Grödiger Märchen: Happy End trotz vieler Hexen?

Grödigs Lukas Schubert gewährt Einblicke in das Innenleben eines kleinen Vereins in der Nähe der kleinen Stadt Salzburg. Es ist der Verein, den fast niemand in der Bundesliga haben will und Rückschläge nicht aufhalten. Es ist Märchen, das trotz vieler Hex

 

Vor beinahe exakt zwei Jahren hatte sich der SV Scholz Grödig mit einem 4:1 gegen den FC Lustenau in die Winterpause verabschiedet; einen Punkt hinter dem SKN St. Pölten, neun hinter Austria Lustenau. Der SV Grödig – von vielen damals belächelt. Grödig ein Eitelkeitsprojekt der Familie Haas, ein „Dorfklub" unter vielen. Grödig, in der Nähe des Salzburger Nobelvorortes Anif gelegen, war 2008 in die Erste Liga aufgestiegen. Belächelt wurden die Salzburger, weil Sportchef Christian Haas, früher noch als Tormann in der Landesliga tätig, vom Rapid-Bus vor dem kleinen Sportplatz träumte. Eine Saison zweite Liga, dann stiegen sie ab. Grödig verkam aber nicht zu einer Randnotiz des heimischen Profifußballs, schaffte den Wiederaufstieg. In weiterer Folge waren sie kaum mehr als ein Verein, den Sunnyboy Heimo Pfeifenberger betreute und wo Oldies wie Herwig Drechsel, Joachim Parapatits oder Stefan Lexa ihre letzten Spiele als Profis absolvieren.

 

Doch dann kam Adi ...
Ein paar Monate vor dem erwähnten 4:1 gegen den FC Lustenau kam Adi Hütter. Der gebürtige Vorarlberger war zuvor mit dem SCR Altach am Aufstieg gescheitert und hatte mit Christian Haas gemeinsam eine Mannschaft gebastelt, die vorne mitspielte. Außenverteidiger Lukas Schubert (siehe Bild unten), seit sieben Jahren beim Verein, erinnert sich an die Winterpause: „Ich kann mich noch gut an die gemeinsame Zielsetzung vor dem ersten Rückrundenspiel erinnern. Das Ziel wurde vom Trainerteam vorgegeben – Meisterschaft!" Auch wenn nur intern, angesichts von neun Zählern Rückstand eigentlich eine genauso abstruse Vorstellung wie Meisterschaftsspiele gegen den SK Rapid, von denen im Hause Haas so gerne geträumt wurde. „Alle Betreuer stellten sich vor das Team und sprachen über unser gemeinsames Ziel", beschreibt Schubert die Szenerie: „Eine Aufgabe war es, sich ein geistiges Bild vorzustellen, das Wirklichkeit werden soll, wenn wir unser Ziel erreichen. Jeder hat sein individuelles Bild vor dem Auditorium beschrieben. An diesem Abend war eine ganz besondere Energie im alten Grödiger VIP-Raum zu spüren."

 

Lukas Schubert Gepa Pictures

Lukas Schubert (Gepa Pictures)

 

Zu viel des „Dorfes"?
Der Rest ist eine zu Unrecht geschmähte Geschichte des heimischen Fußballs. Hätten nicht zuvor schon Ried, Mattersburg, Pasching oder Altach die „Traditionsvereine" durch Bundesliga-Teilnahmen zum Narren gehalten – Grödig wäre ein Fußballmärchen wie die UEFA-Cup-Finalteilnahme von Austria Salzburg. Während also Austria Lustenau taumelte, verloren die Grödiger nur noch zwei Spiele in der Rückrunde. „Eine Minute bevor wir zum Match rausgegangen sind, lehnte sich jeder zurück schloss die Augen und visualisierte sein persönliches Bild. Man konnte in diesen Momenten eine Stecknadel fallen hören so ruhig war es. Dann zählte Adi Hütter bis drei und alle schrien 'Jaaaaaa'. Dieser Schrei vor dem Rausgehen wurde von Spiel zu Spiel lauter." Aber natürlich war es nicht nur autogenes Training und das Versagen des Vorarlberger Konkurrenten, was Grödig zum Meistertitel führte.

