Österreichs neues ‚Offensiv-Pressing Light'
Österreich zeigte gegen Schweden ein neue Form des Pressings, nennen wir es es „Offensivpressing light". Die Österreicher nahmen damit erneut eine Stufe in ihrer Entwicklung unter Koller: das Pressing wurde verfeinert. Dennoch kreierte Österreich gegen d
Das Nationalteam startete mit einem Unentschieden in die EM-Quali gegen eine verbesserte schwedische Mannschaft. Im Vorfeld der Partie war das Interesse der Öffentlichkeit sehr groß und jeder wollte seinen Part zu dem Spiel, zu Marcel Kollers Taktik und zu den Chancen der Qualifikation im Allgemeinen loswerden. Wie so oft gab es die Wahrheit dann schließlich auf dem Platz und sämtliches Vorgeplänkel, blieb wie so oft eben nur Vorgeplänkel.
Die Schweden kamen wie im Vorfeld angekündigt in einem neuen System, das im Jahr 2014 nach der gescheiterten WM-Quali umgestellt wurde: das Old-School 4-4-2 wurde wieder eingemottet und durch ein angebliches 4-3-3 ersetzt. Es handelte sich selbstverständlich nicht um ein 4-3-3, da kaum eine Mannschaft gegen den Ball konsequent mit drei Spielern auf einer Front arbeitet. Denn wenn man wirklich offensiv presst, so wie es Österreich gestern wieder teilweise getan hat, dann im klassischen 4-4-2, mit bis zu 4 Spielern an vorderster Front.
Spiegelformation
Viel mehr konnte man bei den Schweden ein 4-1-4-1 beobachten, welches deshalb besonders interessant war, weil Koller seine Mannschaft fast schon traditionell im 4-2-3-1 aufliefen ließ.
Es entsteht eine sogenannte Spiegelformation (siehe Grafik), bei der jeder Spieler in der Zentrale einen direkten Gegenspieler hat. Die Überzahl im Zentrum, die Österreich gegen Schweden in der letzten WM-Quali hatte, war Geschichte. Dadurch ergab sich für die Schweden die Möglichkeit zu losen Manndeckungen im Zentrum, vor allem Junuzovic wurde so im zentralen Raum zwischen Mittellinie und 16er in Manndeckung genommen. Auch Alaba wurde Opfer der Manndeckung, vorausgesetzt er hielt sich in vorderen Regionen auf. Einzig und allein Baumgartlinger wurde im Spielaufbau nicht unter Druck gesetzt, dies wurde den Schweden bei Baumgartlingers Großchance in der 40. Minute. auch fast zum Verhängnis.
Baumgartlinger wird nicht gepresst
Spielaufbau von Hinteregger
Was Österreich jedoch nicht davon abhielt, den Schweden-Riegel einige Male zu knacken. Verantwortlich dafür war primär der gut vorgetragene Spielaufbau. Wenn Österreich das Spiel von hinten aufbaute, rückten die beiden Außenverteidiger (Fuchs und Klein) sehr hoch auf, die beiden Innenverteidiger stellten sich breit und ein Mittelfeldspieler kippte vertikal in die neu geschaffene 3er-Kette ein. Zum Großteil wurde dieser Raum von David Alaba besetzt. Der Spielaufbau kam aber von einer anderen Person: Martin Hinteregger. Im Gegensatz zu Dragovic, verstand dieser es immer wieder den Ball gezielt in den Zwischenlinienraum der Schweden zu spielen, dies ist der Raum zwischen Abwehrkette und Mittelfeldreihe. Dort konnte sich Junuzovic mit ausweichenden Läufen auf den Flügel aus der losen Manndeckung von Källström lösen und so einen Angriff nach dem anderen starten.
Dragovic war im Spielaufbau nicht so bemüht, oft wurde der Ball zurück zu Hinteregger oder ganz simpel eine Station weiter zu David Alaba gespielt. Enttäuschend ebenfalls die Spieleröffnung von Kapitän Fuchs, der immer wieder auf einen Long-Line Pass zurückgriff: Einen Pass die Outlinie entlang auf den vor ihm postierten Arnautovic. Diese Option sollte tunlichst vermieden werden, weil der Gegner sehr schnell in Ballbesitz kommen kann. Hintereggers Zuspiele hingegen konnten die Schweden in der ersten Halbzeit kaum verhindern. In der zweiten Hälfte antworteten die Schweden aber mit rigoroseren Manndeckungen gegen Junuzovic, auch wenn diese bereits in der 1. Hälfte vorhanden war. Im Laufe des Spiels wurde Alaba von Koller sukzessive weiter nach vorne beordert und Baumgartlinger übernahm den Part als zentraler Verteidiger der temporären Dreierkette.
Alaba kippt ab, Fuchs und Klein rücken weit auf
Einen weiteren Beweis für die hohe Flexibilität der Österreicher zeigt eine Szene kurz vor der Pause in der 40. Minute: Junuzovic findet sich plötzlich zwischen den beiden Innenverteidigern, Alaba übernimmt Arnautovics Position am linken Flügel und dieser findet sich als 10er wieder. Dies schien einstudiert zu sein, und beinahe kam Janko auch an eine Flanke von Alaba über links.
Offensivpressing light
Der Spielaufbau der Schweden bestand jedoch exklusiv aus hohen Bällen, diesbezüglich denke ich, dass Koller seinen Kollegen Hamren ein wenig überraschen konnte. Beim ersten Rückpass zu Isaksson schaute dieser erstmal verdutzt, ob er das Spiel nun mit einem kurzen Pass oder aber durch einen hohen Ball eröffnen soll. Er entschied sich für den Kurzpass, doch es blieb bei diesem einen Mal, scheinbar bekam er wieder die Anweisung beim bewährten Konzept der langen Bälle zu bleiben. So wurde konsequent jeder Ball nach vorne gedroschen. Je besser die Schweden die zweiten Bälle erobern konnten, desto höher konnten sie sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen. Was uns auch schon zum interessantesten, und im Vorfeld meist diskutiertesten, Thema bringt: das Pressing der Österreicher.
