auch schon ein Signal in Richtung der Erfolgschancen der Stripfinger. Der Einspruch wurde letztlich vom Protestkomitee des NÖFV abgewiesen und Krems damit - nach den Finalspielen - zum Cupsieger.
Ja, aber ...was ist mit den Argumenten der Stripfinger?
Nun, dass Herbst bereits gegen Obritz eingesetzt wurde, und es zu keiner Strafverifizierung kam, liegt ausschließlich daran, dass Obritz (aus welchen Gründen immer) keinen Protest gegen die Beglaubigung des Spieles eingelegt hat. Wo kein Kläger, da kein Richter. Simple Angelegenheit.
Die Eingabemöglichkeit von Herbst, soll heißen, dass es möglich war, Rene Herbst aufzustellen, obwohl er "nicht spielberechtigt" (Angelegenheit noch nicht endgültig geklärt) gewesen sein soll, liegt klar an der landesspezifischen Regelung. Fußball Online wird österreichweit für alle Bewerbsspiele des ÖFB bzw. seiner Mitgliedsverbände verwendet. Eine Spezialregelung eines Landesverbandes, wie im vorliegenden Fall, muss als Landesspezifikum programmtechnisch auch erst umgesetzt werden. In der Sitzung des Verbansvorstandes vom 18.5.2015 wurde dazu folgendes beschlossen: „Admiral NÖ-Meister-Cup. Die Regelung der Spielberechtigung im LV-Cup-Bewerb soll evtl. auch in der zukünftigen Programmierung der ONLINE-Datenbank Berücksichtigung finden."
Bleibt noch die angebliche telefonische Bestätigung der Spielberechtigung. Hier offenbart sich mehrfach das Problem telefonischer Auskünfte, nämlich die mangelnde Nachvollziehbarkeit. Um damit ist nicht nur gemeint, ob das Gespräch überhaupt stattgefunden hat. Die NÖN zitierte hier Hrn. Wesely vom NÖFV folgendermaßen: „Zudem ist uns nicht bekannt, dass jemand aus Stripfing explizit nach der Freigabe von Spielern für den Meistercup gefragt hätte."
Es ist auch und vor allem gemeint, dass bei telefonischen Anfragen und Auskünften nicht nachvollziehbar ist, wie genau ein solches Gespräch abgelaufen ist, was genau gefragt (um vom Gefragten verstanden) wurde, und was genau die Antwort war bzw. wie diese zu verstehen gewesen wäre. Man denke nur an das berühmte Beispiel des Missverständnisses von Krösus, der vor einem Feldzug das Orakel zu Delphi befragte, und die zweideutige Antwort „Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören." bekam, die er prompt missverstand.
Alles klar - oder doch nicht?
Ist daher alles klar? Hat Stripfing eine "klare Regelung", wie sie Hr. Wesely ebenfalls im obigen NÖN-Artikel bezeichnete, missachtet bzw. nicht gekannt? Aus einer inner-niederösterreichischen Sicht ist die Sache meines Erachtens tatsächlich klar. Die Regelungen zum NÖ-Cup verbieten den Einsatz eines Spielers, der schon - in derselben Saison - ÖFB-Cup gespielt hat. Ob eine derartige Regel sinnvoll ist steht auf einem anderen Blatt, so dürfte ein Spieler problemlos im Herbst im Wiener Toto Cup und im Frühjahr im NÖ-Cup spielen.
Allerdings gibt es in dieser Angelegenheit noch einen weiteren Aspekt, und das sind die ÖFB-Cupregeln, insbesondere „§ 3 Teilnahmeberechtigte Spieler" in dem es heißt: „Zur Teilnahme an einem Cupspiel ist jeder Spieler berechtigt, der am Tag des Spieles für seinen Verein meisterschaftsspielberechtigt ist, auch wenn er im gleichen Cupbewerb bereits für einen anderen Verein gespielt hat." Sowie „§ 11 Durchführungsbestimmungen", in dem steht: „Der Österreichische Fußball-Bund bzw. die Landesverbände haben für jeden Cup-Bewerb ergänzende Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die mit diesen Cupregeln nicht im Widerspruch stehen dürfen."
Stripfing im Recht
Bei wörtlicher Auslegung beider Paragraphen ist Stripfing klar im Recht. Rene Herbst ist und war für Meisterschaftsspiele spielberechtigt und ist damit gem. § 3 auch in Cupbewerben spielberechtigt. Die niederösterreichische Bestimmung, dass er wegen seines ÖFB-Cup-Einsatzes nicht spielberechtigt sei, steht im Widerspruch zu den ÖFB-Cupregeln und ist damit gem. § 11 nicht zulässig.
Obmann Schuller hat in einem Telefonat bestätigt, dass Stripfing aus diesem Grund auch Einspruch gegen das zweitinstanzliche Urteil beim Rechtsmittelsenat des ÖFB eingelegt hat. Ob die Stripfinger beim Rechtsmittelsenat erfolgreich sind, wird sich noch weisen. Wollte man vorab eine Einschätzung treffen (und darauf wetten), gibt es dabei aber 3 Umstände zu berücksichtigen:
1. Die zeitliche Komponente
Würde Stripfing recht bekommen, müsste das Finale des NÖ-Cups wiederholt (?) werden. Nachdem der Cupsieger für die Saison 2015/2016 am ÖFB-Cup teilnahmeberechtigt ist, die Auslosung bereits am 24.6. stattfand und Mitte Juli die erste Runde gespielt werden soll, ist das zeitlich kaum noch zu schaffen.
