‚Männer müssten nie auf Kunstrasen spielen'
Seit zwei Tagen läuft die Frauen WM in Kanada. Double-Gewinner-Trainer Hannes Spilka vom FSK St. Pölten-Spratzern und Johannes Uhlig, langjähriger Neulengbach-Coach und Sportwissenschafter, im 90minuten.at-Gespräch über Kunstrasen, taktische Neuerungen un
Erstmals nehmen 24 statt 16 Länder an der Frauen-Fußball-WM teil. Das Teilnehmerfeld ist im Grunde das Who-is-who der kickenden Frauen. Durch die Aufstockung um acht Länder dürfte es zuweilen dennoch zu einem ziemlichen Leistungsgefälle kommen. Detaillierte Analysen der Teams bieten die Kollegen von ballverliebt.eu an. Wer das Turnier dieses Jahr gewinnen wird, scheint nicht so klar. Während es bei den Männern 2014 mit Deutschland doch einen deutlichen Favoriten gab, fällt bei den Damen die Einschätzung schwer. „Die üblichen Verdächtigen", hat Hannes Spilka im Gespräch mit 90minuten.at im Fokus. Das sind Kanada, die USA, Deutschland, Schweden, Brasilien oder die Titelverteidigerinnen aus Japan.
Spilka räumt auch den Französinnen, die in der Qualigruppe 7 Österreich auf Rang zwei verweisen konnten, gute Chancen ein. Für Johannes Uhlig sind auch die Spanierinnen durch ein schnelles, technisch anspruchsvolles Spiel ein Geheimtipp. Er ortet auch bei „der Schweiz, den Niederlanden oder Nigeria" Potenzial. Beide attestieren dem Frauenfußball große Fortschritte. „Es wird immer überall professioneller", so Spilka, „das sehen wir auch mit der Frauenakademie in Österreich. Da kommen nun schon ein paar Jahre lang topp ausgebildete Spielerinnen heraus."
Taktische Neuerungen
Die Professionalisierung ist auch international zu merken. Uhlig meint: „Viele Nationen haben sich in den letzten Jahren in physischer, technisch-taktischer und mentaler Hinsicht weiter entwickelt." Hannes Spilka meint, dass vor allem die Physis mehr zum Tragen kommen wird. Des Weiteren kann er sich vorstellen, dass „viele Teams auch mit einer Dreierkette spielen werden". Ein Gefälle wird es punkto Leistung durch die Aufstockung geben. Es ist eben ein Spagat zwischen sportlichem Wettkampf – da ist es fraglich, inwieweit Teams wie Thailand mithalten werden können – und wirtschaftlicher Kalkulation. Dazu sagt Sportwissenschafter Uhlig: „Natürlich ist es auch eine marketingstrategische Angelegenheit, weil viele Partner am „Geldkuchen" mitpartizipieren können und somit die globale Wirtschaftskraft angekurbelt wird."
Die Kunstrasenthematik
Es war DAS Thema in den vergangenen Wochen. In allen sechs Stadien liegt künstliches Grün. Wer schon einmal auf Kunstrasen gespielt hat, weiß, wie schmerzhaft das sein kann. Bei den Herren denkbar? „Eine Männer-WM würde man nie auf reinem Kunstrasen spielen", sagt Hannes Spilka knapp. Uhlig stößt ins selbe Horn: „So sieht man wieder das aktuelle Ungleichverhältnis gegenüber den Frauen im Fußball. Oder wie es die deutsche Nationalspielerin Pauline Bremer ausdrückt: Das zeugt von fehlendem Respekt gegenüber uns Athletinnen!"
Dass sich aber das künstliche Grün weiterentwickelt hat, kann der promovierte Sportwissenschafter bestätigen: „Aus sportwissenschaftlicher Sicht scheinen die Dämpfungseigenschaften der neuen Generation von Kunstrasenfeldern schon einen gewissen Qualitätsanspruch erreicht zu haben und somit sind medizinische Beeinträchtigungen auf den passiven Bewegungsapparat (wie Knochen, Sehnen und Bändern) eher auszuschließen." Für Spilka gibt es aber dennoch Abstriche bei den Zweikämpfen. Außerdem sagt er: „Der Kunstrasen ist tiptop zu bespielen, aber was anderes als ein Rasenplatz. Es ist schwer, den Unterschied zu beschreiben. Am Rasen sind die Zweikämpfe aber leichter, am Rasen kann man anders agieren, mal lange Bälle spielen, weil der Rasen nicht so schnell ist. Man muss auf Kunstrasen viel präziser spielen, der echte Rasen überlässt mehr dem Zufall, das macht es für mich interessanter."
Spannende Wettkämpfe
Spielerinnen wie Dzsenifer Maroszan und Celia Sasic (Deutschland), Hope Solo und Abby Wambach (USA), Marta und Darlene (Brasilien), Delie (Frankreich), Boquete (Spanien), Schelin und Seger (Schweden) und Miedema (Niederlande) können dem Turnier ihren Stempel aufdrücken. Es wird sicherlich auch wieder den einen oder anderen Umfaller der Topteams und Überraschungsmannschaften geben. Und Österreich? Hannes Spilka geht davon aus, dass die heimischen Kickerinnen bald so weit sein werden: „Wenn nicht bei dem nächsten Großereignis, dann beim Übernächsten."