Das von Mählich im ORF immer wieder beschriebene Offensivpressing konnte ich nicht erkennen. Vielmehr war das gestrige Pressing eine neue Variante als Kombination aus dem Angriffspressing der WM-Quali und dem Mittelfeldpressing der Freundschaftsspiele gegen Uruguay und Island. Man könnte es liebevoll „Offensivpressing light" nennen.
Die Mannschaft hat offensichtlich bestimmte Pressing-Trigger (Auslöser für Offensivpressing) auf den Weg mitbekommen, beispielsweise ein zu schwach gespielter Rückpass zur Verteidigung oder zum Tormann. Aber auch ein Dribbling der technisch schwachen Innenverteidiger in den freien Raum, dabei wurden die Innenverteidiger meist durch bereits aufgerückte Spieler, meist Junuzovic und Janko von hinten gepresst.
Doch das Grundprinzip blieb das Mittelfeldpressing. Erst auf Höhe der Mittellinie wurde der Gegner unter Druck gesetzt. Dabei wurden die Schweden bewusst auf die Außenpositionen gelenkt, da erneut das Zentrum lose Manngedeckt wurde, die Schweden besaßen hierbei keinen Innenverteidiger mit der technischen Klasse wie Hinteregger, der im Aufbau zwischen die Linien kam, und so wurde jeder kontrollierte Spielaufbau auf die Außen gespielt, wo die Österreicher den Raum eng machen wollten, um sofort wieder in Ballbesitz zu kommen. Dabei wurde dies zunächst ein wenig lethargisch umgesetzt: vor allem zwischen 10. und 25. Minute kamen die Österreicher an der Mittellinie meist einen Schritt zu spät, weshalb die Schweden Überhand gewannen.
Hier im Ansatz zu sehen: Das Zentrum wird zugemacht, die Schweden müssen auf hohe Bälle oder über die Flügel ausweichen
Dass das Pressing im Laufe der Partie immer weiter abnahm hatte zweierlei Gründe: zum einen war der primäre Stressmacher, Junuzovic, bereits sichtlich ausgelaugt. Andererseits gaben die Schweden den Koller-Schützlingen auch nicht mehr die erforderlichen Trigger zum Pressen. Auf Rückpässe wurde immer mehr verzichtet, auch unter Bedrängnis wurde der weite Ball gesucht, um das Pressing der Österreicher endgültig im Keim zu ersticken. Koller reagierte mit Leitgeb und versuchte Alaba noch ein weiteres Stück nach vorne zu schieben, doch auch diese Maßnahme brachte nicht die Wende. Die Schweden standen tief und die Österreicher antworteten mit unzähligen Halbfeldflanken; nicht unbedingt ein probates Mittel. Bezeichnend, dass der Handelfmeter entstand, als Arnautovic sich weigerte die offensichtliche Halbfeldflanke zu spielen und stattdessen mit einem tollen Flachpass das 1:0 einleitete.
Die Schweden blieben bei ihrem tiefen Spiel, Ibrahimovic übte wenig bis gar keinen Druck auf unsere Innenverteidiger im Spielaufbau aus. Die Bälle wurden konsequent nach vorne gedroschen, wo auf den zweiten Ball gehofft wurde. Dank der zwei sehr schnellen, körperlich starken Flügel - Zengin und Durmaz - war das auch ein probates Mittel, womit den Österreichern dieses Mal scheinbar mehr Probleme bereitet wurde als vor 14 Monaten beim Heimspiel im Rahmen der WM-Quali.
Wo war das von Mählich erwähnte Gegenpressing der Österreicher?
Zuletzt möchte ich noch auf ein weiteren Kommentar von Roman Mählich eingehen: das Gegenpressing - auch „Nachsetzen nach Ballverlust" genannt - habe ich nicht wirklich so gesehen wie der gestrige Co-Kommentator. Es wurde zwar vereinzelt nachgesetzt, jedoch nur, wenn man eine klare Überzahl im gegnerischen Drittel hatte. Eine Szene die verdeutlicht, dass Gegenpressing wohl nicht auf Kollers Agenda stand, ist folgende:
Fuchs verliert den Ball im vorderen Drittel
Arnautovic und Alaba hätten Zugriff im 2gg2, vor allem am Flügel, verzichten aber aufs Gegenpressing
Fazit: Die nächste Entwicklungsstufe unter Koller
Die Österreicher nahmen erneut eine Stufe in ihrer Entwicklung unter Koller, das Pressing wurde erneut verfeinert. Die Nationalmannschaft spielt kein Hurra-Offensivpressing mehr, jedoch auch nicht zu abwartend. Die Auslöser fürs Pressing sind vorhanden und haben speziell in der 1. Hälfte auch ordentlich geklappt. Ein Sieg hätte aufgrund der Überlegenheit gelingen können, doch wirklich zwingende Torchancen wurden zu selten herausgespielt. Überragender Mann bei den Österreichern war Martin Hinteregger (Bild), der dank seiner Qualitäten im Spielaufbau die Schweden ein ums andere Mal in Verlegenheit brachte. Einzig und allein die beiden etatmäßigen Kapitäne Fuchs und Janko sollten unserem Teamchef Sorgenfalten bereiten. Taktisch gesehen ist Österreich jedoch auf einem guten Weg.