 



 

„Ein wichtiger Grund war damals auch die Verpflichtung unseres Videoanalysten Ronny Regensburger", so Außenpracker Schubert weiter: „Seine Analysen wurden zu unserer Geheimwaffe. Uns konnte nichts mehr überraschen. Er ist auch jetzt fester Bestandteil." Das, Glück, eine richtig gute Mischung aus Spielern, ein unwiderstehliches Spiel, das das Trainerteam erdacht hatte, machte es aus. „Wir haben damals Austria Lustenau zuhause 2:1 geschlagen. Die ganze Mannschaft feierte den Titel bis in die frühen Morgenstunden. Am nächsten Vormittag ging ich in die Dorfbäckerei und dort saßen schon Stefan Nutz und Adi Hütter. Nach und nach trudelten immer mehr Fans und Spieler ein. Wir saßen zusammen und keiner am Tisch realisierte, was wirklich passiert war."

 


Nicht einmal die böse Hexe kann Grödig aufhalten
Zu jedem guten Märchen gehört freilich auch eine böse Hexe. Im Falle von Grödig waren es zwei: Die Wettmafia und die Konkurrenz. Grödig überzeugte das ganze erste Bundesligajahr hindurch. Und das, obwohl vor gut einem Jahr Innenverteidiger Dominique Taboga durch die Verwicklung in den Wettskandal rausgeworfen wurde und Außenverteidiger Thomas Zündel wegen vereinsschädigendem Verhalten die Grödiger verlassen musste. Zudem verließ im Winter Philipp Zulechner Richtung Freiburg und Thomas Salamon ging zur Austria nach Wien. Dazu war im Herbst noch Abwehrchef Ione Cabrera verletzt ausgefallen. Es musste sogar der Zeugwart auflaufen, die entsprechenden Schlagzeilen in den Medien gab es gratis dazu. Doch Grödig steckte nicht auf. „Christian Haas wurde früher oft belächelt und auch jetzt sind wir von manchen nicht unbedingt erwünscht in der Bundesliga. Die Wahrheit ist aber, dass sich Christian Haas zu einem Topmanager entwickelt hat", meint Lukas Schubert. Der Topmanager Haas holte Kicker, die Grödig am Ende vom dritten Platz strahlen ließen.

 

Vor ungefähr einem Jahr fing aber bei Lukas Schubert die Tortour an. Mitten in der Achterbahnfahrt der Gefühle für den Verein machte sein Herz Probleme. Während seine Vereinskollegen die Bundesliga narrten, lag er im Krankenhaus – mit einem im Sommer 2014 auslaufenden Vertrag, nachdem er seit seinem Debüt 2008 aus der zweiten Liga abgestiegen war und zwei Mal auf: „Das letzte Jahr war das schwerste meines Lebens. Drei stationäre Krankenhausaufenthalte und der Anblick eines sterbenden Bettnachbarn gehen nicht spurlos an einem vorbei." Im Sommer gingen Mario Leitgeb, Tadej Trdina, Peter Tschernegg und Dieter Elsneg weg von Grödig, genauso wie Adi Hütter, der schon fast in Ried war, ehe Ralf Rangnick ihn zu Red Bull Salzburg holte. Mit Michi Baur sollte ein Trainer ohne Profierfahrung das schwierige zweite Jahr schaffen. Doch Baur überzeugt in der Liga, das Europacup-Out gegen den FC Zimbru war unnötig, aber überwindbar. Aktuell liegt Grödig vier Punkte hinter einem EC-Startplatz und neun vor dem Abstieg.