2. Die rechtliche Komponente
In der formalen, wörtlichen Auslegung des § 3 der ÖFB-Cupregeln ist Stripfing wohl im Recht. Allerdings gibt es mit der wörtlichen Auslegung andere Probleme. Zum einen würde diese bewerbsspezifische Sperren unmöglich machen - wie soll eine "im Cup gesperrt, aber in der Meisterschaft spielberechtigt" bewerbsspezifische Sperre funktionieren, wenn man der wörtlichen Interpretation "im Cup spielberechtigt, wenn in Meisterschaft spielberechtigt" folgt? Zum anderen wäre bei wörtlicher Interpretation der zweite Teil des Satzes (..., auch wenn ...") unnötig, da er durch die wörtliche Auslegung des ersten Teiles eh schon klar geregelt ist. Insofern kann man diese beiden Umstände dahingehend interpretieren, dass eine "im Cup spielberechtigt, wenn in Meisterschaft spielberechtigt"-Regelung "nur" als grobe Richtlinie zu werten ist. Zum Beispiel um sich Wiederholungen von Spielberechtigungsregelungen (man denke z.B. an: Wann ist ein Nachwuchsspieler in Erwachsenenbereich spielberechtigt?) zu ersparen. In dem Fall dürften verbandsinterne Abweichungen zulässig sein, aber, und damit komme ich wieder zum zweiten Teil des Satzes, sie dürfen nicht soweit gehen, einem Spieler die Spielberechtigung zu entziehen, weil er für einen anderen Verein im selben Bewerb schon gespielt hat.
3. Die personelle Komponente
Entschieden wird über den Stripfinger Einspruch im Rechtsmittelsenat des ÖFB, der sich lt. Website des ÖFB wie folgt zusammensetzt: Vorsitzender: Dr. Thomas Partl; Referenten des Rechtsmittelsenates: Dr. Sepp Geisler, Dr. Herbert Hübel, Dr. Dietmar Potzmann, Dr. Wolfgang Bartosch. Mitglieder des Rechtsmittelsenates: HR Dr. Ludwig Binder, Dr. Gerhard Götschhofer.
Hier findet sich als Mitglied des Rechtsmittelsenats HR Binder wieder, seines Zeichens Präsident des NÖFV und damit Herr über die Regeln des NÖ-Cups. Beschlussfähig ist der Rechtsmittelsenat gemäß Statuten des ÖFB bei der Anwesenheit von 3 Mitgliedern, wobei der Vorsitzende oder sein Stellvertreter (?) anwesend sein muss. Eine Chance auf persönliche Darstellung ihrer Sicht haben die Stripfinger dabei nicht mehr, denn nach § 94 der Rechtspflegeordnung des ÖFB gilt: „Vor dem Rechtsmittelsenat findet keine mündliche Verhandlung statt."
Ausblick
Interessant in dem Zusammenhang ist dabei noch folgendes. Man konnte (und Stripfing tat das) schon vorab damit rechnen, dass im Finale wahrscheinlich Krems der Gegner sein würde. Selbst wenn man das Finale verlieren würde, konnte man annehmen, dass man für den ÖFB-Cup spielberechtigt sei, schließlich heißt es in den Bestimmungen zum NÖ-Cup: „Sollte der Admiral NÖ Meistercupsieger unter den teilnahmeberechtigten Vereinen der 1. NÖN-Landesliga sein, dann nimmt der Finalist am ÖFB-Cup teil."
Da Krems lange Zeit Führender war und letztlich 2. der 1. NÖN-Landesliga wurde, konnte man annehmen, dass Krems wohl in die Kategorie "teilnahmeberechtigter Verein der 1. NÖN-Landesliga" fallen würde und damit das Startrecht an den Finalisten übergehen würde. Man glaubte also mit der Erreichung des Finales bereits den ÖFB-Cup-Startplatz in der Tasche zu haben. Bis die Strafverifizierung kam. Dann allerdings durfte ASK Marienthal mit dem ÖFB-Cup-Startplatz rechnen und tat das auch, wie Sektionsleister Holger Frauhammer telefonisch bestätigte. Tatsächlich sind die NÖ-Starter im ÖFB-Cup lt. Website des NÖFV: „SV Horn, SKU Amstetten, 1. SC Sollenau, ASK Ebreichsdorf, SV Leobendorf, ASK Kottingbrunn und der SC Krems/ als NÖ-Cup-Sieger."
Warum Marienthal nicht im ÖFB-Cup spielen wird, konnte Holger Frauhammer auch nicht wirklich erklären. Man habe die Entscheidung/Erklärung des Verbandes irgendwann akzeptiert, ohne sie letztlich völlig zu verstehen, so der Marienthaler Sektionsleiter.
Erklärt wird das seitens des NÖFV damit, dass mit Ausnahme des Meisters und Aufsteigers kein Landesligaverein mehr einen Fixplatz hat, sondern die verbleibenden Plätze in einem Qualifikationsmodus unter den vorderen Vereinen der Landesliga ausgespielt werden. Heuer bedeutete das also, dass Ebreichsdorf als Meister einen Fixplatz hatte, Krems den Cupsiegerplatz bekam und sich Leobendorf (4.) gegen St. Peter/Au (5.) sowie Kottingbrunn (3.) gegen Langenrohr (6.) die letzten beiden Startplätze erkämpften. Die entsprechende Bestimmung hinsichtlich des Finalisten (in ihrer Formulierung als Mehrzahl) ist damit de facto totes Recht, und kann bestenfalls nur mehr dann zur Anwendung kommen, wenn ein Meister der 2. Landesliga im Folgejahr auch in der 1. NÖN-Landesliga Meister wird. Die Verwirrung entsteht möglicherweise dadurch, dass der Qualifikationsmodus erst vor kurzem eingeführt wurde, und dabei auch schon die eine oder andere Änderung erfahren hat, so musste in der Saison 2012/2013 der Landesligameister auch Qualifikation spielen.