 

Groedig Fans Michi Baur Gepa Pictures

 

Besondere Stimmung hält an
Vielleicht liegt ein Grund für den anhaltenden Erfolg der Salzburger in Geschichten wie jenen rund um Lukas Schubert: „Als Michi Baur als Trainer kam, hatte ich eine Herzmuskelentzündung und ein Comeback war nicht absehbar. Ich hatte die Befürchtung vergessen zu werden, da ich noch längere Zeit nicht zur Verfügung stehe." Schubert ist noch immer Angestellter des SV Grödig: „Diese Befürchtung war vollkommen unbegründet, das ganze Trainerteam Michi Baur, Max Scharrer und Oliver Scheucher behandeln mich als vollwertiges Mitglied des Teams und empfangen mich immer herzlich wenn ich beim Training vorbeischaue. Bei all den Dingen, auf die ein Bundesligatrainer achten muss, noch immer ein offenes Ohr für Langzeitverletzte zu haben, zeigt von menschlicher Größe. Jetzt bin ich hoffentlich auf dem Weg zurück zur Gesundheit. Nach so vielen Rückschlägen traut man dem Frieden erst wenn es wirklich überstanden ist."

 

Seit Ende November kooperiert der SV Grödig, unter anderem auch wegen ihres Evergreens Lukas Schubert, mit der Heartbeat Foundation. „Es sind im Training und im Match immer Leute anwesend, die bei einem Notfall sofort helfen können." 1994 starb der große Fußballer Bruno Pezzey bei einem Eishockeyspiel an Herzversagen, viel zu oft wiederholten sich solche Fälle. Auch bei jungen Spielern. 2003 brach Kameruns Nationalspieler Marc-Vivien Foe während eines Confederations Cup-Spiels nieder und verstarb wenig später, Livornos Spieler Permario Morosini starb während des Spiels gegen Delfino Pescara im April 2012. Lukas Schubert erhielt im Sommer einen neuen Vertrag und wird wohl wieder Fußball spielen, vielleicht sogar im Europacup. Grödig ist definitiv gekommen, um zu bleiben. Der Verein gibt sich das Motto „Lossts eich nix gfoin" - Trainer weg, Mannschaft weg, Verletzungen, Rückschläge – alles verwunden. Vermutlich, weil die Verantwortlichen wirklich etwas Nachhaltiges aufgebaut haben.

 


Das Märchen geht trotz Zuschauerflaute weiter
Infrastrukturmaßnahmen und ständiges Werkeln am Kader sind das tägliche Brot des kleinen Vereins. Das geht dann nicht mehr im Modus „Dorfklub". Das merkt der Fußballfan, wenn er Bilder des Stadions von damals mit jenen von heute vergleicht. Doch werden die Grödiger bei anhaltendem sportlichem Erfolg zwischen dem Glamour Red Bulls und der „erdigen" Austria jemals Massen anziehen? Selbst der größte sportliche Erfolg ließ die Zuschauerzahlen stagnieren. Ob sich daran künftig etwas ändern wird? Und kann man einen Klub dauerhaft mit 2.000 Zuschauern in der Bundesliga halten? Fraglich.

 

Und dennoch: Personell arbeitet Grödig ständig daran, sich noch besser aufzustellen. „Über die Jahre hat sich der Verein und die Personen im Verein entwickelt. Ich bin seit sieben Jahren Spieler hier und mittlerweile ist der Verein gut aufgestellt. Wir haben mit Stoja Jalic und Lukas Fabi zwei internationale Topleute im Büro. Die medizinische Abteilung mit Physiotherapeut Andi Biritz und Masseur Otto Kraushofer ist qualitativ einfach gut und sich für nichts zu schade. In einem gesunden Umfeld kann man sich als Spieler gut entwickeln. Das ist ein Mitgrund, warum so viele den Sprung zu größeren Vereinen geschafft haben." Deshalb träumt ja Christian Haas von einer neuerlichen Europacup-Teilnahme. Schubert dazu: „Und wenn. Was wäre die Welt ohne Träume?"